Keiner Statistik zu glauben, die man nicht selbst gefälscht hat, ist eine alte Weisheit. Sie stammt aus einer Zeit, da sich solche Statistiken wenigstens ein Mäntelchen der Schein-Objektivität überwarfen.
Heute ist das einfacher. Da kann eine Redaktion einen schwachsinnigen Pseudo-Test starten und entfacht einen Sturm im Wasserglas. Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ gestern bewies. Seit gestern morgen frage ich mich: Warum 99? 99 Briefe hat die „FAS“ verschickt um zu prüfen, wie schnell die Deutsche Post diese befördert. 99. Warum 99? Vielleicht hat die Redaktionsassistentin falsch gezählt?
Keine Ahnung. Aber es ist ja nicht das einzige, was bei der Schein-Wissenschaft der „FAS“ gewaltig müffelt.
In der Tat ist es ja legitim und eine gute Idee, die Meldungen um eine verlangsamte Sortierung am Wochenende zu untermauern mit einem echten Post-Test. Doch offensichtlich hatte die „FAS“ Angst. Angst davor, Porto zu verschwenden für eine Geschichte, die gelautet hätte: „Post befördert Briefe ganz ordentlich“.
Also musste schon mal alles so positioniert werden, dass die Versendung möglichst wahrscheinlich lahmt. So verteilten die Autoren die Versendung auf nur drei Tage: Samstag, Montag und Dienstag.
Das allein entwertet schon die Aussage. Anschließend diese geringe Zahl von Fällen auch noch auf Prozente umzurechnen ist schon nur noch mittelmäßig seriös. Außerdem fehlt die Erwähnung, dass es sich um Werktage handelt, am Sonntag wird ja nicht ausgetragen.
Allen Ernstes vergleicht die „FAS“ dann ihre Winz-Zahl mit den Vorgaben der Bundesregierung. Und die Post reagiert auch noch darauf. Und zahlreiche Medien berichten dieses angebliche Skandälchen, ohne sich eine Sekunde zu fragen, ob diese Schmierenkomödie nicht vor allem eines verdient: eine eigene, größer angelegte Recherche – oder den Deckmantel des Schweigens.
Kommentare
Dirk Becker 1. September 2009 um 12:10
Ja, den Artikel habe ich auch gelesen. Irgendwie hat mir die FAS ungefragt ein Exemplar in den Briefkasten geworden und ich habe mich vorgestern schon geärgert, keinen Kamin im Haus zu haben. Der Heizwert dieser Ausgabe lag weitaus höher als deren Nachrichtenwert.
Obwohl, darf man auch nicht zu laut sagen, am Ende heißt es noch, ich verbrenne auch Bücher 😉
Hans 1. September 2009 um 12:29
Die \“Untersuchung\“ der FAS deckt sich halt mit den Erfahrungen die immer mehr Postkunden in letzter Zeit machen. Insofern kann ich Ihr Gequake nicht nachvollziehen, denn der Vorwurf an die Post ist völlig berechtigt und wurde von dieser ja auch mehr oder weniger blumig eingeräumt.
Arnulf 1. September 2009 um 12:48
Warum 99? Mitunter hilft ein Blick in den kritisierten Artikel: \“Der Test: An 3 Tagen je 33 Briefe an 11 verschiedene Adressen\“.
Und ich kann nicht erkenne, wo die FAS behauptet, eine wissenschaftliche Studie, noch dazu eine repräsentative, gemacht zu haben. Das Ganze ist anekdotisch, nicht mehr, nicht weniger. Und es zeigt sehr schön, dass die Post auf Montagszustellung keinen Wert mehr legt. Offensichtlich, weil samstags so wenige Briefe verschickt werden, dass eine verspätete Zustellung in der eigenen 95-Prozent-Statistik nicht zu Buche schlägt. Denn diese Prozentangabe allein sagt gar nicht aus, wenn man nicht die absoluten Zahlen und die Verteilung auf die Wochentage kennt.
Christian 1. September 2009 um 13:52
Das war doch eine ganz und gar famose Idee, so etwas mal selbst in die Hand zu nehmen, statt bei solchen Dingen interessengeleiteten \“wissenschaftlichen\“ Studien auf den Leim zu gehen. Fand ich großartig, hab ich jede Zeile genossen von.
Leser 1. September 2009 um 14:34
Die Herangehensweise ist klar manipulativ und zeichnet kein korrektes Bild. Mit jeweils zehn Briefen an 6 Werktagen hätte man ein besseres Bild bekommen als mit dieser merkwürdigen Methode.
Stephan Noller 1. September 2009 um 16:36
Lustig – ich hatte auch lange über die 99 gegrübelt und überlegt was mit dem einen fehlenden wohl passiert ist. Und wie die sich geärgert haben dass die Prozentrechnung jetzt doch unerwartet schwierig wird.
Aber im Ernst: ich finde das Vorgehen auch ziemlich unseriös, insbs. wegen der Schlüsse bzgl. gesetzlicher Vorgaben die direkt gezogen werden. Da kann man auch nicht behaupten das sein \“anekdotisch\“ gemeint gewesen.
Aber das scheint eh immer mehr die Downside von Web2.0 im weitesten Sinne zu sein: Jeder macht seine Umfrägelchen und twitter-recherchen und präsentiert das dann als hätte es Erkenntnischarakter. Aus der Sicht ordentlicher Marktforschung ist das ein Rückfall auf ein Entwicklungsniveau noch vor dem 2. Weltkrieg…
Ex-Meinungsforscher 1. September 2009 um 20:52
Vielleicht greifen die Leute halt mal lieber zur Umfrage Marke Eigenbau, seit sie bemerkt haben, dass die \“ordentlicher Marktforschung\“ inzwischen im Hinblick auf Korrumpiertbarkeit der Anbieter sowie der Validität und Güte ihrer Ergebnisse im Zuge des knallharten Wettbewerbs und der sinkenden Bereitschaft bei Teilnehmern ebenfalls auf das Niveau von vor dem 2. Weltkrieg zurück gefallen ist.
Paul 2. September 2009 um 8:27
Ich finde das nicht so schlimm wie es hier dargestellt wird. Natürlich ist 99 keine große Zahl, aber dafür meiner Meinung nach zumindest einigermaßen aussagekräftig.
Selbst bei 1000 Exemplaren werden sich die Zahlen da nicht mehr so stark bewegen.
Und zu den Tagen: Natürlich. Wo steht denn, dass das nicht Ziel war? Die Post stand stark in der Kritik Montags(!) nicht mehr alle Briefe zuzustellen und deshalb testet die FAS das jetzt am Montag. Schließlich sollten die 95% an jedem Tag erfüllt werden und nicht im Durchschnitt!
Der Test ist meiner Meinung nach also legitim – zumindest so legitim, dass er nicht so eine Kritik verdient hat ohne auf die anderen Argumente hinzuweisen.
Hans-Jochen 2. September 2009 um 10:27
99 … am Ende wohl an Mitbürger deren kopletter Name aus 19 Buchstaben besteht. Da hat einer wohl Dark Tower gelesen 😉
Was anderes fällt mir zu dieser sehr repräsentativen Statistik nicht ein.