Vielleicht, lieber Leser, liebe Leserin, halten Sie gelegentlich Vorträge. Und in diesen Vorträgen, für die Sie ein Honorar erhalten, zitieren Sie gelegentlich auch mal eine Zeitung, vielleicht die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Sind Sie sich eigentlich sicher, dass Sie das dürfen? So ohne zu fragen oder zu zahlen?
Vielleicht aber sind Sie auch Wissenschaftler und schuften gerade an ihrer Doktorarbeit. In der zitieren Sie ebenfalls die eine oder andere Zeitung. Anschließend wird ihre Arbeit veröffentlicht, das ist ja so, und erscheint in Buchform, versehen mit einem Kaufpreis.
Geben Sie einen Teil des Erlöses jenen Zeitungen ab, die Sie zitieren?
Vielleicht sind Sie auch Journalist. Jeden Tag erstellen Sie eine Presseschau anderer Medien.
Und was bekommen diese dafür? Wie? Kein Geld?
Diese Fragen klingen irrwitzig. Doch sie sind zeitgemäß. Denn genau dieses Thema wird uns schon sehr bald beschäftigen. Wenn Sie an diesem Wochenende nicht das Gefühl gehabt haben, Worte wie „Urheberrecht“, „Kopierpiraten“ oder „Umsonst-Mentalität des Netzes“ in einer Quantität gehört zu haben, die an Psycho-Terror grenzt – dann haben Sie keine Zeitungen gelesen.
In einer Art konzertierten Aktion, vielleicht abgesprochen auf höherer Ebene, warfen sich die Blätter mit einer Verve auf den Tag des Urheberrechtes (dem 23.4., passenderweise auch der Tag des Buches), die an Carrie Bradshaw vor einem Manolo-Blahnik-Laden erinnert. Alle schrieben sie darüber (Disclaimer/Disclosure: Das Handelsblatt enthielt heute eine Beilage zu diesem Thema, zu der ich einen Artikel beisteuerte), alle, wirklich alle, über Seiten und Seiten und Seiten.
Dabei war es bemerkenswert, wieder einmal einen Riss in den Redaktionen auszumachen: Auf der einen Seite jene, die am liebsten alles sperren, verriegeln und verrammeln würden – auf der anderen jene, die neue Technologien für eine gewaltige Chance halten.
Am deutlichsten wurde dies bei der „Zeit“. Gut, das kann nicht verwundern, die „Zeit“ ist ja bekannt als Paradies der Debattenkultur. Einerseits druckte sie auf ihrer ersten Seite eine Art Leitartikel von Susanne Gaschke, der mich in Teilen entsetzt. Dazu muss ich erwähnen, dass es für mich weiterhein fragwürdig bis unverständlich ist, wenn Journalisten sich für Einschränkungen der Kommunikation stark machen.
Gaschke ist so eine. Sie vergleicht Raubkopierer mit Kinderpornokonsumenten und weist darauf hin, dass sie auf keinen Fall Raubkopierer mit Kinderpornokonsumenten vergleichen will – sie will sie nur gleich behandeln:
„Förderlich für einen Klimawechsel ist auch die Initiative von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, in Kooperation mit großen Internetprovidern eine Kennzeichnung und Sperrung von Netzseiten mit kinderpornografischen Inhalten durchzusetzen. Nicht weil der Onlinediebstahl eines Henning-Mankell-Hörbuches moralisch in die gleiche Kategorie fiele wie der Konsum von Kinderpornografie. Sondern weil mit dieser Regelung ein beliebtes Argument ausgehebelt wird, das bei nahezu allen Rechtsverstößen im Internet auftaucht: Sperrungen seien technisch nicht möglich, und falls doch, dann seien sie für die Rechtsbrecher leicht zu umgehen. Wir dürfen jetzt festhalten: Sie sind möglich, und darauf, dass manche Nutzer sie umgehen können, kommt es gar nicht so sehr an.“
Und wir halten fest: Gaschke hat sich mit dem Thema nicht auseinandergesetzt. Oder sie glaubt den immer platter werdenden Lügen Ursula von der Leyens. Und ich benutze in diesem Zusammenhang erstmals das Wort Lüge, weil man inzwischen davon ausgehen muss, dass die Ministerin entweder abgeschnitten ist von der Medienwelt und kundigen Menschen – oder einfach nicht die Wahrheit sagen will, wie ihr jüngstes Interview mit Radio Eins demonstriert.
Dass der Verstoß gegen Urheberrechte unsere Kultur auch bereichern kann, dass mag die „Zeit“lerin sich nicht anschauen. Könnte sie aber. 40 Seiten weiter schildert Christian Kortmann die Remix-Kultur. Sie sorgt dafür, dass viele, viele Jugendliche beständig gegen das Gesetz hobbyieren und kreativieren. Das gleiche trifft für Künstler, vor allem Videokünstler, zu. Verstöße gegen das Urheberrecht sind heute Alltag für viele, die einfach kreativ sein wollen. Wie sich das auf ihr Gefühl für Recht und Unrecht auswirkt, darüber darf man spekulieren. Mein Tipp: Hilfreich ist das nicht.
Gaschke also fordert eine Sperre von raubkopierten Inhalten. Interessant. Denn bald könnten ihre Artikel ja auch darunter fallen. Wieso? Weil sie durchaus auch mal zitiert. Andere Medien zitiert, genauer gesagt. Und das könnte bald als unerlaubte Kopie durchgehen, setzen sich einige Verlage durch, allen voran die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Die bereitete nach meiner Meinung fast unbemerkt das Feld für eine Offensive der Zeitungshäuser. Am 9. April erschien ein Gastbeitrag des Juristen Jan Hegemann mit der Überschrift „Schutzlos ausgeliefert im Internet“. In diesem forderte er ein Leistungsschutzrecht der Verleger, ähnlich den Rechten von Musik- und Filmproduzenten. Faktisch bedeutet das: Zitate von Texten sollen honoriert werden.
Darauf reagierten Carta und der Perlentaucher. Gegen letzteren wurde prompt zurückgebissen, der eigentlich vom mir geschätzte Nils Minkmar widmete dem Artikel gleich mal einen dicken Batzen der Rubrik „Die lieben Kollegen“, ohne zu erwähnen, dass Pelentaucher und „FAZ“ sich in einem jahrlangen Rechtsstreit befinden (was dem Leser die Einordnung erleichtert hätte). In einem Blog übrigens, wäre dies sicherlich auf einigen Ärger von Seiten der Leser gestoßen. Und vielleicht hätte auch jemand auf das geradezu schizophrene Agieren der „FAZ“ hingewiesen. Seit dem 27.12.2008 verkauft diese nämlich einen Auszug aus Daniel Kehlmanns Roman „Ruhm“ über die Pressedatenbank Genios.
Wie sehr würde die „FAZ“ oder Susanne Gaschke wohl wettern, würde heute in England ein Schreibtalent auftauchen, dass ganze Passagen aus historischen Standardwerken abschreibt, Geschichten anderer Autoren übernimmt oder Absätze aus den Werken Plutarchs? „An den Pranger mit ihm!“ würden sie schrei(b)en und sofortige Inhaftierung fordern. Was natürlich schade wäre. Denn diese Person gab es schon einmal. Ihr Name ist William Shakespeare und gemeinhin gilt er als leidlich erträglicher Schreiber.
Und um eines mal klar zu beschreiben: Es gibt tatsächlich den Klau kompletter Artikel, die auf verlagsfremden Web-Seiten auftauchen. Als Gegenmittel aber existieren auch Programme, die dies ausfindig machen können. Die Verlage verdienen schon heute ein Zubrot aus diesem Rechte-Management. Was sie nicht ganz so laut kundtun.
Da tut es gut, dass es noch ein paar Journalisten gibt, die sich intensiver mit dem Thema Urheberrecht auseinandersetzen, sondern ein größeres Ganzes sehen.
Und dieses größere Ganze ist eine Revolution der Technik durch Digitalisierung. Nach einer Revolution, aber, ist oft nichts mehr wie zuvor. Deshalb gilt es, sich frühzeitig zu fragen, wie man am Ende des Umsturzes dastehen möchte.
Dies beschreibt in einem grandiosen Stück der Buchautor Jürgen Neffe in der „Zeit“. Gut, er ist kein Redaktionsmitglied, aber irgendjemand in der Redaktion muss ja die Offenheit gespürt haben, ihn das schreiben zu lassen, was er da geschrieben hat.
Geradezu tiradenhaft regt sich Neffe über die Rückständigkeit der Buchbranche auf:
„Bücherfreunde wie Verleger täuschen sich allerdings, wenn sie glauben, Autoren gehe es zuerst ums Anfassbare. Es kann schön sein, die Nase zwischen die Seiten des eigenen Buches zu stecken, mit einem Bleistift Stellen zu markieren, es in den Händen anderer Menschen zu sehen. Das Haptische werden wir uns in schönen Exemplaren immer noch leisten. Doch nicht dafür arbeiten wir, sondern für das, was beim Leser ankommt, selbst wenn es nur Backrezepte oder Steuerspartipps sind. Und natürlich für das Einkommen, das wir so erzielen können. Ob das geistige Eigentum dann gedruckt oder gepixelt zum Verbraucher gelangt, wird zweitrangig. Einen Meilenstein erreicht die Revolution, wenn das erste elektronische »Buch« in den Bestsellerlisten auftaucht.“
Und er schreibt den Verlagen ins Stammbuch, wie es einmal aussehen wird, das elektronische Werk: Auf Wunsch versehen mit Links und Bildern und Musik, ein multimediales Werk, viel reichhaltiger als das klassische Buch.
Umso entsetzlicher ist es, wenn Menschen wie Alexander Skipis, der Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sich nicht mit der Zukunft seiner Branche beschäftigt, sondern damit, diese irgendwie zu verhindern. Er mag sich keine Mühe machen, weiter über die Folgen der Technik zu grübeln:
„Generell bezeichnete Skipis das „ganze Gerede von neuen Geschäftsmodellen als Unsinn“.“
Auch verbreiter er Unsinn wie:
„Das Internet ist zu einem völlig rechtsfreien Raum geworden, in dem zivil- und strafrechtliche Verstöße mehr oder weniger sanktionslos bleiben.“
Gern wird dabei übrigens übersehen, dass viele Bücher, die heute nicht mehr zu haben sind, durch digitale Technik wieder verfügbar werden könnten – es also mehr Bücher gäbe, als zuvor.
Soll man sich aufregen über einen wie Skipis? Graue Betonköpfe wie er sind absehbar eine vorübergehende Erscheinung, meint einer, der von ihnen noch lebt. Jürgen Neffe schreibt:
„Die Frage, ob »wir« das wollen, ist so müßig wie die, ob wir Privatfernsehen wollten oder Handy oder Internet. Ist der Geist aus der Flasche, kehrt er nicht mehr dorthin zurück. Kommende Generationen werden kaum glauben, dass er je hineingepasst hat. Wie das Leben selbst, so erobert sich als Ausdruck seines Bewusstseins die Kultur auf Dauer jeden verfügbaren Raum…
Womöglich werden wir oder unsere Nachfahren eines Tages, um das Lesen und Schreiben zu retten, noch einen Schritt weiter gehen und allen alle Texte und Inhalte grundsätzlich kostenlos zur Verfügung stellen. Freie Lektüre als Teil des Grundrechts auf Bildung – und als Erfolgsmodell moderner Wissensgesellschaften. Open Access wäre nicht der Untergang des Abendlandes. Im Gegenteil.
Gutenberg hat erreicht, dass mehr Menschen mehr Bücher besitzen und lesen können. Dasselbe kann der Revolution glücken, die sein Werk ins Museum schickt. In der Geschichtsschreibung kommender Generationen wird die globale Geldkrise des frühen 21. Jahrhunderts dann nur noch als Fußnote am Beginn des postgutenbergschen Zeitalters erscheinen.“
Bis dahin aber wird die Mühe-Losigkeit der Medien-Verantwortlichen leider verhindern, dass Traditionsunternehmen sich behaupten. Die Zukunftsverweigerung nach Art des Suppenkaspars wird zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen, zu Entlassungen, zu Menschen, die um ihre Existenz kämpfen.
Irgendwann werden dann Chroniken des Niedergangs geschrieben. Sie enthalten Namen wie Schirrmacher, Gaschke und Skipis. Immerhin: Sie sind nicht vergessen. Aber solch ein Erbe des Versagens hinterlassen – das muss man auch ertragen können.
Kommentare
thilo 27. April 2009 um 18:38
Der Text von Frau Gaschke in der ZEIT hat mich auch überrascht. Weil es hier inhaltlich so gut passt, erlaube ich mir ausnahmsweise einen Werbelink: http://professorbunsen.wordpress.com/2009/04/25/liebe-frau-gaschke/
Reinhard Karger 27. April 2009 um 18:51
Auch wenn das Geschäftsmodell fehlt: Wir brauchen Journalismus. Bezahlt muss er werden; Brötchen sind nicht umsonst. Es klappt nicht mehr über das verkaufte Papier. Aber es war schon immer grundsätzlich unseriös, recherchierte Geschichten über Werbung zu finanzieren, Anzeigen, die keiner haben will und die sich kaum einer ansieht, die also noch nicht einmal wirken.
\“Stiftungsjournalismus\“ ist natürlich möglich, aber unangemessen; \“Staats- oder Beamtenpresse\“ wollen wir nicht.
Bezahlen soll der, der liest; kassieren soll der, der arbeitet und schreibt. Also: Jeder zahlt etwas; jeder zahlt wenig: Micropayment. Wieso hat sich noch kein Kleinstbetrag-Bezahlsystem durchgesetzt? Würde ich gerne als Innovation bestellen. Jetzt!
Cem Basman 27. April 2009 um 18:55
Ich hatte das Vergnügen, am 21. April beim media coffee in Hamburg dabei zu sein. Dr. Rainer Esser, Verlagsgeschäftsführer der Zeit, On- und Offline, und einige andere forderten GEMA-ähnliche Flatrates von u.a. Google oder auch Paid Content Dienste an ihre Leser. Ich habe mich einige Augenblicke gefragt in welchem Jahrhundert ich lebe…
PS: Falls der Link zu media coffee nicht erscheint, hier http://www.mediacoffee.de/node/199
thilo 27. April 2009 um 19:36
Mir scheint eine GEMA-ähnliche Flatrate für den Netzzugang eine durchaus bedenkenswerte, weil gangbare und durchsetzbare Alternative.
Ausschließlich auf Werbung zu setzen, halte ich für falsch. Und ob\’s die Ökonomie der Aufmerksamkeit alleine bringt, weiß ich auch nicht.
Cem Basman 27. April 2009 um 19:54
@thilo, soweit ich weiss, zahlt ja Google Gebühren pauschal an die Verlage. Zumindestens in den USA. Herr Esser meinte aber, das sei nur ein Bruchteil von dem, was ihnen zustünde.
Kleine Korrektur zu meinem Vorkommentar: Herr Esser ist zwar für die Flatrate, aber er hält Paid Content für nicht durchführbar, da der Inhalt der Zeitungen in seinem Beispiel nicht \“unique\“ genug sei. Die anderen Panel-Teilnehmer schlossen aber das nicht aus. (Aus der Erinnerung).
gsohn 27. April 2009 um 20:37
@ Karger. Genau das ist der Punkt. Man fuchtelt sehr schnell mit der juristischen Keule, ohne sich Gedanken zu machen über smarte Abrechnungsmethoden oder neue Geschäftsmodelle. Zudem kann man das Internet sehr gut in seine Verwertungskette miteinbeziehen, wie es Paul Coelho oder als einer der wenigen deutschen Autoren Reinald Goetz betreiben. Die Bücher von Goetz (Abfall oder Klage) wären ohne das Internet gar nicht entstanden. Ansonsten ist der deutsche Literaturbetrieb recht lahm im Internet unterwegs. \“In Deutschland sind die großen Schriftsteller online kaum aktiv\“, tadelt Wolfgang Tischer nach einem Bericht des Kultur Spiegels. Er muss es wissen. Betreibt Tischer doch seit zehn Jahren das literaturcafe.de. Siehe auch: http://gunnarsohn.wordpress.com/2009/04/27/die-letzte-schlacht-der-analogen-welt/
Doro Martin 27. April 2009 um 21:01
\“wie es einmal aussehen wird, das elektronische Werk: Auf Wunsch versehen mit Links und Bildern und Musik, ein multimediales Werk, viel reichhaltiger als das klassische Buch\“ – in Amerika gibt es zwei Geschäftsmodelle -www.vook.tv und www.amandaproject.com, die bereits 2009 multimediale Bücher auf den Markt bringen wollen. Die Beta-Versionen verraten noch nicht allzuviel, aber es ist bestimmt spannend, diese Entwicklung zu verfolgen. Und was die Ansichten der (deutschen) Buchbranche zu den neuen Entwicklungen betrifft – nun, hallo Musikindustrie, kommt das irgendwie bekannt vor?
Christoph Zeuch 27. April 2009 um 22:37
Würden Sie sich bitte mal mit der Idee von Creative Commons und cjournalist.com auseinandersetzen? Ich finde das passt wunderbar und ist zeitgemäß. Wozu Verlage wenn die Produktionsmittel wir selbst sind. Wir brauchen dafür Feedback und Unterstützung. Schönen Gruß, Christoph Zeuch, Jounalist
Stephan Dörner 28. April 2009 um 10:28
Habe die Ausgabe des HB mit der Agenda-Ausgabe zum Urheberrecht leider verpasst. Werden die Artikel auch online erscheinen?
Sebs 28. April 2009 um 10:46
Holla,
also während ich an einem Open Source Produkt entwickle, CC Musik oder Mixtapes aus dem Netz höre, in einem Verlagshaus arbeite muss ich mir sowas durchlesen? (Die ganze Diskussion um das Thema ist gemeint)
mal von der gaaaanz anderen Seite betrachtet: Auch Ihr Blog Herr Knüwer, diverse Websites des Bundestages und was weis ich nicht laufen mit der Architektur die entsteht weil sich ein Haufen Leute Nächte um die Ohren schlagen. Fragen Sie mal ihre IT wo sie wären ohne Apache Webserver, PHP, Perl, Python, Mysql. Klar voll Offtopic. Das gibt mir nicht das Recht irgendwas zu klauen. Was ich damit sagen will ist folgendes Die komplette Infrastruktur des Internets ist aus einer Kultur des remixens, ableitens, forkens entstanden.
Die lieben Verlage, Musikkonzerne, gema etc müssen eines kapieren, und zwar schnell: Sie sind zu Gast im Internet, wie jeder andere auch. Am Beispiel Gema sieht man das es Youtube keinen Cent juckt ob jetzt 0,5% der Videos gesperrt sind.
Mitspielen oder Sterben, so einfach sehen wir Netzbürger der ersten Stunde das. Und die jetzt jungen User, die noch über viel bessere Werkzeuge in dieser Kultur verfügen, die sind da noch härter, fragen Sie mal alle Ihre 12-18 Jährigen Kinder.
Auf einen Satz gebracht: \“Aufstand der Silversurfer\“ ^^
Thomas Knüwer 28. April 2009 um 15:21
@Stephan Dörner: Ich gehe davon aus, weiß aber leider nicht wann. Wird geprüft…
Roland Hoheisel-Gruler 28. April 2009 um 22:40
Auch wenn der Vergleich der Frau Gaschke hinsichtlich der Kinderpornographie die schwächste Stelle im ganzen Text ist, ist ihr doch zugute zu halten, dass sie entscheidend darauf hinweist, dass das, was hier passiert, die Kultur, wie wir sie kennen, entscheidend bedroht. Es geht um die Frage, wie prägende Freiheitsrechte unserer modernen Gesellschaft, nämlich die Rechte der Kulturschaffenden, durch Missachtung und Geringschätzung dazu führen, dass der Kultur insgesamt ihr Nährboden entzogen wird, wie ich auch in meinem blog hier: http://anwaltsblog.wordpress.com/2009/04/28/die-digitale-welt-bedroht-die-kultur-wie-wir-sie-kennen/ ausgeführt habe.
Kinderpornographie ist obszön, pervers und verachtenswert.
Der Diebstahl geistigen Eigentums ist obszön, pervers und verachtenswert. Vergleichen heisst nicht gleichsetzen. Frau Gaschke hat erreicht, dass durch diesen Vergleich der Urheberrechtspiraterie die Maske vom Gesicht gezogen werden konnte und die Fratze der brutalen und schonungslosen Kriminalität dahinter zum Vorschein kam.
Was ist daran so schwierig, zu verstehen, dass die Rechteinhaber darüber entscheiden können müssen, ob und wie ihre Rechte verwertet werden – und nicht ein Konzern wie google oder irgendjemand anders ?
Andreas Schneider 29. April 2009 um 2:00
Hmmm… um also auf die Vorzüge unserer Kultur hinzuweisen braucht es den Vergleich mit der Kinderpornografie? Das kann es wohl kaum sein. Passt mir demnach etwas nicht, dann stigmatisiere ich ein wenig: Wahlweise, weil mir Ihre Meinung, lieber Herr Roland Hoheisel-Gruler, nicht passt, indem ich Adolf Hitler posthum samt seinem Propagandeminister auf den Plan rufe, um Ihnen die Leviten zu lesen, Sie also in eine Ecke stelle, in der Sie sich wohl kaum sehen möchten. Funktioniert das gegenwärtig so, oder habe ich womöglich etwas falsch verstanden? Das, Entschuldigung, wäre keine Diskussions-Kultur, sondern populistische Stammtisch-Rechthaberei. Wollen wir das? Wohl kaum.
Also bitte…
Julian 29. April 2009 um 12:24
Ich möchte meiner klugscheißerischen Pflicht nachgehen und darauf hinweisen, dass das wort \“Dass\“ eine Bedingung ausdrückt, während die Überschrift dieses Artikels vielmehr auf das Erbe verweist, und somit ein \“das\“ tragen sollte 🙂
Danke für Ihre Aufmerksamkeit 😉
Thomas Knüwer 29. April 2009 um 22:30
@Andreas Schneider: Die brutale Fratze ist übrigens in weiten Teilen deckungsgleich mit unserem Nachwuchs, deshalb sollte man auch mal auf dem Boden bleiben.
Das Hauptproblem aber – und deshalb bin ich der Meinung, wir brauchen eine völlig neue Art von Copyright: William Shakespeare hätte heute keine Chance – er würde direkt weggeklagt. Und: Weite Teile der Jugend und Kunstszene lebt ständig gegen das Gesetz. Das kann und darf nicht sein.
Matthias Zellmer (@zellmi) 1. Mai 2009 um 13:43
Ich kann es sehr gut verstehen, wenn Menschen wie Frau Gaschke die verbalen Ellenbogen ausfahren, um einen Status Quo am Leben zu halten, der sie zuverlässig ernährt, ihnen ein Dach über dem Kopf ermöglicht, aber auch ein bisschen Luxus ermöglichst bzw. sie am kulturellen Leben teilhaben lässt.
Doch darf dieser Status-Quo-Erhaltungstrieb nicht den Fortschritt aufhalten. Und ich meine hiermit explizit nicht Wachstum und schon gar kein Wirtschaftswachstum. Ich meine Bildung, Aufklärung, (globale) Gerechtigkeit und so weiter.
Doch immer und überall sind es Ertragsmodelle, die diesen Ideen von Fortschritt im Weg stehen. Ein Bestseller-Autor zum Beispiel ist mit etwas Glück für sein Leben lang finanziell abgesichert. Für den so abgesicherten Autor ist das möglicherweise eine Tatsache, die er nicht besonders in den Vordergrund stellen würde. Auch wenn es ihm ermöglicht, sich ggf. mit Haut und Haar in sein nächstes Buchprojekt zu stürzen … ohne Existenz-Ängste. Doch ist diese Erkenntnis auch für weniger begabte Anreiz, sich an ein eigenes Buch-Projekt zu machen. Nicht weil er was zu erzählen hätte. Nur weil dies eine spezielle Art des Lottogewinns ist. Und darum geht es! Wir wollen alle im Lotto gewinnen … wegen der Absicherung also dem Dach überm Kopf, der Brötchen auf dem Frühstückstisch, der Möglichkeit einfach mal ins Kino zu gehen oder auch für den einen oder anderen kleineren Luxus im Leben.
Ähnliches wie bei dem beschriebenen Buchautor kann man auch in der Musikindustrie beobachten. Und darüber hinaus stellt sich dann noch die Frage: Warum wollen so viele leidlich begabte Menschen in Deutschlands Suche nach einem Superstar mitmachen? Ruhm? Ehre? Geld? Ist es nicht schlimm, dass es einen Begriff wie \“Musikindustrie\“ gibt? Musik ist doch Kunst. Und bei wirklicher Kunst kommt mir selten der Begriff \“Fließband\“ in den Sinn … daran muss ich aber denken, wenn ich \“Industrie\“ höre.
Wir müssen wieder mehr dahin, dass weniger \“mitverdienen\“ … und wenn schon mitverdienen, dann in einem guten Verhältnis. Die Autoren, Künstler, Journalisten usw. sollen den Großteil dessen bekommen, was ihre Werke einbringen. Und weniger die Verlagshäuser und die besagte Musikindustrie. Doch diese etablierten Mitverdiener müssen kritisch betrachtet und ggf. abgeschafft werden. Vor allem, wenn sie den gesellschaftlichen Fortschritt aufzuhalten versuchen. Und um es mal etwas überspitzt zu formulieren: Wir brauchen eine Abwrackprämie für Infrastrukturen, die sich überlebt haben. Wir müssen dahin kommen, dass die Gaschkes dieser Welt sich bequem zurücklehnen können und ihren Lebensabend abgesichert verbringen können. Von mir aus können sie dann gerne von der guten Alten Zeit träumen …
Felix 4. Mai 2009 um 0:31
Diese ganze Debatte macht mich etwas ratlos. Ich setze mich schon seit langem eingehender damit auseinander aber ich sehe dennoch bis heute keine Lösung für die Frage der Vergütung \“geistiger Arbeit\“ in einer digitalisierten Kultur. Manchmal denke auch ich, es müssten Micropayment-Systeme her die wirklich funktionieren, weil ich die Gefahr sehe, dass sich diejenigen, die kulturelle Produktion im weitesten Sinne betreiben, sonst nicht mehr über Wasser halten können.
Andererseits aber läuft das ja nun genau der Idee digitaler Netze entgegen: Wenn Inhalte frei zugänglich und möglichst einfach in Relation zu setzen sein sollen, sollten sie nicht auf abgeriegelten Payment-Inseln zur Verfügung stehen, sondern für alle immer von überall aus zugreifbar sein.
Meine Schlussfolgerung lautet dementsprechend, dass man den Zugriff auf Werke von der Vergütung ihrer Autoren abkoppeln müsste. Jenes Prinzip nämlich ist meiner Vermutung nach eine Metapher der analogen Mediendistribution, im Rahmen derer man ja die Möglichkeit hatte, physische Datenträger als Produkte zu verkaufen. Im digitalen Raum, das zeigt die Geschichte des Computers mittlerweile, arbeitet man immer zunächst mal mit Metaphern aus der analogen Welt. Vielleicht werden wir in 30 Jahren herzlich lachen über das naive Kaufladen-Geschäftsmodell von iTunes. Wie man aber bis dahin eine Überwindung der Verbindung zwischen Zugriff und Vergütung gerecht bewerkstelligen könnte, ist mir noch ziemlich unklar.
Natürlich klingt das zunächst mal nach Kulturflatrate und solchen Ideen. Ob ich aber eine Kulturwirtschaft möchte, die dann zentral von einer Gebührenverteilungsbehörde ernährt wird, da bin ich mir auch nicht so sicher. Ich denke zwar User (und ggf. ISPs) sollten nicht nur für den technischen Zugang, sondern auch für die Inhalte aufkommen, die das Web bietet, denn sie sind diejenigen, die davon profitieren, ohne bisher den Künstlern, Autoren, Journalisten etc. etwas zurückzugeben. Aber wie soll man da jemals zu einer gerechten Gebührenverteilung kommen?
Andererseits, wie kann es sein, dass ich täglich online Zeitung lese, ohne je irgendwem etwas dafür gezahlt zu haben? Wieso sollte das so funktionieren können? Auch Werbeeinnahmen haben ihre Grenzen und ich denke die sind bald ausgereizt.
Ich finde es schade, dass diese Debatte oft so aggressiv und rechthaberisch geführt wird. Fakt ist, niemand von uns hat auch nur den Schimmer einer Idee, wie das alles mal funktionieren soll, und entsprechend demütig sollte der Ton in der Diskussion dann vielleicht auch sein.
multiple persönlichkeit 4. Mai 2009 um 11:42
früher waren große zeitschriften werbefinanziert d.h. wenn der und der artikel für die inserierende bank oder firma nicht opportun war konnten die drohen ihr großinserat zurückzuziehen. heutzutage hat sich da was geändert, geld, strom und information ist dasselbe. und so entsteht die mediale wirklichkeit
auch pekuniär-oligarchisch monetär gefärbt und verzerrt
des öfteren muß ich daran denken daß bei den sims über dem kopf eine finanzwolke erscheint wenn sie etwas essen und welche gymnastikübungen manchmal gemacht werden um in 2ndLife an linden dollars zu kommen. der networth von gespeicherten spielen
Jan 8. Mai 2009 um 2:59
@Thomas Knüwer: Den Vergleich mit den Zitaten und den Erlösen für Kreative verstehe ich nicht. Auf der einen Seite geht es um Zitate und die müssen und werden immer möglich sein. Auf der anderen Seite geht es darum, Kreative für ihre Arbeit (also für ganze Produkte bzw. komplette Einzelwerke) zu bezahlen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Roland 11. Mai 2009 um 16:54
Wo wir schon bei großartigen Artikeln sind – dieser hier von Matthias Wulff, erschienen in der WamS am 3.5., gehört mit in die Riege derer. http://www.welt.de/wams_print/article3665815/Weniger-Geld-weniger-Aufmerksamkeit-da-kann-man-schon-mal-einen-Appell-unterschreiben.html
Thierry Chervel 12. Mai 2009 um 9:49
Großartiger Artikel. Haben wir leider zu spät registriert
Lesebefehl! 4. Februar 2010 um 14:56
[…] zu Wirres.net, wo Herr Ix sich an einem weiteren merkwürdigen Text von “Zeit”-Hardlinerin und Fortschrittshasserin Susanne Gaschke […]