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Der zweite Tag des Web-Kongresses Re-Publica dauerte für viele Teilnehmer ziemlich lang. Um 10 Uhr begann er, gegen 23 Uhr erst ging der offizielle Teil zu Ende. Dazwischen gab es ein paar Tiefpunkte – und einige Momente, für die sich das In-Berlin-Sein allein schon gelohnt hat. Vor einiger Zeit war ich von Harald Martenstein sehr enttäuscht. Seine Kolumne zum Thema Twitter war mich zu flach gedacht. Vor rund einer Stunde habe ich Martenstein nun kurz kennengelernt. Überraschung: Es war nach der Twitter-Lesung am Ende des zweiten Tages der Re-Publica, dem Berliner Web-Kongress, der aus der Blog-Szene entstanden ist. Doppel-Überraschung: Er hat sich bestens unterhalten und fand den Abend toll.

Damit war er nicht allein. So bescheuert die Idee einer Twitter-Lesung auch sein mag – es war toll. Irgenwo zwischen Geek-Humor, Plattheit und wundervollen Wortspielen. Gelangweilt dürfte sich kaum jemand haben.

In den Stunden davor war das nicht immer so. Der Tag begann mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar. Der trug zwar keine Neuigkeiten vor – mich persönlich hat er aber zumindest mit einem für deutsche Redner dynamischen Vortragsstil gewonnen. Eine Rede aber war vor diesem Publikum das falsche Format: Ein Streitgespräch wäre besser gewesen.

Echte Denkanstöße lieferte später der mir bisher unbekannte Julian Kücklich, der als Berater für die britische Nachrichtenagentur The Press Association arbeitet. Er zeigte Möglichkeiten, wie Videospiele und Journalismus vereint werden können. Möglichkeiten sind zum Beispiel Spiele, die gesellschaftliche Entwicklungen abbilden oder grafische Abbildungen von aktuellem Geschehen. Nur mit erheblichem Ressourcen-Einsatz zu verwirklichen – aber eine spannende Idee.

Nach der Mittagspause zog die Konferenz dann komplett um vom Friedrichstadtpalast in die Kalkscheune nebenan. Dort wurden die Kapazitätsgrenzen erheblich überschritten – es wurde eng. Und leider gab es dann auch Redner, die nicht die Erwartungen erfüllten. Ich war schon geflohen, als der Magdeburger Journalist Fabian Wurbs seine Erkenntnisse zu Medienblogs mit Sätzen gipfeln ließ wie: 83 Prozent aller Medienblogs schreiben über Medien – erstaunlich wenig, finde ich. Zuvor war sein Vortrag leider auch nicht besser.

Im Gegensatz dazu: Peter Glaser. Sein Vortrag ist hier zu finden und ist von höchster Lesenswertigkeit, wie so vieles von ihm.

Während Glaser begeisterten Applaus erntete, ging es in einem kleinen Saal hitzig zu. Über die Rolle des Staates in der digitalen Gesellschaft sprach unter anderem Erwin Schwärzer, Referatsleiter Grundsatzfragen beim Innenministerium. Er erntete reichlich kontra für seine Versuche alles gutzureden, was derzeit so passiert. Und als er erklärte, man denke nun an eine IT-Gesamtstrategie, die in einem Jahr fertig sein könnte, gab es auch Hohngelächter. Und meine Meinung kann da nicht überraschen: Das Internet ist die wichtigste Technologie unserer Zeit, sie ist ein bestimmende Faktor unserer Wirtschaft und solch eine Strategie hätte spätestens 1999 entwickelt werden müssen. So aber verliert der Wirtschaftsstandort Deutschland den Anschluss. Und dass dies eine Frage der Generation/ des Alters der Volksvertreter sein soll, lasse ich auch nicht gelten. Diese wollen führen. Und deshalb müssen sie sich kundig machen, wo es lang gehen solle. Kolumbus wusste auch, wie ein Kompass funktioniert, bevor er auf Seereise ging.

Den absoluten Höhepunkt des Tages aber lieferte dann Lawrence Lessig, Jura-Professor in Stanford und Mit-Erfinder von Creative Commons. Heiko Hebig twitterte hinterher: „Wenn ich groß bin, möchte ich so vortragen können wie Lessig.“ Auch wenn Sie, liebe Leser, das Thema Copyright nicht interessiert: Allein Lessigs Powerpoint-Folien sind eine Demonstration der Rednerkunst.

Irgendwelche Thesen herauszugreifen, würde zu lange dauern – das Video sollte aber demnächst zu sehen sein. Außerdem habe ich Lessig nach seinem Auftritt interviewt, auch hier wird es ein Video demnächst geben.

So geht ein langer Tag zu Ende – und es war ein lohnenswerter. Nicht alles war gut, aber vieles. Und in Sachen Kontakte ist die Re-Publica ohnehin den Besuch wert.


Kommentare


Sascha Stoltenow 3. April 2009 um 17:32

Ein bisschen nachtragend bin ich ja schon noch. Ich wollte eigentlich auch nach Berlin, und hatte ein, wie ich und u.a. auch Markus Beckedahl fand, spannendes Thema vorgeschlagen: \“Krieg im Netz\“. Nach der Zusage, das einzuplanen, war es mir aber nicht möglich, weitere Informationen dazu zu erlangen, wie das Ganze organisiert ist. Vermutlich, weil es nicht organisiert war, bzw. nur für die \“Großen\“, also die prominenten Redner. Die anderen sollten das wohl selbst tun, aber auch das mussten sie selbst rausfinden. Insofern ist das Spagat zwischen Banalität und Begeisterung schon strukturell-organisatorisch angelegt. Grundsätzlich kein Problem, ich hätte es nur gern gewusst. Vielleicht versuche ich es kommendes Jahr noch mal.

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Sascha Stoltenow 3. April 2009 um 17:45

Nachtrag: Is schon klar, dass der Jurist Law-rence heißt;-)

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Markus B. 4. April 2009 um 0:09

Der Auftritt Lessigs war auch meines Erachtens nach der Höhepunkt des zweiten Tages. Bin auf dein Interview sehr gespannt.

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Meike 6. April 2009 um 22:53

Martin Schallbruch saß nicht auf dem Podium, der hatte wegen Erkrankung abgesagt. Erwin Schwärzer, Referatsleiter Grundsatzfragen (!) war eingesprungen.

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Thomas Knüwer 6. April 2009 um 23:55

Danke für den Hinweis, ist geändert – man sollte sich beim Mitschreiben doch nicht darauf verlassen, dass alle Namen richtig im Programm stehen…

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Fabian Wurbs 7. April 2009 um 23:06

Mit der Kritik muss ich leben.
Aber es ist nicht ganz richtig, wie Sie mich zitieren. Es sind nicht 83% sondern 87% aller MedienblogEINTRÄGE, die sich mit Medien beschäftigen. Ist vielleicht aus Ihrer Sicht banal, aber doch ein Unterschied.

ps: Im Übrigen bin ich Berliner und kein Magdeburger.

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Gesammelte Reaktionen zur re:publica 2011 – #rp11 17. April 2011 um 14:18

[…] Re-Publica Tag II – zwischen Banalität und Begeisterung. Thomas Knüwer trifft Harald Martenstein, findet die Twitter-Lesung toll, lobt den dynamischen Vortragsstil des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar und rühmt den Vortrag von Peter Glaser: In was für einer digitalen Gesellschaft wollen wir leben? […]

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