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Ende vergangenen Jahres erschien ein Buch über Medien namens „Geist oder Geld“. Geschrieben wurde es von Sueddeutsche.de-Chef Hans-Jürgen Jakobs und aufgefallen ist es nicht weiter. Gerade einmal zwei Besprechungen konnte ich im Archiv von Genios ausmachen.

Trotzdem muss ich darauf eingehen, denn ich komme auch vor – und das mit einer falschen Behauptung.

Zunächst vorweg: Ich habe „Geist oder Geld“ nicht vollständig gelesen. Und ich habe auch nicht vor, das zu tun. Schließlich hat mich der Kollege, der mich darauf aufmerksam machte, dass ich in dem Werk genannt werde auch gewarnt: Langweilig sei es, nach wirklich gutem Beginn verschwimme das Buch, es sei nicht klar, worum es überhaupt gehe.

Diesen Eindruck habe ich nach Lektüre des Kapitels, von dem hier die Rede sein soll auch. Es heißt „Gift und Gegengift“ und zieht sich von Seite 169 bis Seite 190. Oder besser: Es mäandert. Jakobs argumentiert, es gebe einen Unterschied zwischen deutschen Blogger und Amerikanern. Und dann behauptet er:

„Auffällig ist, dass einige der bekanntesten deutschen Blogs von ausgewiesenen Journalisten gemacht werden, die bei fest etablierten Medienunternehmen arbeiten oder dort zumindest doch regelmäßig schreiben können.“

Was für mich die Frage aufwirft, ob das nicht für den Großteil der deutschen Journalisten zutrifft. Wieviele gibt es, die bei nicht etablierten Medienunternehmen arbeiten?

„,Bloggen macht unabhängig‘, sagt der ,Bildblog‘-Betreiber Stefan Niggemeier, der regelmäßig als Autor für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wirkt und sich als Blogger mit der Konkurrenz der FAZ beschäftigt.“

„FAZ“ als Konkurrenz zur „Bild“? Ist dann die Schaumparty in der Lokaldisco auch eine Konkurrenz zum Opernball?

„Unabhängig will selbstverständlich auch der Handelsblatt-Redakteur Thomas Knüwer bei seinem Blog ,Indiskretion Ehrensache‘ sein.“

Stop!

Das habe ich nie behauptet. Im Gegenteil: Ich bin abhängig. Ich schreibe hier nichts Negatives über meinen Arbeitgeber und verbundene Unternehmen. Das habe ich mehrfach betont und dafür auch Prügel bezogen. Keine Ahnung, woher Jakobs diese Annahme hat – sie ist aber falsch.

Das Dumme ist: Wenn sie falsch ist, fällt die folgende Argumentation in sich zusammen:

„Eine solche Vermischung – zwischen Journalismus und Bürgerjournalismus – wäre in den USA undenkbar. Hier ist man entweder fest in einer Redaktion oder als Externer voll und ganz unabhängig.“

Äh…. Ja? Was ist mit den Bloggern großer Medienhäuser wie der „New York Times“ oder der „Business Week“? Wieso ist die Indiskretion als Teil des Handelsblatts Bürgerjournalismus?

Außerdem gab es schon immer viel redaktionsfernere Nebenprojekte fest angestellter Journalisten. Der eine schrieb zum Vergnügen bei einer Gesellschaftsspielzeitschrift, der nächste betrieb einen Verband. Andere schreiben Bücher. Und nichts davon ist zu kritisieren.

Ist Jakobs nicht mehr Mitglied der Redaktion von Sueddeutsche.de weil er ein Buch bei einem anderen Verlag veröffentlicht hat? Ist dieses Buch gar analoger Bürgerjournalismus?

In einem Blog wäre diese Verschwurbelung hinterfragt worden, vielleicht wäre sie sogar ganz verschwunden. In einem Buch geht das nicht, wenn der Lektor versagt.

Die „FAS“ übrigens kommentierte „Geist oder Geld“ auf böse Art in ihrer Rubrik „Die lieben Kollegen“:

„In seinem neuen Buch „Geist oder Geld“ wetterte jetzt auch der Chefredakteur von „Sueddeutsche.de“, Hans-Jürgen Jakobs, gegen „grotesk ausgeweitete Bildergalerien“, und wer sich an den Klassiker des Genres auf seiner eigenen Seite, „Die 100 besten Biere der Welt“, erinnert, der muss es wohl als freiwillige Selbstbeschränkung gelten lassen, dass aktuell etwa die Bilderstrecke zum Thema „Die gefährlichsten Städte Europas“ mit fünfzehn Fotos auskommt.“


Kommentare


Kate 22. Januar 2009 um 11:47

\“Geist oder Geld\“ oder \“Geld oder Geist\“? 🙂 Wer hat recht, Herr Knüwer oder der Buchtitel? Könnte wahrhaft philosopisch diskutiert werden.

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Ponscho 22. Januar 2009 um 12:08

Der Vergleich zwischen BILD und FAZ hinkt allerdings auch etwas: \“Ist dann die Schaumparty in der Lokaldisco auch eine Konkurrenz zum Opernball?\“

Bild würde ich eher einer Dosenbier-Punker-Freizeit auf dem Bahnhofsvorplatz zuordnen. Der Vergleich der FAZ mit einem Opernball stimmt allerdings. Schließlich gilt dort Dolly Buster mittlerweile als gern gesehener Prommi-Gast.

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hebamme 22. Januar 2009 um 12:20

Sehr reflektiv – Respekt!

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Thomas Knüwer 22. Januar 2009 um 14:30

@Kate: Ich habs korrigiert – danke für den Hinweis.

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stefan niggemeier 22. Januar 2009 um 20:00

Oh Gott, sollte ich etwa das Buch besser auch lesen müssen? Ist das alles in dieser \“wirkt als\“-Sprache verfasst?

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Sascha Stoltenow 22. Januar 2009 um 23:45

Richtig groß wäre es gewesen, dieses Buch noch nicht einmal zu ignorieren …

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Thomas Knüwer 23. Januar 2009 um 9:26

@Stefan Niggemeier: Kein Ahnung, ob Du noch häufiger auftauchst. Leider neigen deutsche Verlage dazu sich ein Schlagwortverzeichnis zu sparen – eine Unsitte.

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kate 23. Januar 2009 um 9:44

och gern… passiert mir auch mal. vielen dank für den kommentar zum buch. ich als festangestellte redakteurin mit hang zur relativ freien meinung im blog (arbeitgeber und kunden mehr oder weniger ausgeschlossen) habe ebenfalls aufgegeben und das buch bei seite gelegt.

vielen dank für das zitat: \“Eine solche Vermischung – zwischen Journalismus und Bürgerjournalismus – wäre in den USA undenkbar. Hier ist man entweder fest in einer Redaktion oder als Externer voll und ganz unabhängig.\“ selten so gelacht. ich habe in den USA gearbeitet, die realität sieht gegenteilig aus.
kompliment für ihren blog, thomas!

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mariana mayer 25. Januar 2009 um 14:39

Eine solche Vermischung – zwischen Journalismus und Bürgerjournalismus – wäre in den USA undenkbar. Hier ist man entweder fest in einer Redaktion oder als Externer voll und ganz unabhängig

Gerade die Externen sind doch sehr abhängig von der Auftragslage. Oft diskutiert wurde in Deutschland: Sagt der Berater nicht was der Auftraggeber von ihm verlangt oder redet ihm nach dem Mund, dann Tschüß.

Daher funktioniert das nicht mit der Unabhängigkeit. Die Entwicklung eines jeden Menschen setzt dies voraus.

\“Echte Unabhängigkeit\“ kann zwar im Geiste erlangt werden.
Ist im praktischen Geschäftsleben meist durch die materielle Abhängigkeit und andere Faktoren (Beispiel: animalisches Prügeln um einen Futternapf oder Anerkennung des Besseren) geprägt.

Nur ein Unternehmen mit einem hohen Reifegradmodell ist in der Lage echte Unabhängigkeit zu erkennen und zu fördern.

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Anna 29. Januar 2009 um 11:31

Gute Stellungnahme und Konter zum Vorwurf.

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DL2MCD 30. Januar 2009 um 22:14

\“Auffällig ist, dass einige der bekanntesten deutschen Blogs von ausgewiesenen Journalisten gemacht werden\“

Wer hat die Armen denn ausgewiesen? Und warum?

Und naja, ich schreibe auch bei einem Startup. Und überhaupt – was ist in der Branche noch \“fest etabliert\“?

Äh ja, die SZ hat was gegen Bilderstrecken…hm, Mist, wenn mancher anscheinend doch beim lesen eine Weile durchhält… ;o)

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Ferdinand Knauß 31. März 2009 um 18:04

Seine Behauptungen über Dich und die Blogs will ich nicht verteidigen. Aber das Buch als Ganzes ist keineswegs uninteressant, sondern im Gegenteil sehr kenntnisreich (Jacobs war lange Medienredakteur der Süddeutschen) und vor allem meinungsstark. Er ist einer der ganz wenigen, die nicht nur feststellen und lamentieren, sondern konkrete Vorschläge machen. Die stehen im letzten Kapitel. Vergiss mal seine Behauptungen über Dich und lies es ruhig weiter.

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