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Manchmal darf man sich schon fragen, was einige Menschen in der Medienwelt so für Anstand halten, für gute Manieren und für Fairness. Oder ob sie diese Begriffe überhaupt kennen.

In diesem Fall sind es die Verantwortlichen bei Radio BielefeldRadio GüterslohRadio Herford 94,9Radio HochstiftRadio WAFRadio Westfalica und Radio Lippe, die zusammengefasst sind unter der Vermarktungsgemeinschaft AMS.

Sie haben – hey, wir sind in Deutschland – das Uni-Radio Q in Münster abgemahnt. Grund: Ähnlichkeiten im Logo. Die sind, wie dieser von Herrn Fiene angefertigte Vergleich zeigt, unbestreitbar:

qverbotenwaf

Und was macht der gute deutsche Medienmacher: Er mahnt ab. Aber mal so richtig. Klar, man könnte auch mal miteinander reden, gerade weil zwischen den Sendern ja keine Hörerüberschneidung stattfindet, ein Uni-Radio keine Werbung macht – und somit keine Wettbewerbsbeziehung besteht. Vielleicht auch weil sich die Lokalfunker denken: Hey, da arbeiten unsere Mitarbeiter von morgen.

So viel Überlegungen aber sind heutzutage schon zu viel verlangt. Man lässt einfach die Anwalts-Pitbulls los. Das Ergebnis ist das, was man einen Shitstorm nennt. Die ansonsten eher homöopathisch besuchten Fanseiten von Radio Bielefeld und Radio Gütersloh werden geflutet mit wütenden Kommentaren. „Typisch Internet“ wird dann mancher sagen. Doch haben wütende Äußerungen auf Facebook eben eine andere Qualität als in einem anonymen Forum: Wer unter eigenem Namen ausfallend wird, hat mehr Gewicht.

Interessant ist dabei die unterschiedliche Reaktion der beiden Sender.Radio Gütersloh macht, was man nicht tun sollte: Die Kommentare übergehen und Alltag spielen. Die Bielefelder dagegen reagieren ordentlich und nehmen Stellung:

„Innerhalb der Redaktion halten wir das Vorgehen auch für überzogen!!! Wenn Ihr Euch mal mit dem NRW-Zweisäulensystem beschäftigt, versteht Ihr das Problem…“

Sprich: Mutmaßlich waren da die Juristen der beteiligten Verlagshäuser am Werk. Das bestätigt auch AMS-Geschäftsführer Uwe Wollgramm gegenüber Daniel Fiene in der Art. Es wird einfach kampfhundesk abgemahnt ohne Rücksicht auf das Ziel der Schreiben. So bleibt am Ende die Frage, warum Medienhäuser nicht in der Lage sind einfach so zu kommunizieren. Höflich, gesittet, so, wie man einfach gerne miteinander umgeht. Stattdessen gebärden sich sie wie lobotomierte Zombies.

(Disclosure: Ich war Mitglied des Radio-Q-Vorläufers Unfunk und bin Mitglied des Fördervereins von Radio Q.)


Kommentare


Sebastian Sellhorst 20. Mai 2010 um 17:07

Anscheinend haben die Radiomacher von heute keine anderen Sorgen.

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Mart 20. Mai 2010 um 17:14

Aus Gestaltersicht ist die Klage Bullshit.
Die Typo ist nur ähnlich, nicht die Selbe (radioWAW ist ein fetterer Schnitt, das „o“ ist eckiger, die Rundungen der beiden Fonts haben unterschiedliche Durchmesser etc.). Der Rest ist komplett anders (Schrägstellung, Farbgebung, Subline).

Sollte es zu einem Verfahren kommen, hätte die Abmahnung vor keinem Gericht Deutschlands Bestand!
Ausnahme: LG-Hamburg, bei denen ist schlichtweg alles möglich.

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Erol 20. Mai 2010 um 17:34

Ich glaube ohnehin nicht, dass das Konzept „Mitarbeiter von morgen“ mäßigenden Einfluss hat. Eher gilt hier vielleicht das Konzept „Wie halte ich mir die Leute vom Hals, die scharf auf meinen Redaktionssessel sind“. Trotzdem seltsame Verhaltensweise. Wobei ich – sorry, Mart, aber nicht alle Endverbraucher haben einen so scharfen Blick wie du 😉 – die Ähnlichkeit auch auffällig finde.

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Sven Hansel 20. Mai 2010 um 17:51

„gebärden sich sie wie lobotomierte Zombies.“

Lobo, immer wieder Lobo! 😉

SCNR

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Adm.Polli 20. Mai 2010 um 18:31

@Mart: Genau, beim LG Hamburg werden für Abmahner und so manchen Juristen die weltfremden Träume noch wahr. 😉

Ansonsten ist die PR von AMS wohl nicht so gut aufgestellt, OBWOHL man sich in sozialen Netzwerken und im Internet herumtreibt.

Bleibt noch ein passendes Zitat aus Shakespeares‘ Heinrich VI: „Das erste, was wir tun, laßt uns alle Anwälte töten!“

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Markus 20. Mai 2010 um 18:51

Mittlerweile liegt eine Stellungnahme der ams vor, bitte beachten:
http://www.mywebwork.de/fiene.tv/archive/2010/05/20/fiene-was-die-ams-zum-logo-fall-sagt/

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Markus 20. Mai 2010 um 18:53

Hups, den Link übersehen! Sorry!

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David 20. Mai 2010 um 19:06

Der Vorgang ist doch ein klares Zeichen dafür, dass es den betroffenen Radiosendern bzw. deren Betriebsgesellschaften derart gut geht, dass sie sonst keine anderen Sorgen haben, oder?

Ich meine, seriously: Wer hört Radio WAF?

Müssen die nicht auch bald alle sterben, weil die klugen Kids im Internet abhängen, dort ihren Kram streamen und keinen Bock mehr auf das beste von gestern, heute, übermorgen sowie den allerlangweiligsten Lokalkolorit haben? Da will man ja wenigstens mit erhobenem Haupt abtreten und dem Nachwuchs noch mal eben zeigen, wo der Hammer hängt.

Dass die engagierten Q-Leute aufgrund guter Connections ins Juridicum Zwangszahlungen aus dem Weg gehen konnten, ist natürlich schön. Die privaten Blogger, die in diesen Tagen wegen allerlei lustiger Gründe von allerlei auf ihre Rechte pochenden Instiutionen abgemahnt werden, haben diesen Vorteil ja meist nicht

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Mart 20. Mai 2010 um 19:32

@Erol: es geht bei sowas aber nicht um Ähnlichkeit, sondern um Verwechselbarkeit. Wenn nur die Wahl der Typo ein Kriterium ist, warte ich gespannt auf die nächste Klagewelle bei allen Logos, die Helvetica, Meta etc. nutzen 🙂

Wer keinen Bock auf Verwechselbarkeit in dem Bereich hat, soll sich eine individuelle Hausschrift gestalten und schützen lassen.

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50hz 20. Mai 2010 um 19:52

Die Sache nimmt beim @fiene gerade interessante Wendungen: http://s.50hz.de/bo Der Kommentar von Stephan Musholt dürfte zu einer Menge Ärger führen.

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10 nach 22 Uhr: Abmahnungen, Grundrechte, Pornos! : netzpolitik.org 20. Mai 2010 um 21:23

[…] zu ähnlich zu ihrem eigenen Logo war. Herr Knüwer hat den Vorfall in seinem Blog heute noch einmal artgerecht skandalisiert (Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Fiene und Knüwer ehemalige […]

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Christoph2 21. Mai 2010 um 8:25

ohje. Vielleicht sollte man die ganzen Abmahngeschichten einmal sammeln. Wolfskin, Schwalbe, Jako, Radio… am Besten wir beschränken uns auf die deutschen Fälle sonst wird das traurigerweise exorbitant groß.

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Falk D. 21. Mai 2010 um 8:43

Also ich werde mich nicht zur Qualität oder Überzogenheit des Vorgehens äußern, da über die Höhe der Kostennote keine gesicherte Information zu erhalten ist, aber ich finde die Ähnlichkeit / Verwechselbarkeit des Typos schon erheblich. Eine Differenz ist nur per Messschieber festzustellen. AMS kann gar nicht anders, als die Bild-/Wortmarke zu verteidigen. Das ist so grundlegend im Markenrecht, dass selbst Ingenieure sowas eingeimpft bekommen.

An der Marke hängen schließlich auch die Geschicke der Mitarbeiter. Außerdem würde das Konkurrenzverhältnis nur dann nicht bestehen, wenn die Uni-Radios ihre Funkwellen an der Campusgrenze aufhielten. Auch ohne Werbung konkurriert man um die Hörerzeit.
Radio-Q hat sich mit dem Logo einen vorhersehbaren Bock geschossen. Die Entscheider dort müssen sich durchaus mangelnde Sorgfalt vorwerfen lassen. Sollte die Einforderung der strafbewehrten Unterlassungserklärung mit nur geringen Kosten für Radio-Q verbunden sein, ist m.E. nichts dagegen einzuwenden.

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Aufreger 2.0 21. Mai 2010 um 12:51

@ Falk D.:
Eine ziemlich kühne Behauptung, welche man bei dir (http://www.zeitgleiter.org/post/1/459) lesen kann:
>RadioQ hat sich einen fetten Bock geschossen und den Typo (Schriftart) der ostwestfälischen Senderkette AMS geklaut!Deshalb haben wir von einer Grafik-Design Agentur den Schriftzug radio exklusiv für uns entwickeln lassen.<

Ah, ja – sooo exklusiv also …

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Stefan 21. Mai 2010 um 14:20

Die Kritik bezieht sich ja in vielen Teilen weniger auf den Inhalt der Unterlassungserklärung, sondern vielmehr auf die Vorgehensweise. Einem kleinen Campusradio außer Konkurrenz mit 25.000 Euro zu drohen, ist einfach kein guter Stil, wenn ein Anruf dasselbe bewirkt hätte.

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Mart 21. Mai 2010 um 18:05

@Falk D.: Wofür genau brauchst du deinen Messschieber?
Um Festzustellen, dass das eine Logo einen anderen Free(!)font-Schnitt benutzt als das Andere?
Um zu merken, dass das eine Logo um 45° gedreht ist?
Um die komplett anderen Farben mitzubekommen?

Vielleicht wäre ein Blindenhund hier angebrachter.
http://www.fontblog.de/abmahnung-wegen-gleicher-logo-schrift

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[ thomas matterne | weblog ] 26. Mai 2010 um 12:16

Das schreiben andere ……

+ + + Die fröhlichen Abmahner von Radio Waf & Co. + + +
Und wieder eine neue Mitgliedsnummer im „Abmahnen, statt reden“-Club derer, die mit dem Thema Internetkommunikation nicht viel anfangen können.

+ + + Fußball-WM: 3D-Übertragung könnte ausfal…

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