Sie arbeiten in den Medien oder für Medien? Sie interessieren sich nur für Medien? Dann habe ich da etwas für Sie. Eine Pflichtlektüre. Eine großartige, gut recherchierte, brilliant geschriebene und höchst unterhaltsame Pflichtlektüre. Es ist ein Psychogramm über Rupert Murdoch aus der „Vanity Fair“ und sei jedem Medienmanager empfohlen, der glaubt, Murdoch sei das große Vorbild, das die Branche in die goldene Zeit der digitalen Bezahlinhalte führen wird. Out of touch. So nennt man in der angelsächsischen Sprachwelt jene Menschen, die den Kontakt zur Realität ihres Umfelds verloren haben.
Out of touch – das fiel mir als erster Begriff ein, nachdem ich das furiose Rupert-Murdoch-Portrait in der „Vanity Fair“ online und gratis gelesen habe. Geschrieben hat es Michael Wolff, einer der für mich besten Schreiber unter den US-Medienjournalisten. Vor einem Jahr hat er ein Buch über Rupert Murdoch veröffentlicht. Titel: „The Man Who Owns The News“.
Er hat sich also länger als fünf Minuten mit dem Thema beschäftigt und außerdem über einen Zeitraum von neun Monaten immer wieder mit Murdoch gesprochen. Herausgekommen ist ein Stück, das in Deutschland so wohl nicht erschienen wäre, weil Wolff tatsächlich persönliche Erlebnisse persönlich schildert – und das ist in Deutschland ja leider absolut verpönt.
Das „Vanity Fair“-Stück beschreibt einen Medienmanager, der sein Stammgeschäft lebt und atmet – und völlig unfähig ist, sich zu verändern.
Einige Auszüge:
„Murdoch can almost single-handedly take apart and re-assemble a complex printing press, but his digital-technology acumen and interest is practically zero. Murdoch’s abiding love of newspapers has turned into a personal antipathy to the Internet: for him it’s a place for porn, thievery, and hackers. In 2005, not long after News Corp. bought MySpace, when it still seemed like a brilliant purchase—before its fortunes sank under News Corp.’s inability to keep pace with advances in social-network technology—I congratulated him on the acquisition. “Now,” he said, “we’re in the stalking business.”…
Murdoch can cut through and level all bureaucratic confusion and inaction. If he says it will be paid, then all the voices, which in other companies would tell you why this, logically, might not work, go silent at News Corp. The logic of the situation is remade around Murdoch’s logic. Where, in another company, Internet responsibilities might reasonably be given to those most enthusiastic about the medium, London is ground zero in Murdoch’s Internet war because the executives there are the ones most devoted to newspapers.“
You get a dreadful harrumph when you talk to Murdoch about user-created content, or even simple linking to other sites. He doesn’t get it. He doesn’t buy it. He doesn’t want it.
Vor allem aber beschreibt Wolff Murdoch als jemand, der nicht taugt als Gallionsfigur für die Einführung von Paid Content. Weil seine Ankündigung der Bezahlschranken entweder auf Unkenntnis beruht – oder eine List ist, wie ich ja ebenfalls vermutete:
„It seems that Murdoch has, in a fit of pique, made certain pronouncements which may have to be humored by the people who work for him, but which will be impossible to implement and will have no business consequences. Or that Murdoch, a man with something of a divine gift for acting in his own self-interest, has a plan not yet quite evident to other, mere media mortals.“
Wolff glaubt gar, dass Murdoch die Zukunft egal ist – weil seine eigene biologisch beschränkt ist:
„The more he can choke off the Internet as a free news medium, the more publishers he can get to join him, the more people he can bring back to his papers. It is not a war he can win in the long term, but a little Murdoch rearguard action might get him to his own retirement. Then it’s somebody else’s problem.“
Es ist ein Artikel, wie ihn die deutsche „Vanity Fair“ übrigens leider nicht zustande brachte, aber das ist nur ein trauriger Nebeneffekt.
Kommentare
Henning 5. Oktober 2009 um 12:56
\“the Internet: for him it’s a place for porn, thievery, and hackers.\“
Leider eine auch in deutschen Medien sehr verbreitete Auffassung.
Ulrich Voss 5. Oktober 2009 um 15:19
Komisch ist ja, dass Murdoch selber mit MySpace eine Plattform hat, die davon lebt, dass sie ursprünglich teuren Content (Musik) kostenlos ins Netz hievt. (Oder gibt es noch jemanden, der MySpace für irgendetwas anderes nutzt?).
*Eigentlich* könnte Murdoch am eigenen Angebot sehen, was funktioniert und was nicht.
Die These mit der Falle teile ich übrigens (immer noch) nicht. In eine Falle muss auch jemand tappen. Und ich glaube einfach nicht, dass das jemand macht. Die anderen lassen Murdoch vorangehen. Dann sehen sie, ob auf dem Weg eine Falle steht oder nicht. Wahrscheinlich wird\’s nicht funktionieren, aber auch niemand folgen. Oder es wird funktionieren (auch wenn ich das für unwahrscheinlich halte) und dann gehen alle hinterher. Aber dann ist eben auch keine Falle mehr da.
Microsoft an Murdoch: Danke, aber nein danke 3. Dezember 2009 um 9:44
[…] Generälen entfernt. Vergessen wir nicht: Murdoch ist 78 Jahre alt und dafür bemerkenswert fit. Doch schreibt sein Biograph Stephen Wolff, der ihn über neun Monate hinweg immer wieder traf, über…t: “He doesn’t get it, he doesn’t want it, he doesn’t buy it.” Kein […]