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Stellen Sie sich vor, die Müllmänner kämen nicht mehr. Stattdessen müssten Sie selbst die Mülltonnen gen Kippe schaffen – aber bezahlten noch immer das gleiche.

Oder stellen Sie sich vor, der Möbelhändler Ihres Vertrauens hätte Ihnen bisher Schränke, Tische oder Stühle angeliefert und aufgebaut. Nun aber müssten Sie die Einzelteile abholen und ikea-artig zimmern – der Preis für die Waren aber würde nicht sinken.

Würden Sie das mitmachen? Wohl kaum. Außer Sie sind Medienkonsument – dann sollen die Kunden dies hinnehmen. Dumm nur: Sie tun es nicht. Hubert Burda wirkte ein wenig verzweifelt. Im Internet verdiene er nur noch „lausige Pennies“ ereiferte er sich vergangene Woche bei seinem Hauskongress DLD.

Und natürlich kann man ihn verstehen. Da bröckelt gerade das Geschäftsmodell seiner Familie in sich zusammen – und scheinbar kann niemand etwas dagegen tun.

Betrachten wir die Situation mal nüchtern. Verlage überbringen Informationen in Text und Bild. Auf der Kostenseite steht die Erzeugung dieser Information, danach das Einfassen in ein Layout, der Druck und danach der Vertrieb inklusive der Rücknahme unverkaufter Zeitungen und Zeitschriften.

Im Internet aber fallen Teile dieser Kosten weg. Es ist kein Druck mehr nötig und kein Vertrieb, dazu kommen natürlich Server- und Leitungskosten, die aber zum einen geringer ausfallen, zum anderen sinken dürften. Auch das Verteilen von Anzeigen wird günstiger: Es ist leichter, ein Banner auf einen Adserver zu stellen, als mit einer Druckvorlage zu jonglieren.

Somit ist eines klar: Der Preis des Produktes kann nicht gleichbleiben, anderenfalls würde der Markt nicht funktionieren.

Schauen wir nun auf den Preis. Die meistverkauften Zeitschriften wie „Spiegel“, „Focus“ oder „Stern“ kosten so zwischen 2,50 und 4 Euro. Sie enthalten, selbst in schlechten Zeiten mindestens 40 Artikel oder Elemente von einer Seite Umfang und mehr. Das bedeutet im für die Verlage günstigsten Fall: Ein Artikel kostet dort 10 Cent. Rechnen wir nun aus dem Preis noch heraus, dass viele der Exemplare vergünstigt verkauft, teilweise noch verschenkt werden, sinkt dieser Preis nochmals. Ergebnis: Aus Euros werden auch hier Pennys. Nur dass der Leser eben nicht beliebig auswählen darf.

Natürlich sind online selbst diese 10 Cent pro Leser noch nicht hereinzuholen. Dafür aber gibt es andere Elemente, sehr klickstarke, wie Börsenkurse oder Psychotests, die diese Bilanz wieder aufwerten.

Dazu kommt noch etwas: Das Internet löst eine distributionsbedingte Knappheit. Nicht jede Zeitschrift ist an jedem Ort zu jeder Zeit erhältlich. Online aber ist jeder Artikel ubiquitär. Und auch das drückt den Preis. Denn die Zahlungsbereitschaft von Verbrauchern wird eben auch durch die Mühe oder Leichtigkeit beeinflusst, die durch das Auftreiben eines gewünschten Produktes entsteht. Ist es überall leicht zu bekommen, sinkt der Preis – oder der Markt funktioniert nicht.

Er sinkt, also. Auf Null, um genau zu sein. Es bleiben nur noch die Werbeeinnahmen. Das Verhalten der Leser auf einer Seite aber lässt sich genauer kontrollieren. Genauere Kontrolle aber hat selten einen Preis steigen lassen. Und: Durch das gestiegene Angebot können Leser nun sehr genau entscheiden, was sie haben möchten – und was nicht. Sie reißen sozusagen das Heft auseinander, wählen dort eine Seite aus dem „Spiegel“, da eine aus der „Vanity Fair“ und danach hätten sie gerne was von den Stützen der Gesellschaft, die gedruckt gar nicht vorkommen. Auch das kann rein nüchtern nur eine Folge haben: sinkende Preise für Werbung, somit sinkende Einnahmen.

Verlage also dürfen nicht einmal logisch erwarten, mit ihren bisherigen Inhalten online so viel einnehmen wie in Print. Aber sie bemühen sich auch nicht sonderlich, ihr Geschäftsmodell den neuen Zeiten anzupassen. Gäbe es die Möglichkeit, jedem Leser seine individuelle Themenauswahl als persönliches Magazin zu drucken, die Verlage würden dies als Gipfel der Kundenfreundlichkeit bejubeln. Im Internet passiert genau das – und sie sehen es als Niedergang ihrer Branche.

Ebenfalls auf dem DLD traf ich Samir Arora, den Gründer von Glam. Ein stiller Internet-Riese: Fast 100 Millionen Unique Visitors monatlich zählt das weit verstreute Netz aus Internet-Seiten mit dem Oberthema „Frauen“. Operativ sei Glam in den schwarzen Zahlen, sagte Arora, die Auslandsexpansion sauge aber Geld ab. Doch auch im Gesamtkonstrukt soll Glam 2009 Gewinn machen – trotz Krise.

Das Grundmodell ist das eines klassischen Verlagsvermarkters: Man sammelt allerlei Medien mit gleicher Ausrichtung um Werbekunden ein möglichst großes Umfeld zu bieten. Glam ist kein intellektueller Geniestreich – jeder Verlag in der Welt hätte darauf kommen können. Keiner tat es. Erstaunlich. Burda, übrigens, hat sich an Glam beteiligt. Frühes Selbergründen wäre billiger gewesen.

Glam beweist, dass es durchaus möglich ist, aus all diesen Pennys im Internet einige Mark zu formen. Nur muss sich das Denken eben ändern.

Und damit sind wir nun bei den Buchverlagen. Die zittern derzeit vor den digitalen Lesegeräten wie dem Amazon Kindle oder Sonys E-Reader, der am 11. März in Deutschland startet.

Mein persönliches Gefühl bei diesen Geräten ist noch immer von Skepsis geprägt. Ich glaube einfach nicht daran, dass sie dauerhaft ein Thema sein werden. Allerdings scheine ich derzeit damit falsch zu liegen. In den USA soll sich der Kindle glänzend verkaufen.

Und nehmen wir ruhig einmal an, auch Deutschlands Leser euphorisieren sich für diese Apparate. Wie wird sich wohl der Preis für digitale Bücher entwickeln? Zunächst ist zu klären, ob sie auch unter die Buchpreisbindung fallen – eine rechtliche Frage.

Nehmen wir nur einmal an, der Preis dürfe variieren. Wie würde er sich nach den Gesetzen des Marktes entwickeln?

Aus Sicht von Michael Justus Geschäftsführer des S.Fischer-Verlags (wie das Handelsblatt eine Tochter der Verlagsgruppe Holtzbrinck) ist die Sache klar (gefunden bei Turi2). In weitschweifigen Erklärungen rechtfertigt er, warum E-Books mindestens genausoviel kosten solle wie gedruckte Bücher – besser sogar noch mehr. Nimmt man die Erläuterungen auseinander stößt man letztendlich auf erhöhte IT-Investitionen, die vor allem auf einer offensichtlich unzureichenden Grundarchitektur beruhen.

Damit aber werden die Verlage ein Problem bekommen. Denn den Lesern wird es nicht recht klar sein, warum sie nicht weniger bezahlen für ein Produkt, dessen Erstellung und Auslieferung weit einfacher scheint, als die eines gebundenen Papierstapels.

Natürlich müssen sich Investitionen irgendwann rechnen, doch die Hoffnung, diese mal flux auf die frühen Adaptoren von E-Books umzuwälzen, dürfte sich nicht erfüllen. Wahrscheinlicher ist: Setzen sich E-Books durch, werden entweder die Preise dramatisch sinken – oder die Kunden greifen zur Selbsthilfe. Dann werden Buchverlage zur nächsten Musikindustrie. Auch diese hat nicht begriffen, dass der Digitalisierung immense Chancen innewohnen – aber nur, wenn man sich ihren Regeln unterwirft.


Kommentare


Alphager 2. Februar 2009 um 20:03

Warum glauben die Verlage, dass jedes verkaufte Ebook ein verkauftes buch weniger wird?
Der Verweis auf Fachbücher ist Blödsinn; Fachbücher kauft man nur, wenn man sie braucht. Ein Ebook mit Volltextsuche ist besser als ein gedrucktes Buch, wenn ich das Fachbuch digital habe brauche ich es nicht in gedruckter Form.
Fachbücher kauft man bei Bedarf.
Bei Unterhaltungsliteratur ist das anders. Ich habe vor kurzem 5 Bücher als Ebooks gekauft weil das Erste Buch einer Sci-Fi Serie kostenlos verfügbar war. Ich habe mich festgelesen und wollte direkt wissen, wie es weitergeht. Selbst bei Amazon hätte es zwei Tage gedauert bis die Bücher bei mir gewesen wären. Ohne Ebookverkauf hätte ich die Bücher nciht gelesen.

Ich lese hauptsächlich Englischsprachige Taschenbücher. Das hat zum einen damit zu tun, dass ich bevorzugt Originalausgaben lese; zum anderen ist ganz klar der Preis (zur Zeit um die 5€/Buch) ein schlagendes Argument. 5€ gehen weitaus leichter von der Hand als 10-15€. Billige Ebooks können den Markt nur vergrößern.

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mikel 2. Februar 2009 um 21:05

Mit einem ordentlichen eInk-Leser (der noch nicht auf dem Markt ist, noch nicht, aber die eInk ist der Trick dabei) wird man auch Zeitungen lesen können (welche Readktion sie auch denn zusammenstellen wird.) Die Unterscheidung zwischen Blog und sonst etwas wird dann margianal sein. Mit dem kindle von Amazon geht jetzt schon allerhand. NYT, LAT, WP etc..
Auch die Formate werden verschwimmen. Diese Blog als ePub für den Sony, gerne… z.B.

Das ist alles noch lange nicht zu Ende gedacht!

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Don Alphonso 2. Februar 2009 um 22:45

Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es mich durchaus bei der FAZ auch zum Papier drängt. Internet ist ok, aber natürlich hat Papier auch seinen Reiz.

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*gelöscht* 3. Februar 2009 um 8:14

***Hier stand ein Gaga-Kommentar.***

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SheephunteR 3. Februar 2009 um 10:27

Das wirklich teure an der \“Erstellung der Information\“ sind doch die, die die Information erstellen. Ob ich das dann 10.000 oder 50.000 mal drucken lasse, macht preislich nicht viel aus.
Die Produktionskosten fallen weg oder werden weniger, aber nicht, die Arbeit.

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ring2 3. Februar 2009 um 12:40

Ist doch kein Wunder, dass man vor allem im Zusammenhang mit Bakterien von ubi|qui|tär
spricht 😉

(bildungsspr., Fachspr.): überall verbreitet: -e Bakterien. (Quelle: Duden)

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Sebs 3. Februar 2009 um 14:57

hmm

http://turi-2.blog.de/2008/12/09/interview2-mathias-plica-chip-xonio-online-5187985/

\“Trial and error im Internet gilt nach wie vor\“.

Momentan haben alle mal wieder so lange Angst vor twitter bis das Ganze vorbei ist. Das ist eher versteck and error was da gebtrieben wird ;)))

hehe

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stadtbote 3. Februar 2009 um 19:30

Also, zwei Fragen stellen sich mir schon: Erstens: Wenn aller Journalismus in der zukünftigen digitalen Welt zu 100 % werbefinanziert sein soll, wird er dann nicht tendenziell so aussehen wie der Journalismus bei RTL, SAT.1 & Co. der bekanntlich auch zu 100 % werbefinanziert ist? Zweitens: Spätestens wenn die Abflachung so weit gediehen ist, werden dann nicht doch ein paar Leute erwägen, für professionelle geistige Arbeit einen Obolus zu entrichten?

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mindersam 6. Februar 2009 um 13:42

Dr. Burda hatte so etwas wie Glam selbst gegründet, bereits 1995: \“ITAS The Internet Targeting Advertising System\“, lange bevor es Overture, Adsense & Co. gab.

Nur konnte er es intern nicht durchsetzen \“gegen\“ seinen Anzeigenvertrieb, gegen die Verlagsleiter, gegen die Controller. Viele davon sind heute noch an Schlüsselstellen im Konzern.

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anonym 9. Februar 2009 um 17:19

Da haben Sie schon lange keinen \“Spiegel\“ mehr gekauft! 3,70 Euro bezahle ich jeden Sonntag dafür, bis vor wenigen Wochen waren es 3,50 Euro, immerhin auch fast 7 Mark. Die Preissteigerungen der letzten paar Jahre waren schon happig, gerade beim \“Spiegel\“. Gut, wenn man sich das leisten kann.

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Alex 19. Juli 2009 um 10:47

Um mal auf einen aktuellen Artikel aus ihrer Zeitung zu verweisen:

\“Amazon löscht ungefragt verkaufte E-Books
von Axel Postinett
Kindle: Amazon hat ohne Erlaubnis oder Vorwarnung am Freitag legal gekaufte Bücher von Kindles seiner Leser wieder gelöscht. Darunter ausgerechnet \“1984\“ von George Orwell. Der Ärger ist gewaltig und lässt ahnen, dass es wirklich ein großer Unterschied sein wird, ob man in der digitalen E-Book-Zukunft etwas schwarz auf weiß besitzt, oder eben nicht. […]\“

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/amazon-loescht-ungefragt-verkaufte-e-books;2434183

Ein gutes Praxisbeispiel, warum auch in Zukunft gedruckte Bücher und Zeitungen unschlagbar sind. Wenn Verlag, Verkäufer, Staat oder irgendein cleverer Hacker es wollen, können sie digitale Bücher und Zeitungen im Nachhinein verändern und damit Geschichten und Geschichte rückwirkend manipulieren. Mit gedrucktem Schriftgut ist das nicht so leicht möglich.

Ein Bekannter hatte zu DDR-Zeiten alte Zeitungen aufgehoben und sie gerne wieder hervorgeholt (und an die Wandzeitung seines Betrieb gepinnt), wenn die Regierung gerade wieder einen Schwenk vollführte und die Aussage von Gestern am liebsten nie dagewesen wäre. Mit Papier ist so etwas möglich – bis Fahrenheit 451.

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Der angekündigte Harakiri des Hauses Burda 9. September 2010 um 17:54

[…] in Sachen Transformation ins digitale Zeitalter. Dann aber verkündete Hubert Burda, er verdiene ja nur lausige Pennies im Netz und Stück für Stück wandelte sich die Strategie. Zurück zum Alten, zurück zum Gedruckten. […]

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