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Bitte schauen Sie sich einmal diese Internet-Seite an, sie trägt den Namen Nowness.

nowness lvmh

Und? Wie finden Sie die?

Ein wenig zu intellektuell-verkopft, vielleicht? Sie können mit Mode und so nem Zeugs nichts anfangen? Das ist OK.

Aber seien wir ehrlich: Das wirkt doch edel und gut gemacht, oder?

Das jedoch ist nicht das eigentlich Bemerkenswerte an Nowness. Nein, dieses Angebot ist ein kleiner Vorbote dessen, was wir in den kommenden Jahren sehr häufig erleben werden: Ein komplettes Umdenken bei Unternehmens-Homepages und damit einher gehend ein Abziehen von Lesern aus dem Umfeld klassischer Medienhäuser hin zu Markenartiklern.

Denn hinter Nowness steht…

der Luxusgüterkonzern LVMH.

Angeblich soll die Redaktion unabhängig sein. Doch kann sie das mit einem solchen Mutterhaus? Mutmaßlich ist sie so unabhängig wie jene andere Redaktion. Und das bedeutet: Über den eigenen Arbeitgeber verfasst man nichts negatives und ist gleichzeitig sehr offen gegenüber Einflussnahme aus der Chefetage. Dass aber LVMH sich bei einem inhaltlich getriebenen Online-Angebot engagiert zeugt vom Umdenken, dass derzeit in der Markenbranche einsetzt.

Irgendwann zwischen Mitte und Ende der 90er legte sich jede Firma, jede Marke eine Homepage zu. Sie wurde zum Strunz-Objekt des Management, gern sprach dann der Marketing-Chef zum CEO: „Wir haben jetzt eine Homepage. Sind im Internet.“ Und der CEO nickt beifällig und sagt „Gut gemacht“. Dann traf er den CEO des Mitbewerbers, rückte die Wirbelsäule gerade und sagte mit gönnerhaftem Unterton: „WIR sind jetzt übrigens ja auch im Internet. Mit einer Homepage.“ Und auch die Ehefrau bekam dies zu hören und entgegnete „Toll, Schatz.“

Niemand aber wagte die entscheidende Frage zu stellen:

„Und was machen wir jetzt damit?“

Dabei blieb es. Die Online-Auftritte der Unternehmen sind in weiten Teilen durchaus ansehnlich, häufig ziemlich überkandidelt und bemerkenswert oft suchmaschinenunfreundlich programmiert. Sie bieten Produktinformationen, Firmeninformationen und… Produktinformationen. Ihr Inhalt wechselt in Zeitabständen, die Plattentektonik wie ein Formel-1-Rennen erscheinen lassen. Und entsprechend sind ihre Abrufzahlen: bescheiden.

Langsam geht manchem Marketing-Entscheider aber auf, dass da etwas verpasst wird. Die Kunden sind im Internet unterwegs, reden über Produkte, Marken, Dienstleistungen – nur tun sie das eben nicht auf den Seiten des Unternehmens – sondern in Blogs und Foren, auf Facebook und Twitter. Kluge Unternehmen gehen diesen Weg mit: Denn im Internet ist der Kunde Kaiser.

Beispiel: Coca-Cola, das seine Social-Media-Strategie in einer interessanten Präsentation darlegt.

Doch auch bei Coke gibt es diesen Inhalte-Moment. Den Moment, da man mit den Kunden nicht nur beliebig reden möchte, sondern ihnen auch konkrete Inhalte zum Konsum reichen möchte. Und das ist in den vorgegebenen Bahnen fremder Dienste schwerer als auf einer eigenen Seite. Außerdem: Natürlich hätte jeder Marketing-Menschen seine Zielobjekte am liebsten möglichst nah bei sich.

Im Fall von Coca-Cola ist es die eigenen Community, in der die Inhalte landen; LVMH versucht sich dezenter mit einem avantgardistischen Lifestyle-Angebot; Kodak hat seine Homepage zur Foto-Community umgebaut – es sind erste, tastende Schritte, Versäumtes nachzuholen. Denn viele, starke Marken hätten alle Chancen, Kunden auch mit eigenen Angeboten zu erreichen: Trotz „No Logo“ begeistern sich viele Menschen für bestimmte Warenzeichen. Apple ist ein typisches Beispiel, ebenso aber BMW, Mercedes, Nutella oder Astra. Und wer eine Marke liebt, für den ist Werbung kein Ärgernis sondern oft gewünschte Information.

Bauen Unternehmernen also einen steten Nachrichtenstrom in ihr Online-Angebot ein, bestehen gute Chancen, mit den Hardcore-Kunden zu kommunizieren. Und neue Abnehmer? Die lassen sich gewinnen, ist das Informationsangebot neutral genug.Es muss nicht völlig unabhängig sein, sondern nur unabhängig genug – ein schwerer Spagat, aber ein möglicher.

Und deshalb werden noch viele Unternehmen in den kommenden ein, zwei Jahren versuchen, zum Inhaltelieferanten zu werden. Sie werden eigene Redaktionen aufbauen oder Dienstleister beauftragen. Sind sie gut, profitieren sie davon – zu Lasten der Nutzungszeit klassischer Medien. Wie auch Mercedes Bunz beim Guardian befürchtet: Diese Entwicklung erfordert eine weitere Diskussion über die Qualtität und Unabhängigkeit von Journalismus. Aufhalten wird sie diese neue Form von PR aber wohl kaum.


Kommentare


Henning 1. März 2010 um 15:06

Ein toller Artikel, danke! Gefühlt haben wir das doch schon alle, aber so schön auf den Punkt gebracht habe ich das dann doch noch nicht gelesen.

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Albert Warnecke 1. März 2010 um 15:13

So wird´s kommen. Die Konzernjungs haben zwar manchmal merkwürdige Prios, aber dumm sind sie nicht. Ist eine LVHM-Redaktion, die in Sachen Luxus redaktionell unterwegs ist per se so viel korrupter als eine der People-Publikation wie sie heute beim Zahnarzt ausliegen.
Und: Ist es in diesem Segment überhaupt relevant?
Gerade Großkonzerne haben hier enorme Möglichkeiten. Nestle und Konsorten können doch vom Kindergeburtstag bis zum Kockclub alles abdecken.
Wenn ich meinen Blick so über die Auslage des Bahnhofsbuchhandels schweifen lasse: Bei bestimmt 80% der Publikationen hätte ich kein Problem damit, wenn nicht eine unabhängige Redkation, sondern eine Firma der Herausgeber wäre. Vor allem, wenn man weiß, wie die meisten Fachredaktionen funktionieren 😉
Bei ein paar Hardcore-Themen (Politik, Wirtschaft) da braucht man wirklich unabhängige Journalisten, die auch mal 6 Monate recherchieren können, ohne auf die Kosten zu schauen.
Wenn es nicht als Spam gewertet wird, würde ich gerne auf meinen Artikel von heute morgen verweisen: http://www.bandikutmedia.de/index.php/blog/artikel/heult_nicht
Meine Gedanken zum Thema „Welt im Wandel“
Wenn das nicht ok, ist, bitte rausschmeißen

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Giesbert Damaschke 1. März 2010 um 15:53

Zwei kleine Anmerkungen:

a) Eine Seite, die mit einem großen Flash-Element aufwartet, ist heute fast schon wieder von gestern.

b) Und „was machen wir damit?“ wurde durchaus gefragt. Naja, fast. In einem Werbespot von IBM, vor ca. 10 Jahren. „Hier steht, wir müssen ins Internet“, sagt der zeitungslesende Mitarbeiter zu einem anderen. Pause. „Und warum?“ fragt der andere. Pause. „Steht hier nicht“, sagt der eine. (Wer bei Youtube sucht, wird den Spot vermutlich finden; verstanden habe ich nie ;-))

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Sascha Stoltenow 1. März 2010 um 18:32

Hat Blörn Sievers schon vor ein paar Monaten mal was zu geschrieben: http://bjoern-sievers.de/2009/08/17/feemium-postjournalismus-und-die-medienmenschen/

Davor noch Richard Edelman, every company is a media company: http://www.edelman.com/speak_up/blog/archives/2009/06/pr_in_a_world_o.html

Ich natürlich auch 😉 – wobei das die abstrakte, konzeptionelle Ebene dessen ist, was Thomas Knüwer hier an den Beispielen LVHM und Coca-Cola beschreibt. Außerdem ist das ja auch schon 2 1/2 Jahre her und lief unter dem Titel „Chancen für die B2B-Kommunikation.“

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Gideon Zipprich 1. März 2010 um 19:50

also diese LVMH homepage find ich mies, was soll das bitte genau bezwecken? interaktiv? informativ? schoen? praktisch? trifft irgendwie alles nicht zu. Sollen die Konzerne machen was sie wollen, aber bei vernünftigen Homepages das KISS-Prinzip nicht vergessen, Keep it Simple and Stupid.

Also ich kann dem ganzen nichts abgewinnen.

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Mirko Lange 1. März 2010 um 20:58

Ich will noch mal nachfragen, ob ich es richtig verstanden habe. Deine These (oder Beobachtung): Unternehmen werden eigene Redaktion aufbauen, um nicht nur Firmen- und Produktinformationen in ihrem Webpräsenzen anzubieten, sondern interessanten, redaktionellen Content. Richtig? Und die weitere These: Indem sie das tun, gewinnen sie neue Leser und nehmen diese gleichzeitig den klassischen Medien weg. Ja?

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Armin 1. März 2010 um 21:41

Woraus schliesst Du denn jetzt eigentlich dass „Nowness“ die eigentliche LVMH Website abloesen wird?

Ich kann da bestenfalls ein Zusatzangebot erkennen, bei dem LVMH grosszuegig den edlen Maezen raushaengen laesst der ein bisschen die Kunst und Kultur unterstuetzt (was ja laut der LVMH website generell Teil der Firmenphilosphie sein soll). Bei dem angestrebten Kundenkreis mag das ja auch durchaus sinnvoll sein.

Frueher wurden halt kulturelle Veranstaltungen gesponsort, heute legt man sich so eine Website zu. Auch nur eine Verschiebung zu einem anderen Kanal.

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Markus Kühner 2. März 2010 um 0:24

Ein Aspekt fehlt imho noch:
Qualitativ guter Content kostet i. d. R. viel Geld und ist damit auch wieder nur noch für größere Unternehmen problemlos verfügbar.
Hinzu kommt – vor allem wenn mit der Zeit der „share of voice“ durch zunehmendes konkurrierendes Angebot abnimmt – die Notwendigkeit, Leser teuer zum Content zu führen. Wieder ein Schritt zur Konzentration des Mediums auf einige Wenige, die das auf Dauer auch finanziell durchhalten.

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Albert Warnecke 2. März 2010 um 11:46

@Sascha Stoltenow : Danke für den Link zu Blörn Sievers
@ Giesbert: Na, das mit dem Flash werden die schon noch hinkriegen, geht ja eher um die Geisteshaltung und die ist in Blörn Sievers Artikel gut beschrieben.

Heute haben wir doch schon verschiedene Ansätze: Die HP des roten Bullen kommt schon sehr szenig daher. Wenn die ihr Programm noch um nicht-Red-Bull-Events erweitern kann daraus ein Trendsport-Magazin werden.

Auch der ernsthafte Betrieb einer Facebook-Seite ist doch schon recht journalistisch. Wenn man den Fans mehr als stalinistischen Verlautbarungsschlonz bieten will (das ist der große Vorsitzende und das sind unsere superdupertollen Produkte, die Weltmarktführer-Nummer eben), dann muß man recherchieren, Theen finden, aufbereiten und dann posten. Und vor allem: Das ist kein ROI-Job, wie z.B. Adwords. D.h. eine Firma, die sich im SM-Bereich präsentiert ist schon davon abgerückt alles sofort ROIifizieren zu müssen.
Print wirkt, aber nicht sofort und unmittelbar 😉

Apropos Print: Auch im Print haben ja viele Firmen schon Hauszeitschriften. Die oft wirklich nicht doll sind, geschenkt, aber trotzdem hier kommen die Felder Firma und Publizieren zusammen. Die Lufthansa könnte z. B. deutlich mehr aus ihrem Magazin machen. Wir dann vielleicht keine GEO, aber mit den „normalen“ Reisemagazinen könnte man bestimmt konkurrieren.

Ich denke: Firmen haben ein bestimmtes Budget für den Bereich „Bekannter und beliebter werden“. Wenn eine Redaktion besser wirkt, als 30 Sek vor der Tagesschau oder eine Adwords-Kampagne, dann geht das Geld in die Redaktion.
Und im übrigen nicht so abfällig über die Mäzene reden 🙂
Der, den sie Leonardo da Vinci nannten war sogar „featured by Cesare Borgia“
Auch das Mäzenatentum kann wichtige Dinge befördern und möglich machen

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Pat Skyder 2. März 2010 um 16:36

In die Richtung wird’s in Zukunft gehen, seh ich genauso! Entscheidend bleibt immer nur, ob klar erkennbar ist, welches Magazin hauptsächlich zu Werbezwecken besteht und welches „objektive“ Berichterstattung liefert.

Könnte mir auch gut vorstellen, dass es da eine schwer durchschaubare Grauzone geben wird. Gerade im Bereich „Blogger-Ehtik“ steht uns vermutlich eine interessante Diskussion ins Haus…

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Mithos 2. März 2010 um 21:06

Die Seite bleibt komplett weiß, wenn man ihr kein JavaScript erlaubt. Die Links sind generisch, nicht selbst-sprechend. Teilweise fehlt der alt-Text. Ich verstehe deshalb nicht ganz, wo sie da jetzt im Vergleich zu den frühen Online-Auftritten eine bessere Suchmaschinen-Optimierung sehen.
OK, ich bin nicht Zielgruppe. Aber genau aus dem Grund vermeide ich die Herstellerseiten, wenn ich mich über ein Produkt informieren möchte: auf solchen eleganten Hochglanz-Seiten findet man nicht, was man sucht, denn das steht da nicht. Das steht nur auf den Nicht-Hochglanz-Seiten.

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Digital Life – Links des Tages vom 03.03.2010 » farmville, google, homepage, mining truck, safebook, telekom, Zukunft » Digital Life 3. März 2010 um 17:22

[…] Die neue Homepage Man muss erst ein Stück lesen, dann verbergen sich in dem Artikel interessante Ansätze und […]

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