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In der vergangenen Woche erlebte eine unserer Umfragen auf Handelsblatt.com einen bemerkenswerten Umschwung. Sie stellte die Frage, welche Anlageformen die Leser unserer Homepage derzeit bevorzugen. Lange Zeit lagen dabei Zertifikate ganz weit hinten, nur bei einem Prozent am Dienstag und Mittwoch, um genau zu sein. Dann aber schoss der Wert nach oben, so hoch gar, dass der Deutsche Derivate Verband am Ende per Pressemitteilung bejubelte, dass Anleger weiterhin Zertifikaten vertrauten.

Sie können sich denken, was jetzt kommt, liebe Leser. Bei dieser Umfrage ging es nicht mit rechten Dingen zu. Es ist eine Liste der Schande. Zum einen, weil hier Mitarbeiter seriöser Finanzinstitute meinen, eine Online-Umfrage manipulieren zu müssen. Zum anderen, weil sie auch noch so dumm und IT-inkompetent sind, dass sie glauben, nicht aufzufallen.

Jene Umfrage, über die heute mein Kollege Ralf Drescher auch im gedruckten Blatt berichtet, hatte am Ende 3752 Stimmen. Bis zum Mittwoch waren es nur 2.500. Dann jedoch begeisterten sich einige Unternehmen bemerkenswert stark für das Werk.

Am Donnerstag verzeichneten wir folgende Zugriffe:

– Vom Server der BNP Paribas, in Deutschland mit dem Online-Broker Consors vertreten, 427 Stimmen im Zeitraum zwischen 8.00 und 10 Uhr sowie gegen 12.30.

– Vom IT-Dienstleister Sellbytel zwischen 11.45 und 13.15 91 Zugriffe.

– Von der Hypovereinsbank 88 Stimmen zwischen 9 und 14 Uhr.

– Von Genotel, dem IT-Dienstleister der Volks- und Raiffeisenbanken 31 Zugriffe innerhalb einer Stunde.

Außerdem gab es auch bei der Börse Stuttgart, Vontobel und ABN Amro Auffälligkeiten.

Nun könnte man einwerfen, da stimmen halt viele Mitarbeiter ab. Nur: Die Geschwindigkeit, mit der die Stimmen von Rechnern mit haargenau den gleichen Konfigurationen abgegeben wurden, deutet darauf hin, dass hier zumindest einzelne Mitarbeiter versuchten am Ergebnis zu drehen.

Wieder einmal zeigt sich, dass solche Abstimmungen durchaus zu manipulieren sind – nur fällt es eben auf. Und das ist nicht gut in Sachen PR.

Was Unternehmen dagegen tun können? Direkt lässt sich das Verhalten einiger epo-motivierter Angestellter nicht ändern. Doch gehört es heute schriftlich festgehalten, dass Mitarbeitern solche Kommentar- und Abstimmungsmanipulationen untersagt werden. Dann kann man ihnen wenigstens hinterher einen drübergeben.


Kommentare


Lars 14. Oktober 2008 um 11:45

Um mal polemisch zu werden:

Das Adjektiv \“seriös\“ im Zusammenhang mit \“Finanzinstitut\“ zu verwenden, ist ja an sich schon – naja – mutig.

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Tom 14. Oktober 2008 um 12:08

Ist das denn mit anderen Umfragen zu solchen Themen anders? Oder Gütesiegeln im Finanzbereich, mit denen derzeit Banken fröhlich für ihre Produkte und Beratungsleistungen werben?

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mariana mayer 14. Oktober 2008 um 12:27

JA es ist anders, wenn die richtige Mathematik angewendet wird. Erfahrene und fachkompetente Statistiker merken, wenn eine Aussage \“nicht wahr\“ ist.
Das ist die Kunst an der Sache.

Ob das Lügen oder die Manipulation verboten ist, steht auf einem anderen Blatt.

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satyasingh 14. Oktober 2008 um 12:33

… glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

Ich würde mal sagen:
Das ist Lobby-Arbeit des kleinen Mannes (Frau) mit der Maus.

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Ugugu 14. Oktober 2008 um 12:37

Online-Umfragen sind nette Spielzeuge, man könnte aber auch die Frage stellen: Was bringen in Punkto Reliabilität und Validität absolut unbrauchbare Tools einer seriösen Onlinepublikation, ausser ein paar Klicks?

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W. Koch 14. Oktober 2008 um 12:50

Onlineumfragen sind boulevardesker Unsinn. Sie sind per se nicht repräsentativ und leicht zu manipulieren – auch unmerklich. Wer solchen Umfragen irgendeine Bedeutung zumisst (und sei es nur als \“Stimmungsbild\“), wirkt nicht seriös. Die Frage lautet also \“Wieso veranstalten seriöse Medien wie handlesblatt.de überhaupt Onlineumfragen?\“. Achja. Wegen der Klicks. Das nenn man dann wohl besser Klickhu…..

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Jens 14. Oktober 2008 um 12:50

@Ugugu: Man kann sich hinter wunderschön darüber auslassen, wenn es nicht funktioniert …

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Fred 14. Oktober 2008 um 12:56

Nach sich zunehmend durchsetzender Auffassung sind auch IP-Adressen persönliche Daten, die das Handelsblatt dann weder erheben noch speichern oder gar auswerten darf. Ich darf annehmen, dass Sie die Banken und die einzelenen Mitarbeiter anhand der IP-Adressen identifiziert haben?

Ich befürchte, dass viele Online-Geschichten manipuliert werden – nur eben nicht so auffällig. Die Frage sollte dann doch eher sein, ob man als seriöses Medium Umfragen überhaupt noch veranstaltet, wenn es um Themen geht, bei denen handfeste Interessen im Spiel sind.

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Thomas Knüwer 14. Oktober 2008 um 13:39

@Fred: Einzelne Mitarbeiter lassen sich über die IP-Adresse bei Großkonzernen nicht ermitteln. In der Regel zumindest nicht. Aber wir bekommen, wie jeder private Seitenbetreiber, der einen Statistikdienst installiert, eben auch die Browser-OS-Konfiguration geliefert.

Was die Umfragen betrifft: Ich halte ihren Aussagewert auch eher für nichtig. Sind sie boulevardesk? Ja. Sie sind ein kleines Spielchen, das sich einiger Beliebtheit erfreut, mehr nicht.

Und gerade wegen ihrer geringen Bedeutung machen sich jene Manipulatoren besonders lächerlich.

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Stephan Eichenseher 14. Oktober 2008 um 13:51

Es würde mich wundern, wenn diese Manipulationsversuche nur vom \“Kleinen Mann\“/der \“Kleinen Frau\“ ausgehen. So eine konzertierte Aktion wird vom Management angetrieben.

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Stefan 14. Oktober 2008 um 14:18

kleine Anmerkung zum Beitrag:
Die GenoTel ist nicht der (!) IT-Dienstleister der VR-Banken, sondern nur einer (!) mehreren.

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Erik 14. Oktober 2008 um 15:47

möcht nur nicht wissen wo es überall klappt…

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mariana mayer 14. Oktober 2008 um 16:00

Eine andere Sache ist:
Vorgefertigten Statistikfragen begrenzen von vorneherein bzw steuern bereits im Vorfeld manipulativ eine Aussage. Insbesondere wenn nicht alle Fälle berücksichtigt sind, also somit nicht existieren.

Etwas anderes ist es vollkommen unabhängig einen Wert zu überprüfen, ohne Suggestivfragen.

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Toni Linke 16. Oktober 2008 um 11:21

Seitens des Handelsblattes von \“epo-motivierten\“ Mitarbeitern (der Banken)und einer \“Liste der Schande\“ zu sprechen, gibt mir sehr zu denken.
Dieser Boulevard-Jargon offenbart, dass bei dem Blatt und den verantwortlichen Redakteuren die Nerven blank liegen.

Grosse Klasse wie ein paar Banker aus Frankfurt das Handelsblatt mit Onlinefiliale zu einer Regionalgazette mit Börsenteil á la BILD degradieren!

Wo sind die Leser und wo ist das wahre Stimmvieh?

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Thomas Knüwer 16. Oktober 2008 um 17:13

Ach, Herr Linke. Ich finde es eher große Klasse, wie ein paar Banker das versuchen – und ein PR-Desaster anrichten, dass es sogar auf die erste Seite des Handelsblatt-Konkurrenzblattes schaffen.

Haben Sie eigentlich auch abgestimmt?

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Toni Linke 17. Oktober 2008 um 12:37

Nein! Da Pfandbriefe leider nicht zur Wahl standen!

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Consor(te) 22. Oktober 2008 um 11:00

Naja, es gehen lustige interne Mails aus diversen Sekretariaten herum, mit der Bitte (in der Mittagspause) mal hier oder da im Firmensinne zu voten.

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