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Erst schien das Internet alles gleich zu machen, global, uniform. Mit einem Mal bekamen wir exotische Produkte ins Haus geliefert, Optik wurde unwichtiger, denn eine E-Mail sieht irgendwie immer gleich aus, HTML hat seine gestalterischen Grenzen und Musik verwandelte sich in Cover-lose Dateien. Dann stellte das Internet die Verbindung her zwischen uns Individuen. Brachte uns in Kontakt mit Menschen. Und nun könnte der logische, nächste Schritt folgen: die individualisierte Verbindung zwischen Gegenständen.

Erste Schritte gibt es seit zwei Jahren. Auf der Picnic 2008 zeigte Tikitag, eine Tochter von Alcatel Lucent, Funkchips für jedermann: Der Nutzer programmiert einen RFID-Aufkleber mit einer Funktion, die über ein Lesegerät erkannt wird. Aus Tikitag ist Touchatag geworden – aber nie so recht aus den Startblöcken gekommen. Ähnlich funkioniert die Klein-Version des Nabaztag, eines Plastikhasen, der über Wlan Daten aus dem Internet abgreift und vorträgt. Ein Massenmarkt-Erfolg ist auch er nicht.

stickybits2In den USA gibt es nun die nächste Variante. Diesmal wird es sogar noch komplizierter – und hässlicher. Individuelle Barcodes sollen nun vorgegebene Funktionen auslösen, berichtet Techcrunch. Das zugehörige Unternehmen heißt Stickybits und konterkariert die Unansehnlichkeit der Schwarz-Weiß-Striche mit Manga-Comic-Ästhetik. Als Lesegerät dient schlicht ein Smartphone.

Eines allerdings unterscheidet Barcodes von RFID-Chips: Die Informationen, die mit einem Barcode verknüpft sind, liegen nicht beim Code selbst, sondern in einer Datenbank. Und deshalb muss der Code nicht geändert werden, ändern sich die Daten. Das macht Stickybits zu einer interessanten Idee. Denn nun können Nutzer einen Code immer wieder neue anreichern mit Inhalten. Und: Ein Barcode hat verschiedene Ebenen der Information. Somit lässt er sich im Fall einer Grußkarte individuell auf eine Ausgabe herunterbrechen, andererseits kann er einen Schokoriegel oder ein Waschmittel generell kennzeichnen.

So schlägt Stickybits vor, Käufer einer Frühtücksflocke könnten ihre Lieblingsrezepte mit dem Barcode verbinden – es entstünde eine sich selbst erweiternde Rezeptdatenbank. Für Marketing-Leute ist das höchst spannend. Mit einem Mal verschmelzen gewöhnliche Konsumprodukte mit dem Web. Optisch gleich aussehende Verpackungen dagegen könnten mit unterschiedlichen Inhalten verknüpft werden – und bekämen aus Sicht der Kunden einen individuellen Wert. Was entstünde wohl für eine Hysterie, würde der Barcode einer limitierte Zahl von Coke-Dosen beim Einscannen ein exklusives Video von Tokio Hotel abspielen?

Im Extremfall braucht dieses Prinzip dann aber nicht einmal mehr handfeste Güter – virtuelle reichen. Nehmen wir nur Gowalla, einen jener gerade gehypten, ortsbasierten Dienste. Per Handy verraten die Nutzer ihrem Freundeskreis ihren Aufenthaltsort. An den jeweiligen Orten können sie virtuelle Gegenstände in Comic-Optik finden, tauschen oder liegen lassen. Derzeit sind die nicht individualisiert. Doch was wäre, wenn sie sich zurückführen ließen auf ihre Ex-Besitzer? Und der erste Gowalla-Nutzer, der sich in einem Laden des Kooperationspartners anmeldet einen virtuellen Robbie-Williams-Gegenstand erhielte? Würde er den wieder tauschen wollen?

Wir Menschen neigen dazu, auch langweiligsten Gegenständen Eigenschaften zuzusprechen. Wir benennen unsere Autos, schreien unsere Computer an, streicheln Kuscheltiere. Es scheint, das digitale Marketing hat eine Möglichkeit gefunden, daraus Kapital zu schlagen.


Kommentare


stk 11. März 2010 um 9:05

Was entstünde wohl für eine Hysterie, würde der Barcode einer limitierte Zahl von Coke-Dosen beim Einscannen ein exklusives Video von Tokio Hotel abspielen?

Dann wuerde der Code unverzueglich eingescannt, im Netz verbreitet und fuer jedermann zugaenglich sein. Ist doch klar, oder?

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Dierk 11. März 2010 um 9:48

So ganz verstanden habe ich das noch nicht. Ich kann also über die Firma Stickybits einen [existierenden] Barcode mit digitalen Inhalten unterlegen, die über die Datenbank eines Händlers hinausgeht? Das können eine eigenen Ideen/Daten sein – ich habe eingekauft, finde, meine Aufbackbrötchen sollten der Welt irgendetwas mitteilen, hinterlege Code und, sagen wir, Morgengruß/Song bei Stickybits, von wo aus jeder es abrufen kann. Natürlich können es auch vorgefertigte Inhalte sein wie der Klassiker eCard.

Außerdem können die Unternehmen selbst weitere „exklusive“ Inhalte hinterlegen, so wie es mit alphanumerischen Codes für Internetinhalte gemacht wird.

Sehe ich das richtig?

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@supergr00bi 12. März 2010 um 9:51

Das könnte echt spannend werden! Insbesondere, wenn man das dann noch mit Spiel-Aspekten verknüpft. Einige ziemlich abgedrehte Anregungen gibt Jesse Schell (Carnegie Mellon University) in einem Vortrag auf der DICE2010: http://www.youtube.com/watch?v=Xetj0GuLlmk (20sec. Vorspann einfach ignorieren).

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