Es ist leicht, in diesen Tagen Witze über die USA zu reißen und das Land als einen einzigen Hort der Dummheit zu sehen. Und es ist sogar verständlich, wenn eine Mittvierzigerin, deren außenpolitische Erfahrung im Erblicken Russlands über eine Meerenge hinweg besteht, nur „einen ausbleibenden Schlag eines 72-jährigen Herzens“ entfernt ist von der machtvollsten Position der Welt.
Wie gesagt: Das ist einfach. Doch dieser mit Absurditäten und Witzvorlagen so reiche Wahlkampf liefert auch große Momente des Journalismus. Ich behaupte: Es gibt nur wenige Journalisten in Deutschland, die solch ein Interview so sauber und doch entlarvend hätten führen können, wie das von Katie Couric mit Sarah Palin. Das ist noch bemerkenswerter, da Couric höchst umstritten war, als sie Chef-Ansagerin der CBS-Nachrichten wurde. Die Vermischung von Unterhaltung und News wurde ihr vorgeworfen, andere meinten, sie habe als Ex-Frühstücksfernsehen-Frau nicht das Rüstzeug für die Abend-Position.
Die Kritik dürfte sich nun erledigt haben. Zu keinem Moment ließ Couric Palin von der Angel, ohne jedoch den Eindruck zu vermitteln, sie wolle die Alaskanerin fertig machen. Die Attacken waren subtil, teils kamen sie sogar trojanischpferdig als Hilfeangebote: Wenn Palin stockte lieferte Couric ihr über die Lücken hinweg – wohl wissend, dass der nächste Stolperstein nur ein paar Worte entfernt lag. Zum Beispiel hier:
Und noch solch einen bemerkenswerten Moment gab es (gefunden im Twitter-Feed der Huffington Post). Jack Cafferty von CNN scheint fast in Tränen auszubrechen, als der Palins Radebrecherei attackiert:
Entweder Cafferty ist ein begnadeter Schauspieler. Oder dies ist ein rarer Moment, da ein durch und durch trainierter und erfahrener TV-Journalist einen Moment lang Einblick gibt in seine Psyche und in die Verzweiflung, dass all die Stunden und Stunden, die US-Sender mit Wahlkampfberichterstattung letztendlich vergebens sind – weil niemand im Ausland ein Land ernst nehmen würde, das in der Gefahr steht von einer Figur wie Sarah Palin regiert zu werden. Auch Caffertys Kollege Wolf Blitzer scheint das zu realisieren, er versucht zu bremsen – vergeblich.
Was solche Momente auslösen können, erleben wir unterhalb des Videos auf der Youtube-Seite: Über eine Million mal schon wurde es abgerufen. Noch wichtiger: Derzeit finden sich darunter 112 Video-Antworten und 9816 Text-Kommentare. Ein treffender, journalistischer Kommentar mobilisiert und reizt zur Reaktion. Dies ist noch eine Lektion, die wir aus den aktuellen Wirren um das US-Präsidentenamt ziehen können.
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