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Es ist ein kleiner Absatz im Ediorial des Branchenblattes „Wirtschaftsjournalist“. Und doch verrät er viel über den Zustand der Medienwissenschaften in Deutschland. Über ihr Unverständnis der Neuen Medien, ihre Unwilligkeit breitere Zusammenhänge zu erkennen. Und über ihre Definition des Journalismus. Geschrieben hat die Passage Volker Wolff, Professor für Publizistik an der Uni Mainz. Kürzlich war Volker Wolff wohl in Perugia. Zumindest vermittelt er den Eindruck. Und dort hat er Eugenio Scalfari gehört, den greisen Gründer der italienischen Zeitung „La Repubblica“. Der betonte, Journalismus sei eine Mission, „eine öffentliche Aufgabe, die viel mit der Auswahl und Verbreitung des Wichtigen, mit Distanz und viel Kritik zu tun hat“.

Das habe viele überrascht, schreibt Wolf – was mich wieder überrascht. Denn gerade diese Haltung wird ja – mit Recht – immer wieder betont in Journalistenkreisen. Die Realität aber, auch da gebe ich Wolff Recht, sieht anders aus. Zitat:
„Es ist natürlich kommod geworden, den Journalismus anders zu sehen. Ihn zum Beispiel auf die Informationsübermittlung zu reduzieren.“

Dann aber folgt, was mich ärgert. Denn Wolff wirft das Thema Blogs ein:

„Ich sende, also bin ich: Journalist. Ganz folgerichtig halten sich viele von denen, die das Internet mit Zeichen fluten, für Journalisten. Selbst Blogger, die nichts anders als Peinlichkeiten verbreiten.“

Und wieder einmal frage ich: Häh? Wo sieht Wolff denn die Blogger, die Journalisten sein wollen? Mal abgesehen von den Bloggern, die Journalisten sind – und das sind auch nicht wenige.

Für die meisten Weblog-Autoren wäre die Bezeichnung ansatzweise beleidigend, was nur demonstriert, wie weit es mit unserem Berufsstand gekommen ist. Vielleicht sollte Wolff einfach mal anfangen, Weblogs zu lesen. Und dann mit deren Autoren zu sprechen. Vielleicht gar eine Studie anfertigen. Was Wissenschaftler halt so machen, wenn ein Thema sie wirklich interessiert und sie sich öffentlich äußern wollen.

Hätte Wolff das getan, hätte er vielleicht auch das derzeitige Problem des Journalismus ausgemacht, das in seinen eigenen Zeilen eingebettet ist:
„Ich sende, also bin ich: Journalist.“

Genau dies ist die Haltung der Journalisten. Sie senden. Und die Welt hat zu hören. Wie ich in den Kommentaren hier aber schon schrieb: Das Internet macht diese Haltung zu einer gestrigen.

Denn das Web reißt als erste Technik die Grenzen zwischen Kommunikations- und Sendungsmedien ein. Journalisten sind ein Kind der zweiten Gattung: Sie erstellen ein Produkt, sei es Zeitung, Hörfunk oder Fernsehen, das sie hinaussenden in die Welt. Resonanz sind sie nicht gewöhnt, es gibt genug Kollegen, die nicht mal ihre E-Mail-Adresse oder Telefonnummer herausrücken. Informanten, die ihnen Geheimes zukommen lassen wollen, haben sich bitte an das Sekretariat zu richten.

Kommunikationsmedien dagegen beschränkten sich auf den privaten Raum. Ein Telefonat fand bestenfalls in der Halböffentlichkeit statt, ein Telegramm las höchstens der Mitarbeiter bei der Post.

Nun kommt das Web und viele seiner Inhalte sind halböffentlich wie das Gespräch im Restaurant. Und so mancher fühlt sich überrollt von all den Inhalten, die er da lesen könnte und die ihn nicht interessieren. Doch würde er bewusst zuhören, wenn im ICE in der Reihe vor ihm ein paar Menschen sprechen?

Der größere Teil der Weblogs ist nicht Publikation, und somit Sendung, sondern Kommunikation. Und vielleicht haben Journalisten genau deshalb ein Problem damit. Zum einen können sie selbst nicht recht kommunizieren, sie wollen es oft gar nicht. Zum anderen werden sie neidisch, dass Menschen sich über anderer Leute Texte austauschen. Oder noch schlimmer: Kritik üben an journalisten Texten.

Wir Journalisten aber müssen wegkommen vom Senden. Wir müssen kommunizieren lernen. Eigentlich ist dies ja unsere ureigenste Aufgabe: Ohne Kommunikation kommen wir nicht an die Informationen, die wir gerne hätten. Ich kommuniziere, also bin ich: Journalist.

Natürlich weiß Wolff, dass ihm solche unwissenden Texte um die Ohren gehauen werden. Und auch hier reiht er sich in den Mainstream der Blog-Hasser ein: Wie kann man ihn nur kritisieren. Auszug aus seinem Editorial:
„Jeder Andersdenkende ist ihnen (den Bloggern) von gestern. Eugenio Scalfari vermutlich von vorgestern, sofern sie ihn denn kennen.“

Nein, Bloggern ist nich jeder Andersdenkende von gestern. Aber sie lassen sich nicht gern beleidigen. Was würde Herr Wolff wohl sagen, wenn man ihn als „asexuell“ oder „Idiot“ beschimpfen würde, wie das die „Süddeutsche Zeitung“ mit Bloggern getan hat?

Immerhin kann man Wolff eines zugute halten: Er flutet die Welt nicht mit Texten. Bei den Veröffentlichungen seines Instituts finde ich gar keinen Beitrag von ihm. Seine Forschungsarbeit behält er für sich. Ich schweige, also bin ich: Medienwissenchaftler in Deutschland.

(Nachtrag: Kann es sein, dass jenes Institut seit Jahren nichts mehr veröffentlicht?)

Dafür kann sich ja so mancher halten, der nicht den Drang verspürt, zu recherchieren, Strukturen zu erkennen und zu beschreiben, die Welt begreifbar zu machen. Oder was meinen Sie dazu, Professor Weischenberg?


Kommentare


weltherrscher 11. Juli 2008 um 17:23

sind eigentlich bald mal alle wissenschaftler, journalisten, verleger und all die anderen mit ihren statements zu blogs durch oder muss man noch länger warten, bis auch wirklich der letzte welt1.0-versteher auch das internet entdeckt hat?

vielleicht sollten blogger mal eine liste erstellen, wer sich schon alles geäussert hat und natürlich auch, wer noch nicht.

dann später könnte man alles zusammenfassen:
\“die welt der menschen (gilt hier nur für journalisten) mag blogger nicht, weil, ja weil sie, äh, sie halt nicht mögen und so!\“

man möchte sich am liebsten an den kopf fassen, aber wozu, sind ja noch längst nicht alle durch mit ihren meinungen..

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Mattias 11. Juli 2008 um 18:09

Ich kann den Beissreflex verstehen. Vielen Journalisten mit klassischer Printherkunft geht der Arsch auf Grundeis, weil Journalismus im Internet an den Auflagen knabbert. Gerade einige wenige, aus Sicht vieler Printleute völlig zufällig und ungeplant (ohne Nullnummer, ohne Stab, einfach aus dem Bauch heraus) an die Oberfläche gekommene Blogs lassen zweifeln. Dass Web und Print im Idealfall komplementäre Produkte sind, die gute Möglichkeiten einer gegenseitigen positiven Beeinflussung bieten, übersehen sie gerne. Früher war halt alles besser und so sollte es immer sein.

Am Lächerlichsten erscheint vor diesem Hintergrund die Qualitätsdebatte. Wer im Internet groß geworden ist und zum ersten Mal in seinem Leben die Printpresse in Form der Presseregale an Autobahntankstellen genauer unter die Lupe nimmt, müsste gegenüber der Printpresse (\“Nur Tittenhefte und Schundromane!\“) die gleiche Abneigung entwickeln wie Herr Wolff und einige andere, die im Internet nur Sodom und Gomorrha sehen.

Schade eigentlich: Würde jeder ein wenig über seinen Tellerrand hinausblicken, könnten Webleute gute Ideen in Printpublikationen einbringen — und umgekehrt.

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David 11. Juli 2008 um 18:50

Danke für diesen exzellenten Beitrag. Ich habe mir auch Ihren offenen Brief an Weischenberg durchgelesen. Und das spricht für meinen Eindruck, als sei dies insbesondere ein Problem der Journalistik-Professoren. Die sind häufig halb Schreiblehrer + Wissenschaftler + Ex- oder aktuelle Journalisten. Da vermischen sich dann ganz schnell die Grenzen. Aber nicht nur Journalismus, auch Wissenschaft hat viel mit Distanz zu tun, Herr Prof. Wolff. Man sollte sich insbesondere nicht schlechte journalistische Traditionen zu eigen machen: z.B. Überheblichkeit, vorschnelle Wertung oder den Mangel an Differenzierung zwischen guten und schlechten journalistischen Traditionen. Die Wolffsche Attitüde trifft zum Glück nicht auf das ganze Institut für Publizistik in Mainz zu, an dem ich selbst studiert habe (zumindest was die Lehrveranstaltungen angeht: http://univis.uni-mainz.de/form?__s=2&dsc=anew/
lecture&dir=fachbe_2/rbauer/publiz&anonymous=1&ref
=lecture&sem=2008w&__e=71
Auch am journalistischen Seminar werden zumindest einige Abschlussarbeiten im Themenbereich Onlinejournalismus/Blogs geschrieben, da ist man für so was wie Blogs zumindest offen – teilweise auch daran interessiert.

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Fabian 11. Juli 2008 um 23:38

Am IfP Mainz werden in den nächsten paar Jahren vier von acht regulären Professoren in Rente gehen. Wolff gehört nicht dazu.

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Ugugu 12. Juli 2008 um 11:19

Hat er wirklich \“Eugenio Scalfaro\“ geschrieben? (viertletzter Absatz) Dann wäre es ja durchaus möglich, dass Herr Wolf nicht einmal sicher ist, wen er da genau vor sich hatte. Vielleicht war es ja Ex-Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro?

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Thomas Knüwer 12. Juli 2008 um 17:41

@Ugugu: Sie verwirren mich gerade… Eugenio Scalfaro ist doch in der Tat der Gründer von \“La Repubblica\“, oder täusche ich mich. Weshalb sollte Wolff ihn mit Oscar Luigi S. vertauscht haben?

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lupe 12. Juli 2008 um 17:48

\“Journalismus sei eine Mission, \“eine öffentliche Aufgabe, die viel mit der Auswahl und Verbreitung des Wichtigen, mit Distanz und viel Kritik zu tun hat\“\“

Ich werde Herrn Wolf zwei Links senden, den der OZ und den des OZ-Beobachterblogs und ihn bitten eine Studienarbeit verfassen zu lassen, die herausfinden soll, wie weit die Ostsee-Zeitung, der regionale Monopolist im nördlichsten Nordosten, vom sog. Qualitätsjournalismus und damit von seiner Forderung entfernt ist.

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Alex 12. Juli 2008 um 18:31

> Genau dies ist die Haltung der Journalisten. Sie senden. Und die Welt hat zu hören.
Man merkt in diesem Blog immer stärker, dass Sie sich auch dazuzählen. Zuweilen entsteht der Eindruck, sie wären hier auf einer Missionierung, der ungläubigen Heiden. 😉

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Ugugu 12. Juli 2008 um 19:26

@Knüwer: Fast, der Gründer der \“Repubblica\“ heisst Scalfar-i und nicht Scalfar-o. Das wollte ich damit eigentlich sagen.

http://it.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Scalfari

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Thomas Knüwer 12. Juli 2008 um 19:57

@Ugugu: Danke für den Hinweis!!! Das war ein Fehler meinerseits. Hatte ihn einmal mit I und einmal mit O geschrieben. Ist geändert.

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Chat Atkins 13. Juli 2008 um 8:15

Paradigmenwechsel zeichnen sich immer dadurch aus, dass die letzten Mohikaner auf ihren mühsam erklommenen Lehrstühlen erst einmal dahinsterben – oder doch zumindest an ihren Pensionen mümmeln müssen. Das Neue bzw. das \’neue Wahre\‘ wird in einem alten Kopf niemals dessen sklerotisch eingefressene Irrtümer ersetzen, so ranzig die auch längst riechen mögen. Dass viele Leute trotz eines senil gewordenen Bönhasentums immer noch deshalb stramm stehen, weil sie den Titel \’Professor\‘ hören, das ist nicht die Schuld dieser Professoren.

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Robert 13. Juli 2008 um 9:14

@weltherrscher:
es ist bereits alles gesagt worden, aber noch nicht von allen….

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Sebastian Hädicke 13. Juli 2008 um 10:24

\“Ich schweige, also bin ich: Medienwissenschaftler in Deutschland.\“ \“Und doch verrät er viel über den Zustand der Medienwissenschaften in Deutschland. Über ihr Unverständnis der Neuen Medien, ihre Unwilligkeit breitere Zusammenhänge zu erkennen\“

Als Student der Medien- und Kommunikationswissenschaft kann ich einer solchen Pauschalisierung nicht zustimmen. Es gibt zum Glück einige Professoren, aus dem Bereich der Medien- und Kommunikationswissenschaft, die sich seit Jahren mit dem Thema Blogs viel differenzierter auseinandersetzen. Man sollte also nicht, aufgrund eines bestimmten Instituts, Rückschlüsse auf den Zustand eines ganzen Forschungsgebietes ziehen.

Ein Beispiel:

http://www.meinungsmacherblog.de/

Ansonsten wie fast immer ein sehr interessanter Artikel.

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Sanddorn 13. Juli 2008 um 23:44

Also die Online Präsentation des \“Wirtschaftsjournalisten\“ ist schon vorbildhaft. Da kann man das ganze Heft kostenlos durchle… ähm blättern.
http://www.wirtschaftsjournalist-online.de/heft.cfm

Immerhin bekommt man so einen Eindruck was wirklich wichtig ist für einen Wirtschaftsjournalisten: Bayer, Henkel, Metro, INSM und natürlich ein Porsche vor der Haustür. Ich wüsste jetzt aber schon gern was unter dem Comic(ein großes Auge schaut durch das Fenster auf erschreckte Büroarbeiter/Journalisten) steht – \“Oh Gott – Ein Watchblog!\“?!

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Siegfried 14. Juli 2008 um 10:36

Manueller Trackback: http://www.rorkvell.de/news/2008/ar0714T102130

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matze 14. Juli 2008 um 11:41

ganz einfach, wieso der wolff (im gegensatz zu diversen anderen dozenten/mitarbeitern/profs des ifp in mainz – an dem ich übrigens studiere) relativ wenig veröffentlicht: er ist nicht als \“forschender\“ professor, sondern als \“quereinsteiger\“ aus der praxis am institut (ob es da von bezahlung und genauer berufsbezeichnung etc. unterschiede gibt, weiß ich allerdings nicht).

was fabian oben schreibt kann ich zwar weder bestätigen noch widerlegen, vorstellen kann ich es mir aber.

und ansonsten hast du (natürlich) recht

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der Technokrat 14. Juli 2008 um 11:48

@lupe
\“..ich werde Herrn Wolf zwei Links senden, den der OZ und den des OZ-Beobachterblogs und ihn bitten eine Studienarbeit verfassen zu lassen, die herausfinden soll, wie weit die Ostsee-Zeitung, der regionale Monopolist im nördlichsten Nordosten, vom sog. Qualitätsjournalismus und damit von seiner Forderung entfernt ist.\“

Ja, schick einem Blinden einen Playboy und schwärme dabei von der rattenscharfen Alten im Mittelteil. Druck die wichtigen Teile des OZ-Blogs aus und schick es zusammen mit ein paar richtigen Papier-Ozs an den Herrn Professor. Damit kann er dann vielleicht was anfangen.

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Thomas Knüwer 14. Juli 2008 um 13:51

Gerade erhielt ich einen Anruf von Herrn Wolff. Er veröffentlicht durchaus, allerdings beim Institut für Journalistik. Bei Google oben aber ist eine Profil-Seite des Institus für Publizistik – ohne Hinweis auf eine Verlinkung. Diese Konstellation ist sicher eine der unglücklichsten und undurchdachtesten, die ich jemand in der Flut der meist unglücklich und undurchdacht programmierten Uni-Seiten entdeckt habe:
http://www.ifp.uni-mainz.de/wolff/index.php
http://www.journalistik.uni-mainz.de/449.php

Wolff sage dann weiterhin, es gebe durchaus Blogger, die Journalisten sein und die klassischen Medien ablösen wollten. Er konnte leider keine nennen, berief sich auf Notizen und auf Podien der Re-Publica, von denen er gelesen habe.

Ich hab ihm gesagt, dass ich ohne Beispiele solche Behauptungen auch weiterhin für Blödsinn halte. Immerhin hat er bei seiner Reaktion gezeigt, dass er einstecken kann. Ändern wird sich aber leider wohl nichts.

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Hanno Wagner 14. Juli 2008 um 14:23

Manueller Trackback (automatischer Trackback gibts nichts zurück): http://blog.rince.de/archives/600-Zum-Thema-Medienwaechter-und-Umgang-mit-den-neuen-Kommunikationsformen….html

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Hubertus 14. Juli 2008 um 15:12

Zuerst einmal halte ich die Trennung zwischen Sende- und Kommunikationsmedien für falsch, denn Senden ist integraler Bestandteil jeder Kommunikation, eine Kommunikation ohne Sender gibt es nicht. Entsprechend ist der vermeintliche Sendejournalismus Teil einer Kommunikation. Und das Bild des angeblich völlig unerreichbaren Journalisten, den man als Leser nicht erreichen kann, ist ja falsch. Ich habe zum Beispiel auf zahlreiche Leserbriefe an Welt 1.0-Medien sehr ausführliche, ernstgemeinte Antworten der angeschriebenen Journalisten erhalten. Natürlich nicht von allen, wie ja auch nicht jeder Blogger jeden Kommentar zu einem seiner Beiträge direkt kommentiert oder mit dessen Verfasser darüber diskutiert.
Viel interessanter als die Frage, wer nun recht hat, Journalisten oder Blogger – diese Frage ist allenfalls langweilig – interessiert mich die Frage, wie ein Journalismus aussehen müsste, der vor den Augen von Herrn Knüwer bestehen kann. Wie sieht ein Journalismus aus, der kein Sende-, sondern ein Kommunikationsjournalismus ist. Wer entscheidet in diesem Fall, worüber der Journalist recherchiert? Er selber, die Redaktion, seine Leser? Und wie sieht eine reportage aus, die Kommunikationsjournalismus darstellt? Wird sie weiter im Radio gesendet, in einem Magazin veröffentlicht, im Fernsehen gesendet? Soll es nach jeder Fernsehsendung, nach jedem Raiobeitrag ein Call in geben, in dem sich der Journalist im direkten Gespräch den Fragen, der Kritik, den Vorwürfen der Leser, Hörer, Zuschauer stellt? Reicht es Leserbriefe zu lesen und teilweise zu beantworten? Oder muss für jeden Beitrag im Internet ein Diskussionsforum eröffnet werden?
Zeitungslektüre, ich bleibe jetzt einmal bei diesem Kommunikationskanal, hat schon immer zum Widerspruch angeregt. Ein Kommentar, der einem nicht passt, eine Reportage über die Region, in der der Leser lebt und die er falsch dargestellt sieht, eine Buchbesprechung, die die eigenen Empfindungen bei der Lektüre überhaupt nicht trifft – es gibt viele Beispiele. Wer unzufrieden war, hat einen Leserbrief geschrieben, Qualitätszeitungen (und nur um die geht es hier) haben diese Leserbriefe sehr ernst genommen und so ist es zu einer Ferndebatte zwischen leser und Zeitung gekommen (eine Kommunikation hat stattgefunden, wenn auch oft angesichts der Auflagenzahlen indirekt, über das Blatt). Wenn Blogger so tun, als hätten sie die Kommunikation mit den Lesern erfunden, so ist das nicht richtig. Kommunikation zwischen Sender und Empfänger ist mehr, als das Einstellen eines Kommentars vom Empfänger, der vom Sender dann ignoriert wird.
Wenn beide Seiten, Blogger und Journalisten, endlich beginnen würden, sich ernsthaft über die Zukunft des Journalismus, über die Möglichkeiten des Internets und über die Aufgaben zu unterhalten, die Blogs und Medien in einer Online-Gesellschaft haben, statt immer nur aufeinander einzuschlagen, wäre vielleicht etwas gewonnen. So sind diese Diskussionen einfach nur öde und langweilig.

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Klardeutsch 14. Juli 2008 um 16:36

@hubertus: Endlich mal eine differenzierte Auseinandersetzung. Die ständige Diffamierung von Journalisten durch Blogger, die keine Journalisten sein wollen, geht einem inzwischen genauso auf die Nerven wie Journalisten, die Blogs nicht als Kommunikationsmedium verstehen.

Besonders ärgerlich ist die Apotheose des Bloggers, die hier und da betrieben wird. Andernorts habe ich kürzlich einen Eintrag gelesen über Blogger und Pressereisen. Darin wurde behauptet, \“der Journalist\“ schlechthin sei ausschließlich Knecht der Anzeigenabteilung, der Blogger hingegen ein Vorbild an Unbestechlichkeit und Reinheit. Begründung: Blogger leben von ihrer Authenzität. Na, Printmedien etwa nicht? Und warum sollte es undenkbar sein, dass Blogger für Geld auch mal PR-Botschaften einschmuggeln? Es wäre viel gewonnen, wenn Blogger wie Journalisten sich einmal von ihrer Selbststilisierung verabschiedeten und sich gemeinsam der Qualität ihrer Arbeit widmen.

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Thomas Knüwer 14. Juli 2008 um 16:53

@Hubertus & Klardeutsch: Eigentlich stehen wir ja auf der gleichen Seite. Und ich versuche hier ja immer wieder zu schreiben, wie ich mir die Zukunft des Journalismus vorstelle. Nun weiß ich allerdings nicht, ob Sie beide regelmäßige Leser hier sind, oder nicht.

Die Trennung von Sendungs- und Kommunikationsmedien ist nicht auf meinem Mist gewachsen, die kommt aus der Medienforschung. Und sie ist nicht ganz so falsch. Denn Leserbriefe sind ja nur ein extrem zeitverzögertes Zurücksenden. Oder kam es zu einem Thema mal zu mehr als einem Zurückschreiben? Oft genug vergehen Wochen zwischen den einzelnen Briefwechseln.

Ihre Erfahrung mit der Welt, lieber Hubertus, ist eine Ausnahme. Leider. Von den meisten Redaktionen bekommen Sie Standardbriefe zurück. Noch dazu sind die meisten Redaktionen entweder genervt oder belustigt von Leserbriefen. Zitat von \“FAZ\“-Mitherausgeber Günther Nonnenmacher: \“Auf die Meinung von Leserbriefschreibern gebe ich nicht viel. Das sind alles Fundis.\“
http://blog.handelsblatt.de/adhoc/eintrag.php?id=759

Blogger haben die Kommunikation mit dem Leser nicht erfunden. Dieser Satz beherbergt schon die falsche Vorstellung. Blogs SIND oft Kommunikation. Und ein Blogger, der einfach nur Kommentare auflaufen lässt, wird auf Dauer nicht sonderlich häufig gelesen. Aber er ist eben, wenn man \“bloggen\“ als Einstellung betrachtet und nicht als das Verwenden einer Software, kein Blogger. Wer ein Weblog führt, dem macht ja gerade die Diskussion Spaß.

Das aber ist ein Unterschied zu Journalisten: Sie haben nicht die Zeit und oft auch keine Lust über ihre Arbeit zu diskutieren.

Was die PR betrifft: Ja, es gibt Blogs, die heimlich PR betreiben. Ich habe da noch was im Köcher für die kommenden Tage 😉

Aber in der Tat leben Blogs viel stärker von ihrer Authentizität als klassische Medien. Zeitungen und Zeitschriften bestellt man nicht einfach ab – die Hemmschwelle ein Abo zu kündigen liegt höher, als eine Web-Seite einfach nicht mehr zu besuchen oder sie aus dem RSS-Reader zu streichen.

Deshalb haben Blogs ein größeres Problem, wenn ihren Leser auffällt, dass sie PR-gelenkt wurden. Die meisten aber wissen das und geben Faktoren, die ihre Artikel beeinflussen wesentlich genauer an, als Journalisten.

Und um nochmal zum Anfang zurückzukommen: Auch mich treibt derzeit die Frage um, wie der Journalismus der Zukunft en detail aussieht. Dazu wird es demnächst eine Reihe von Artikeln geben – versprochen!

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Klardeutsch 14. Juli 2008 um 17:44

@knüwer: Vermutlich sind wir wirklich nicht allzuweit auseinander. Aber schließlich macht \“Diskussion ja Spaß\“. 😉

Erstens: Ein Journalist, dem es nur darum zu tun ist, dass sein Produkt abonniert wird, tut mir Leid. Es sollte ihm oder ihr schon darum gehen, GELESEN zu werden.

Ein Abo sagt erst einmal noch gar nicht: Ich habe eine ganze Menge RSS-Feeds abonniert, die ich überhaupt nicht mehr lese – ich bin nur zu faul, sie zu löschen.

Zweitens: Es gibt eine riesige Zahl von Fachzeitschriften, die gar nicht abonniert werden, sondern an die potentiellen Leser verschenkt. Auch diese Journalisten sollten glaubwürdige Arbeit betreiben, wenn sie eine Zukunft erhoffen wollen.

Drittens: Blogs ist ja nicht alles, was im Internet journalistisch möglich ist. Jede Online-Publikation ist auf Glaubwürdigkeit angewiesen. Man kann schließlich problemlos nachprüfen, wie viele User wie lange lesen.

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Herr Hase 18. Juli 2008 um 19:50

Das Einzige, was Wolff veröffentlicht, sind die Editorials des \“Wirtschaftsjournalisten\“.

Bloggen hält er größtenteils für \“Ablaichen\“ im Internet, wie er in einem Seminar mal zum Besten gegeben hat. Seine Argumentation war in dieser Sitzung ähnlich gehaltvoll wie sie in dem Telefonat mit Ihnen gewesen zu sein scheint. Er hatte irgendeine Studie im Internet (!) gefunden, die seine Thesen stützte.

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