Zu den traurigen Schauspielen des Heranwachsens gehören jene Momente, da ein Pubertierender oder eine Pubertierende sich unter Auslassung jedes Selbstwertgefühls in eine bestimmte Gruppe hineinzumogeln versucht. Da ist der Streber, der cooler Typ sein will. Oder das überernährte Mädchen vom Bauernhof, dass so gern Tussi sein möchte. Meist erkennt jene Gruppe, in die es zu gelangen gilt, das Bemühen – und macht sich darüber lustig. Oft wird der Aspirant dann gelockt, muss absurde Dinge bewältigen – um letztlich doch verstoßen zu werden.
Daran musste ich gerade denken, als ich ein Video der britischen Zeitung „The Sun“ sah:
Sicherlich, ein wenig Ironie ist dabei. Doch dahinter steckt auch der verzweifelte Versuch, die Unterschiede zwischen Tageszeitung und Internet zu nivellieren.
Aber in einem Markt ist das genau der falsche Weg. Es gilt anders zu sein, mit anderen Mitteln zu punkten. Als abschreckendes Beispiel hält für mich das das „Time“-Magazin her. Einst versuchten die Macher so auszusehen wie das Netz: Viel Weißraum, kleine Bilder, kürzere Artikel. Was für ein Irrglaube: Wenn ich das Internet haben will, nehme ich das Internet zur Hand. Zeitungen und Zeitschriften müssen anders sein, wollen sie gewinnen.
Wer das erleben will, muss nur einmal nach Berlin fahren. In die Auguststraße 28. Dort hat der wunderbarste Zeitschriftenladen seinen Sitz, den ich kenne. Er heißt „Do you read me?“ und bietet die irrsten, ungewöhnlichsten Magazine an, die Sie, liebe Leser sich vorstellen können. Ein Hochglanzmagazin für Charlottenburg! Ein japanisches Lifestyle-Magazin! Lange kann man dort stehen und blättern und gucken und kaufen. Zu nicht gerade geringen Preisen übrigens.
Wenn die Welt der Print-Branche immer so schön und überraschend und angenehm wäre wie „Do you read me?“ – wir würden nicht von einer Krise sprechen. Stattdessen aber versucht so manches Blatt so zu sein wie das Netz. Und scheitert.
Kommentare
Tweets die Der Markt liebt Andersartigkeit erwähnt — Topsy.com 7. Dezember 2009 um 18:01
[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Thomas Knuewer, Herbert Piel erwähnt. Herbert Piel sagte: RT @tknuewer: Wenn Zeitungen das Internet sein wollen: https://www.indiskretionehrensache.de/2009/12/der-markt-liebt-andersartigkeit/ […]
julian 7. Dezember 2009 um 18:22
Irgendwie musste ich gerade an diese Sketch denken: http://www.youtube.com/watch?v=9Eq3rS-SxbE
Auch wenn der Sketch sicher auf eine Art ganz lustig ist, so ist das genau diese seltsame Anbiederei an die „Generation Inernet“. Und dann noch dieser plumpe Slogan am Anfang auf dem Plakat: „Print wirkt“.
Gideon Zipprich 7. Dezember 2009 um 18:42
ha find ich gut. kreativ und amüsant anzuschauen, so muss Werbung sein.
Die britische SUN kommt mit Pen-Touch-Interface « information superhighway 7. Dezember 2009 um 20:45
[…] arbeitet hat die britische SUN ihr Produkt schon im Laden. Seit 1969. Gefunden bei Thomas Knüwer, und im Gegensatz zu ihm finde ich den Spot brilliant. Als Reklame, im Fernsehen. Und nicht als […]
Information Superhighway 7. Dezember 2009 um 20:50
Naja, die SUN als Beispiel für Zeitungen, die lieber längere Texte drucken sollten? Von „wir müssen mehr wie Internet werden“ halte ich ja nun überhaupt nichts, aber in diesem Fall sind kurze Häppchen ja eher traditionell ein Teil des Produkts. Und der Spot ist eben einfach nur gute Reklame.
Armin 8. Dezember 2009 um 10:49
So richtig verstanden hast Du den Spot aber nicht, oder? Ich kann da keinen verzweifelten Versuch des nivellierens zwischen Internet und Zeitung erkennen. Das ist einfach nur ein lustiger Jubilaeumsspot (4.0 = 40 Jahre, geddit?) in dem ein paar Witzchen ueber die eingebildeten Internetfuzzis mit ihren iPhones die sich fuer ach so clever halten gemacht werden. Genau das was der typische Sun Leser mag. Von den T****** auf Seite 3 mal ganz abgesehen.
maxwed 10. Dezember 2009 um 7:07
Nivellieren sehe ich auch nicht. Die Sun weist darauf hin, daß sie in vielen Punkten BESSER ist als das Internet. Tragbar, farbig mit 26 Zoll, einfach bedienbar, beschreibbar, Akku nie leer, stürzt nicht ab… wo hat man das Alles in Einem sonst noch? (Noch) Nirgends. Die Sun versucht sich abzuheben, nicht zu „nivellieren“.
Sascha Pallenberg 11. Dezember 2009 um 10:04
@maxwed
sorry aber das trage ich jeden tag mit mir rum und weisste was, ich kann darauf sogar quellen anklicken, videos anschauen, kommentare auf artikel von einigen millionen quellen hinterlassen, 10h rennt die Kiste (wer 10h die Sun liest, hat entweder ne ausgepraegte Leseschwaeche oder einfach keinen nichts zu tun) und es stuerzt auch nie ab.
Oh und ich haue auch niemanden meine Haende ins Gesicht, wenn ich im Flieger oder Zug umblaettern wil… Umblaettern finde ich ebenso wie die die Sun ziemlich 20. Jahrhundert… Sagen wir mal das waren die Klickstrecken der Holzmedien….
Oh und Holz braucht es auch nicht fuer meine Plattform… ist das nicht klasse? 😉
Armin 11. Dezember 2009 um 12:40
Wozu Quellen anklicken wenn man die Sun liest? I read it in The Sun, it must be true!
maxwed 12. Dezember 2009 um 1:48
@Sascha Pallenberg,
„sorry aber das trage ich jeden tag mit mir rum…“
26 zoll??? 😯