Skip to main content

Wenn die Inhaber von Rechten, aber auch Werber, mal eine besonders weinerliche Stunde haben, dann heulen sie sich aus über das böse, böse Internet. Wie es sie hintergeht in ihrer Rechtehaberei. Wie es Marketingstrategien vernichtet und langfristige Strategien zunichte macht.

Jenen, die darüber klagen, sei es angeraten, die Zen-Meister des Internet zu studieren. Jene, die mit fernöstlicher, pardon, Hamburger Gelassenheit den Schwung der scheinbaren Gegner für sich nutzen. Ihr Name: Tomte. Wenn es so richtig aberwitzig werden soll, dann überlegen sich Musikfirmen neue Wege, um das An-die-Öffentlichkeit-Kommen von Songs vor dem offiziellen Verkaufsstart zu verhindern. Beispiel Metallica: Als Ersatz für eine Promo-CD lud das Management Journalisten zum Probe-Hören, was branchenüblich ist, aber der Qualität einer Rezension nicht förderlich. Und als ein Blog vorab eine Kritik schrieb, auf die andere Blogs sich bezogen, forderte Metallica-Vermarkter Q-Prime diese Blogs auf, die Texte zu entfernen. Die Band selbst entschuldigte sich.

Ja, so ist das halt in den Zeiten des Internet. Die Kontrolle von Information ist kaum möglich. Und auch nicht die Kontrolle über das Markenbild, wenn es nicht dem entspricht, was sich die Kunden vorstellen.

Bei Kolumbus gibt es ein hübsches Beispiel dafür: Da bastelt ein Guinness-Fan und Film-Student ein Video, das problemlos als Original-Spot durchgehen könnte – und schafft per Youtube eine sechsstellige Zuschauerzahl. Nur: Das vermittelte Markenbild passt nicht zu dem der Brauerei.

Kolumbus hat dafür den richtigen Vorschlag: In einer Judo-Taktik den Schwung des scheinbaren Gegner für sich selbst nutzen.

Wie das geht, beweist die Band Tomte. Ihr letztes (persönlicher Geschmackseinschub: tolles) Album „Buchstaben über der Stadt“ war vor Verkaufsstart schon einmal quer durch das Netz verteilt. Das zeigte sich dann auch beim Konzert in Düsseldorf, als ein Großteil der Fans jedes Wort auswenig mitsingen konnte – obwohl das Album eben noch gar nicht erhältlich war.

Tomte sahen und sehen das gelassen – schließlich landeten sie trotzdem in den Top Ten. Und nun haben sie ihre neue Single von einem Fan spontan bei einem Konzert mitfilmen lassen mit dem Auftrag, das Video öffentlich zu machen.

Tomte – „der letzte große Wal“ aufm Fest van Cleef 2008

Womit ich Tomte zu den Meistern des Web-Zen ernennen möchte. Oder gibt es Einwände?

(Gefunden beim Popkulturjunkie.)

Nachtrag: Auch Daimler übt sich im Web-Judo – noch nicht perfekt, aber für den grünen Gürtel, oder so, reichts.


Kommentare


weltherrscher 30. Juli 2008 um 18:12

keine einwände.
ich kapier die musikindustrie eh nicht?

Antworten

sven 30. Juli 2008 um 18:54

Da möchte ich noch Olli Schulz vorschlagen. Der hat zur Veröffentlichung seines Albums \“Warten auf den Bumerang\“ sein Alter Ego Bibi McBenson einen Fake in den Tauschbörsen plazieren lassen. 11 Titel, in denen sich Bibi sich unter anderem seinen Hass auf den erfolgreichen Olli Schulz von der Seele singt. Das finde mal eine sehr kreative Herangehensweise an das Phänomen Tauschbörse. Als das die Runde machte musste man als Fan das schlechte Gewissen überwinden und in der Tauschbörse nach \“Warten auf den Bumerang\“ suchen.

Antworten

Lukas 30. Juli 2008 um 19:49

Ben Folds meinte im Interview zu mir, dass er die (bei ihm oft zahlreichen) Improvisationen bei Konzerten gar nicht mehr mitschneiden müsste, weil er sie sich hinterher eh noch mal auf YouTube anhören könnte. Das finde ich auch mal eine lässige Einstellung.

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*