Gestern Abend saß ich auf dem Podium der Diskussionsveranstaltung „Media Coffee“ in München. Es ging um die Frage, was noch bleibt von unseren klassischen Medien. Ist etwas Neues dabei herum gekommen? Für mich persönlich gab es immerhin ein paar Erkenntnisse zum Thema „Chefs im Mediengeschäft“. Kein einziger Laptop war aufgeklappt, gestern Abend im Haus der Bayerischen Wirtschaft. Das unterscheidet Veranstaltungen der Web-Szene noch immer von denen klassischer Medien. Die Vertreter der letzteren fühlen nicht den Drang, Gesagtes zu dokumentieren und der Welt zu überbringen.
Und noch etwas ist sicher: Kommt es zu Fragen aus dem Publikum, erhebt sich ein Journalist oder eine Journalistin gehobenen Mittel-Alters und vom Leben gekrähfußt und beginnt ein Klagelied gegen das böse, böse Internet, dass den Journalismus schlechter macht.
Leider hat Moderator Michael Geffken, den ich sehr schätze, es geschafft, alle thematischen Klippen zu umschiffen, die dem Abend einen giftigen Charakter hätten verleihen können. Somit kam es auch nicht zu einem rechten Duell mit Sueddeutsche.de-Chef Hans-Jürgen Jakobs und mir. Schade, das hätte lustig werden können.
Somit blieben bei mir vor allem zwei Fallstudien zum Thema „Chefs in den Medien“ zu begutachten. Da wäre zum einen Mercedes Riederer, Chefredakteurin Hörfunk des Bayerischen Rundfunks. Sie habe einen Ipod, erklärte sie, könne ihn aber nicht bedienen. Gebrauchsanleitungen seien ihr zu kompliziert, sie warte auf jemand, der ihr das erkläre.
Dies zu sagen, ist zunächst menschlich bemerkenswert. Denn der Ipod hat ja eine Kurz-Anleitung, die nun wirklich sehr, sehr verständlich ist. Ohnehin aber ist das Gerät ja kein Hexenwerk, sprich: kein Videorekorder. Dann aber stellt sich die Frage: Gibt es beim BR denn niemand, der der Chefin einen Ipod erklären kann?
Seien wir ehrlich: Natürlich wird es hunderte von Mitarbeitern geben. Riederers Intensität bei der Suche nach einem Scout dürfte sich aber auf niedriger Intensität bewegt haben. Deutlich war herauszuhören, dass sie sich mit solchen Themen einfach nicht beschäftigen mag.
Das aber halte ich für grob fahrlässiges Fehlverhalten. Sie ist Chefin eines Radioprogramms. Und Radio könnte bedroht werden durch das Internet. Mehr noch: Radio wird schon heute über Internet gehört, Podcasts werden auf MP3-Playern gehört. Und da ist es die verdammte Pflicht eines Chefs, sich auf dem Laufenden zu halten. Das macht nicht immer Spaß – aber so ist das Leben halt. Leider steht Riederers Haltung aber stellvertretend für viele Lenker im Mediengeschäft: Sie propagieren lebenslanges Lernen, sehen sich selbst davon aber ausgenommen.
Die andere Chef-Charakterstudie blieb rätselhafter. Im Publikum saß auch Verleger Dirk Ippen, der die Zuhörer mit einer klaren Analyse der Branche überraschte. Auszug:
„Wir Verleger werden nie wieder soviel Geld verdienen wie früher, aber das brauchen wir auch nicht, weil wir nicht mehr soviel Geld ausgeben müssen.“
Allein: Seine Blätter bekommen im Netz so gar keine Traktion. Ihre Online-Auftritte wirken häufig wie mit der Handbremse fahrend, ein paar gute Ansätze, weiter geht es nicht. Haben wir hier den Fall eines Chefs, der seinen Mitarbeitern gedanklich enteilt ist – oder den eines Lenkers, der den Kontakt zur Realität verloren hat? Das können wohl nur Mitarbeiter seiner Verlage mit Sicherheit sagen.
Und hier noch der zugehörige Film vom Diskussionsveranstalter DPA News Aktuell:
Kommentare
LadyEurope 8. Juli 2008 um 14:57
Ebenfalls erstaunlich zu bemerken war – für die sonst so wortgewandten Medienchefs/innen – dass das Vokabular der Onlinewelt noch mehr als holprig und teilweise auch falsch eingesetzt über die Lippen kam. Da verfestigt sich der Verdacht, das die Vertreter klassischer deutscher Medienunternehmen noch nicht einmal nach aussen den Schein erwecken können, verstanden zu haben, in welcher Zeit des Umbruchs sie leben. – Mein persönliches Highlight des Abends: Herr Knüwer zum Thema Sportfernsehen!
Konstantin Klein 8. Juli 2008 um 15:24
Aua, aua. Als Arbeitnehmer im Bereich Old Media (wenn auch mit Arbeitgeber, der das Internet ein wenig besser versteht als die oben zitierten) bin ich von solchen Geschichten immer besonders geschmerzt. Ist es das Alter (hömma, ich werde auch fuffzich nächsten Monat!), ist es die Überheblichkeit des Langzeitfestangestellten (eine Festanstellung bekam früher nur einer, der im System fest verwurzelt war. Heute bekommt sie keiner mehr…), oder ist es tatsächlich der Mangel an Visionsfäigkeit (wenn es dieses Wort wirklich gibt)?
Zumindest letzteres wäre für mich ein Grund, über die Besetzung einer Chefstelle nochmal nachzudenken. Und zumindest im Ö/R-System werden m.W. solche Stellen nur auf Zeit besetzt…
So, genug revoluzzt. Zurück an die Arbeit.
Bauer vom Dreistirn 8. Juli 2008 um 15:33
\“Sie habe einen Ipod, erklärte sie, könne ihn aber nicht bedienen. Gebrauchsanleitungen seien ihr zu kompliziert, sie warte auf jemand, der ihr das erkläre.\“
Schmerz lass nach. Hoffentlich gibt es solche Fossilien nur noch beim BR …
Don Alphonso 8. Juli 2008 um 15:48
Der eigentliche Knaller ist der Umstand, dass Frau Riederer lange Zeit für den journalistischen Nachwuchs bei der deutschen Journalistenschule verantwortlich war – und das merkt man auch an deren Ergebnissen.
Lucas von Gwinner 8. Juli 2008 um 16:02
Ergänzug zu Frau Riederer, Radio und Internet:
Laut Medienforschung der ÖR-Anstalten werden nicht unwesentlich viele Sendungen aus dem Radio-Wortprogramm bereits heute genauso oft als Podcast heruntergeladen wie es laut Quotenmessung für Sie Zuhörer während der Ausstrahlung im Radio gibt. Nun sind solche Zahlen mit Vorsicht zu genießen, denn die Medienforschung weiß auch das nur jeder dritte Podcast auch tatsächlich angehört wird und das die Radio-Quotenmessung auch nicht soviel darüber aussagt wer dort tatsächlich zuhört. Aber die Tendenz eines zweiten Frühlings für Radiowortprogramm als Podcast ist dennoch überdeutlich. Und die Unwissenheit der Frau Riederer vor diesem Hintergrund besonders erstaunlich.
Man stelle sich nur vor man hätte sie wie folgt zitieren müssen: \“Sie habe war ein Radio, erklärte sie, könne ihn aber nicht bedienen. Gebrauchsanleitungen seien ihr zu kompliziert, sie warte auf jemand, der ihr das erkläre.\“ Da wäre was los gewesen…
Thomas Knüwer 8. Juli 2008 um 16:07
Zum Thema Podcasts hatte Frau Riederer auch etwas zu sagen. Ich wollte ihr das nicht auch direkt um die Ohren hauen. Auf die Frage, warum ein junger Menschen Radio hören sollte, sagte sie:
\“Um Anregungen dafür zu bekommen, was er sich auf seinen iPod lädt.\“
Link: http://www.mediacoffee.de/jenspetersen/item/528
Helga 8. Juli 2008 um 16:09
Da hab ich dann doch das Gefühl nicht so richtig viel verpasst zu haben, dass ich meine Rotzende Nase nicht zur Podiumsdiskussion getragen habe…
Allerdings, was ist an der Aussage von Ippen rätselhaft? – Internet bedeutet: weniger Ausgaben im Sinne von Druckkosten und im Sinne von Personalkosten. Und da sollen die Zeitungs-Mitarbeiter hurra schreien?
Andres Wittermann 8. Juli 2008 um 16:21
Zum Thema Laptops im Auditorium – ich hatte gehofft, dort twittern zu können. Ging aber nicht – leider kein Empfang, zumindest nicht mit meinem Blackberry.
Ich war auch sehr überrascht über die Äußerungen von Frau Riederer. Vor allem da ich aus gut unterrichteter Quelle weiß, dass der BR umfangreiche Studien zum Thema BR-Podcasts erstellt und auch intern diskutiert hat. Da hätte sie Schönes zu Nutzern und abgerufenen Inhalten erzählen können.
Jan 8. Juli 2008 um 16:52
Mit welcher Selbstverständlichkeit mancher Chef-Qualitäts-Journalist öffentlich dazu steht, zentrale Fertigkeiten der Gegenwart nicht zu besitzen (und sich auch noch der Zustimmung anderer sicher sein kann) ist erschreckend und auf Dauer frustrierend. Dass Sie, Herr Knüwer, sich diesen Erlebnissen auf den Podien immer wieder aussetzen, don-quichottesk gegen altmediale Windmühlen kämpfen und hinterher pointiert darüber schreiben mögen, verdient Respekt. Und ich bin zudem dankbar, dass Sie diesen Job übernehmen. Einer muss es ja tun.
LadyEurope 8. Juli 2008 um 16:53
Es bleibt zu hoffen, dass Frau Riederer nun bewusst ist, dass sie dringend Expertenhilfe benötigt – ansonsten stirbt der BR zeitgleich mit der der jetzt schon überalterten Hörerschaft.
STU 8. Juli 2008 um 17:52
…und im DPA-Video ist von Knüwers \“online-Blog\“ die Rede. Autsch!
cdv 8. Juli 2008 um 18:35
Verleger Ippen war einer der ersten beim Ganzseitenumbruch in seinen Tageszeitungen, hat 2005 angefangen zu bloggen (2007 allerdings wieder aufgehört, siehe www.wie-ich-es-sehe.de). Würde ihmm schon zutrauen, dass er weiter ist als andere. Seine Zeitungen, du hast es erkannt, sind da noch nicht alle so weit.
dante 8. Juli 2008 um 19:42
Ob die Lust an der Diskussion — ohne etwaige Konsequenzen — nicht eher seine Ursache in den dargebotenen Schnittchen hat?
Es kommuniziert sich doch auch so schön. Und etwas Neues stört da nur. Vorgestern ist heute!
Harald 8. Juli 2008 um 22:24
Also, Thomas das
\“Die andere Chef-Charakterstudie blieb rätselhafter…Verleger Dirk Ippen, der die Zuhörer mit einer klaren Analyse der Branche überraschte. Auszug: \“Wir Verleger werden nie wieder soviel Geld verdienen wie früher, aber das brauchen wir auch nicht, weil wir nicht mehr soviel Geld ausgeben müssen.\“
Das ist doch klar wie das geht:
1) Keine Druckpressen mehr
2) Keine Distribution mehr
3) Keine Redaktion mehr
4) Keine Journalisten (machen die von Dir in Demut gezeichneten Journalisten ääähh blogger 😉 )
5) Hosting übernimmt YouTube/Google/Amazon
6) Restanzeigenplätze – ja die werden per Google AdSense vertickt
Noch Fragen?
Was mich gestern abend irre genervt hat war \“die junge Zielgruppe\“ und dann die Annahme die könnte sich bei SZ, TZ-Online oder so rumtreiben. NEIN dort sind sie auch nicht!
Da wirste irre …
cdv 8. Juli 2008 um 22:29
@Harald Gut bemerkt. Bin mir in meinem fortgeschrittenen Alter auch nicht im Bilde, wo die sind. Wo sind die?
Die Punkte zu Ippen kann ich nur unterstreichen. Irgendwann waren auch keine Setzer mehr da. Das machten dann die Redakteure \“so nebenbei\“.
Sissi Pitzer 8. Juli 2008 um 23:47
Ich finde es doch merkwürdig, dass sich alle auf Mercedes Riederer einschießen – vom Moderator in unhöflichster Weise vorgemacht -, nur weil sie ehrlicherweise, aber etwas naiv zugegeben hat, dass sie mit ihrem i-pod nicht zurecht kommt! Immerhin wissen sie und der BR genau, wie wichtig podcasting ist und sind damit bekanntermaßen auch sehr erfolgreich.
Vom Autor und Kollegen Thomas Knüwer hätte ich nach den durchaus überlegenswerten Äußerungen auf dem Podium – auch wenn ich sie nicht alle teile – mehr erwartet als billige Polemik. Da haben die versammelten älteren Herren auch eine Menge Unsinn geredet! Der Erkenntniswert dieser Diskussion tendierte leider gegen Null, nicht zuletzt aufgrund eines eitlen Moderators, der seine vorformulierten Fragen und eigenen Ansichten wichtiger fand als die Antworten darauf. Dass bei einer solchen Diskussion ausgerechnet das Fernsehen fehlte – immer noch Leitmedium, wenn auch vielleicht in der Form, nicht im Inhalt aussterbend – machte die Sache nicht besser.
Ich hätte mir wirklich gewünscht, wir hätten über das entscheidende aller neuen und alten Medien geredet, die Inhalte – sorry, den content – und damit auch über den Journalismus. Waren ja genug Betroffene im Raum. Und dabei geht es um spannende und wichtige Entwicklungen – und keineswegs banal und oberflächlich um das \“gute\“ oder \“böse\“ Internet.
Don Alphonso 9. Juli 2008 um 2:18
Liebe Frau Pitzer – falls Sie es wirklich sind –
vielleicht sollten Sie, genau Sie an dieser Stelle mal ihre beruflichen Verflechtungen offenlegen. Nicht jeder weiss, was das von Ihnen betreute Bayern5-Medienmagazin ist, und welche, nun, sagen wir mal, Qualitätsschwankungen damit einhergingen, wenn statt dem formidabel-zynischen Thomas Meyerhöfer Sie selbst den Nachweis geliefert haben, dass es beim BR auch ohne radiotaugliche Stimme geht. Nebenbei, der Umstand, dass Sie sowohl ein ÖR-Medienmagazin bestreiten und darin Berichte über Medien haben, die potenzielle Kunden der Beratungsdienstleistungen ihrer Firma sind, wäre mal ein nettes Thema über die seltsamen Geflechte bei den ÖRs für Thomas.
Und SIE, deren Medienmagazin sich Sonntag für Sonntag genüssloch von Zwangsgebühren finanziert einen über die private Konkurrenz und deren Pleiten abarbeitet, Sie finden es plötzlich ungerecht, wenn Ihre Programmverantwortliche wegen Ahnungslosigkeit angegangen wird? Ja, warum denn eigentlich nicht? Frau Riederer bekommt ihren Lohn dafür, den ÖRs sowas wie eine Zielgruppe zu erhalten, die sich das, was auch Sie für den BR mutmasslich nicht für Gotteslohn abliefern, auf den iPod laden soll. Sowas gehört einfach zum Handwerk, wie der record-button beim Minidiscgerät. Wer das nicht kann, soll bittschön was anderes machen.
Ich will nicht alle beim BR über einen Kamm scheren, aber dass gerade Sie unter Verschweigung Ihrer Beziehungen über Journalismus reden wollen – finde ich amüsant.
Peter Hogenkamp 9. Juli 2008 um 7:58
Ich denke, bei allen Radiosendern gibt es jeweils einige, vermutlich wenige Podcast-Befürworter und viele Podcast-Gegner. Immerhin haben sich die Befürworter vielerorts so weit durchgesetzt, dass es ein Angebot gibt. Ob das aber irgendeine Rolle in der Strategie spielt, weiss man nicht – wo die Chefs keinen iPod bedienen können, wohl eher nicht.
Ich höre jeden Morgen das 60 Jahre alte und immer noch hervorragende «Echo der Zeit» von DRS als Podcast auf dem Weg nach Zürich. Es beginnt immer mit dem Satz: «Sie hören die Sendung \“Echo der Zeit\“ von Schweizer Radio DRS als Podcast.»
Wie die verschiedenen Moderatoren dabei das Wort «Podcast» aussprechen, spricht Bände. Es reicht von ganz normal bei Redaktionsleiter Casper Selg bis zu gehört sehr spitzen Fingern, mit denen Simone Fatzer das Wort anfasst.
«Sie hören die Sendung \“Echo der Zeit\“ von Schweizer Radio DRS als sogenannten Podcast; warum Sie das auf diesem Irrweg machen anstatt ganz normal vor dem Radio zu sitzen, ist mir allerdings schleierhaft.»
Thomas Knüwer 9. Juli 2008 um 8:40
Liebe Frau Pitzinger,
es geht hier doch nicht darum, ob man Podcasts gut findet, oder nicht. Ein Chef muss auf der Höhe der Technik sein, sonst kann er nicht die richtigen Leitlinien vorgeben. Nur wer sich mit einer Technik befasst, kann deren Dimension erkennen. Und das ist keine Polemik, sondern Kritik.
Übrigens geht es beim Media Coffee nicht allein um Journalismus. Es geht eben auch ganz stark um die wirtschaftlichen Aspekte.
Stärker in Richtung Veränderungen im Journalismus hätte ich auch gern diskutiert. Dann aber wäre es sehr, sehr blutig geworden. Für den BR und für Sueddeutsche.de.
Markus Kigle 9. Juli 2008 um 9:05
Nicht vorhandene aufgeklappte Laptops als Kennzeichen für eine besonders fortschrittliche und kommunikationsaffine Webszene zu sehen halte ich doch für sehr gewagt. Wer weiß denn wirklich, was die Webszene mit den Laptops während einer Veranstaltung macht? Bekommt Webszene von der Veranstaltung überhaupt etwas mit?
Und dem ganzen Geunke zum Trotz: Die Tageszeitungen verdienen ihr Geld immer noch mit Gedrucktem und das mit teilweise durchaus erfreulichen Verkaufszahlen. Die Webszene ist – bis auf einige wenige bekannte Ausnahmen – den Nachweis noch schuldig geblieben, dass sie ohne am Tropf zu hängen wirtschaftlich lebensfähig ist.
Thomas Knüwer 9. Juli 2008 um 9:35
Herr Kigle, doch, die aufgeklappten Laptops sind einfach ein Unterschied zwischen Kongressen der Web-Szene und den klassischen Medien. Ob das gut oder schlecht ist – ist eine andere Frage. Die Präsenz aber zeigt, wo man ist.
Was die Leute damit machen, lässt sich oft genug direkt nachlesen. In Blogs oder bei Twitter, zum Beispiel. Bei Veranstaltungen der Web-Szene ist man oft genug live dabei, ohne vor Ort zu sein. So fällt dann auf, dass vom Media Coffee relativ wenig Spuren im Netz zu finden sind.
Was die Tageszeitungen betrifft: Sie verdienen ordentlich Geld. Aber mit \“erfreulichen Verkaufszahlen\“? Innerhalb eines Jahrzehnts haben Deutschlands Tageszeitungen ein Fünftel ihrer Auflage verloren. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich dieser Trend wendet. Das wissen Sie als Vertreter eines Pressegroßvertriebs doch sicher auch, oder?
Und die Web-Szene kann sich in den USA auch inhaltlich oft schon finanzieren. Vergessen wir nicht: Oft waren auch die ersten Zeitungen hoch defizitär. Sie waren politische Spielbälle von amerikanischen Politikern, zum Beispiel. In Sachen Internet stehen wir erst ganz am Anfang. Die \“Alles wird gut\“-Haltung der Vertreter klassischer Medien verkennt, mit welch irrwitzger Geschwindigkeit das Web alles verändert. Immer vor Augen halten: Das WWW existiert seit 15 Jahren. Kennen Sie eine Technologie, die unser Leben schneller und radikaler verändert hat?
Youngster (?) 9. Juli 2008 um 9:43
Ich war auch beim Media-Coffee und hätte gerne eine Frage an das Podium gestellt, allerdings gab es davon nur 2 oder 3 und dann ein langes Verleger-Schlusswort, das weitere Fragen zeitlich unmöglich gemacht hat.
Herrn Knüwer wollte ich beispielsweise fragen, ob die düstere Zukunft, die er für Fernsehen und Print sieht, wirklich so düster ist.
Konkret: Ich bin 25 Jahre und zähle mich zugegebenermaßen zu der \“jüngeren\“ wenn auch nicht mehr \“jüngsten\“ Generation. Was mein Fernsehverhalten angeht, setze ich mich immernoch einfach auf das Sofa und knipse den TV an. Und das in der Hoffnung, dass das Programm attraktiv ist. Mein Programm \“zusammenzusuchen\“ wäre mir zu anstrengend, weil ich erstmal minutenlang aktiv werden müsste (einloggen usw.). TV ist meiner Meinung nach noch immer zum \“Berieseln\“ lassen da. Dessen ungeachtet scheitert eine Programm-Zusammenstellung per IPTV und dann Maxdome o.ä. immernoch an den Kosten. Junge Leute haben einfach nicht die Kohle, sich die Bundesliga live über die Telekom ins Wohnzimmer zu holen (Außer Papa bezahlt\’s).
Rein TECHNISCH gesehen werden Web, TV (und Radio/Telefon) irgendwann verschmelzen (IPTV), alles wird aus der TAE-Dose kommen, so dass eine klare Trennung der Mediengattungen schwierig wird. Aber den Fernsehabend, das Warten auf 20 Uhr 15 wird es auch in 10 Jahren noch geben.
Dass das Programm ansonsten \“richtig schlecht\“ ist, wie Herr Knüwer sagt, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber den Privaten bleibt oftmals keine andere Wahl, als billige Produktionen zu hohen Quoten zu führen, weil am Ende des Geschäftsjahres die Rendite stimmen muss. Medienunternehmen sind in erster Linie, wie der Name schon sagt, eben UNTERNEHMEN, mit Aktionären usw. Und die öffentlich-rechtlichen unterliegen trotz Gebühreneinnahme ebenfalls einem gewissen Quotendruck. Denn qualitativ hochwertige Sendungen zu bringen, die regelmäßig Marktanteile von 8% einspielen, sind auf die Dauern gegenüber dem zahlenden Zuschauer nicht zu rechtfertigen. Auch hier muss dann \“Reich und Schön\“ und derlei Mist herhalten – weil es (leider) viele Leute konsumieren.
Dass man als BR-Radio-Chefin sich allerdings nicht mit der neuesten Technik auskennt und dann von seinen Mitarbeitern v.a. techn. Know-How, Flexibilität usw. verlangt (und bei den ÖR wird die Einstiegs-Messlatte immernoch sehr hoch gelegt, denke ich), ist einfach nur schwach.
@Herr Knüwer: Was hätten Sie außerdem geantwortet auf die Feststellung v. Fr. Riederer, dass der Jugendliche sich auf B5 Infos darüber holt, was er sich so auf seinen iPod lädt?
Youngster (?) 9. Juli 2008 um 9:48
…und hier noch ein Nachtrag, sorry:
Die Zeitung wird ebenfalls weiter existieren, ist sie doch das einzige Medium ohne technische Abhängigkeit. Fällt einmal der Strom aus, \“funktioniert\“ als einziges noch die Zeitung. Man kann sie teilen, in der U-Bahn lesen (wie ich) und braucht dafür keinen \“Empfang\“…
Empörter 9. Juli 2008 um 10:12
Thomas hat ja so Recht, wenn es um die Chefs klassischer Medien geht. Ich durfte kürzlich den Chefredakteur eines großen Hamburger Magazins erleben, wie er Google-Chef Schindler fragte: \“Sagen Sie mal Herr Schindler, womit verdienen Sie eigentlich Geld.\“
Noch Fragen zur Zukunftsfähigkeit dieses Magazins????
Benedikt 9. Juli 2008 um 10:40
Ist die Aussage von Frau Riederer nicht eher ein Kokettieren mit einer altbürgerlichen Technikaversion, die mittlerweile überhaupt nur noch in bestimmten Altersgruppen bzw. beruflichen Karrierestufen möglich ist? Ich behaupte einfach einmal, das \“Ich-kann-meinen-Videorecorder-nicht-bedienen\“ war schon immer ein Mythos. Wenn es wirklich wichtig war (Denver Clan oder EM-Vorrunde), hat man es doch irgendwie hinbekommen.
Markus Kigle 9. Juli 2008 um 10:41
Herr Knüwer, ich sagte ja auch \“…TEILWEISE durchaus erfreuliche Verkaufszahlen…\“ Relativ gesehen ist der Tageszeitungsbereich dennoch ein Segment, das im gesamten rückläufigen Markt hoffen läßt.
Die Diskussion hat ja auch schön gezeigt, dass noch große Ratlosigkeit herrscht, wie man die Leute im Web dazu bringt, für die Inhalte zu bezahlen. Eine \“Alles wird gut\“-Haltung kann ich zumindest für den Printbereich nicht erkennen. Auch der Handel ist sich der Situation bewußt, auf die es sich einzustellen gilt. Unverständlich ist nur oft die Verwunderung auf Verlagsseite über sinkende Absatzzahlen der Printprodukte: Die – meist kostenlosen – ergänzenden Angebote im Web, vor allem im Fachbereich (Beispiel Wirtschaft)sind häufig gut gemacht.
Noch kurz zu 15 Jahren www. Sogenannte Basisinnovationen gab es in den vergangenen gut 100 Jahren durchaus auch schon immer wieder. Denken Sie an das Fliegen: 1903 starteten die Brüder Wright erfolgreich, schon gut 10 jahre später schoss man sich gegenseitig vom Himmel. Der Vergleich mag hinken, soll jedoch sagen, dass es, bezogen auf die jeweilige Zeit, immer schon revolutionäre Neuerungen gab, die erstaunlich schnell unser Leben nachhaltig beeinflußt haben.
Benedikt 9. Juli 2008 um 10:43
@Youngster: \“Fällt einmal der Strom aus, \“funktioniert\“ als einziges noch die Zeitung.\“
Genau, wenn der Strom in der Druckerei ausfällt wird das Handelsblatt eben hektographiert oder von den Autoren handschriftlich vervielfältigt.
Youngster (?) 9. Juli 2008 um 10:54
@Benedikt: Du weißt genau, was ich meine… der akute, kurze Stromausfall, nicht der monatelange…
Thomas Knüwer 9. Juli 2008 um 10:59
@Youngster: Leider ist das viel zu oft so bei Podien – Zeit für Fragen aus dem Publikum bleibt viel zu wenig. Wenn ich selbst moderiere, unterbreche ich lieber die Diskussion, wenn es Fragen aus dem Auditorium gibt – denn die oben sitzen ja da, weil die da unten gekommen sind. Somit haben die da unten Vorrechte.
Und demnächst – herzlichen Dank an Sie für den Anstoß – wenn ich auf einem Podium gesessen habe, werde ich darauf hinweise, dass offen gebliebene Fragen hier im Blog diskutiert werden können.
Also zu Ihren Fragen:
Das Fernsehen: Ja, ich sehe die Zukunft des linearen Fernsehens sehr düster. Natürlich gibt es noch diesen Willen, sich einfach berieseln zu lassen. Doch er sinkt. Denn da ist ja nichts mehr, womit man berieselt werden möchte.
Allein Casting-Shows und Reality-TV erfüllen noch diese Funktion. Werden diese Formate aber noch über Jahre tragen? Das ist eine Frage, die offen ist. Mein Gefühl ist: eher nein. Weil wir auch in diesen Bereichen ein sinkendes Niveau erleben und es für Casting-Agenturen immer schwerer wird, überhaupt Kandidaten zu finden.
Je medienkundiger die Menschen werden – und die heranwachsende Generation ist äußerst medienkundig – desto selbstbewusster und gezielter werden die Entscheidungen, an welche Medien man seine Zeit vergibt. Das Warten auf 20.15 wird es in ein paar Jahren nicht mehr geben. Schon heute sind die Einschaltquoten ja geringer für klassische Sendungen als früher.
Dabei geht es ja nicht darum – und das ist häufig eine falsche Wahrnehmung – wann die Einschaltquote des TV auf Null sinkt. Mit sinkenden Zuschauerzahlen sinken die Werbeeinnahmen. Und die Sender reagieren darauf, wie die Zeitungsverleger, mit der falschen Maßnahme: Kostenkürzungen. Somit wird das Produkt noch schlechter, was mit Zeitverzögerung zu weiteren Abwanderungen führt. Und das beschleunigt die Spirale.
Irgendwann – das gilt für TV wie für Zeitungen – wird es nach einer Phase des langsamen Sinkens ein steiles Nach-unten-Fallen geben.
Das Gegenmittel? Investition in das Produkt. Machen andere Branchen auch. Allerdings wirken sich Investitionen im Medienbereich erheblich langsamer aus als bei einem Autohersteller: Bei dem zeigt das neue Modell direkt Wirkung (na gut, hoffentlich).
Was die Podcast-Äußerung betrifft: Ich sehe es genau anders herum. Die Jugendlichen sind so medienkundig, dass sie im Netz interessante Podcasts finden – und daraufhin sich dem Radioprogramm näher fühlen. Ob sie es tatsächlich einschalten? Wohl nur, wenn nichts anderes zur Hand ist. Ich selbst höre Radio nur noch im Auto – wenn ich meinen Ipod vergessen habe.
Auch für die Zeitung in ihrer aktuellen Form habe ich wenig Hoffnung. In der U-Bahn kann ich mit kleinen Geräten heute schon Videos sehen und Podcasts hören. Ähnliches gab es bereits schon in Texterversion für PDA (ich weiß nicht mehr, wie dieses System heißt). Und wenn ich tatsächlich unelektronisch in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen möchte, dann nehme ich Magazine – die gehen besser mit der Zeitspalte zwischen Redaktionsschluss und Lesemoment um.
Damit ist auch vorgegeben, wohin Zeitungen müssen. Sie dürfen sich nicht mehr vormachen, ihre Leser hätten keine anderen Informationsquellen. Sie müssen zu täglichen Magazinen werden, zur Ergänzung des täglichen Nachrichtenrauschens.
Diesen Schritt wagen manche – aber als Tippelschritt. Blätter wie der \“Guardian\“ sind da erheblich weiter.
All dies sind Änderungen, die für TV und Print nicht unlösbar sind. Mich erschreckt aber die Arglosigkeit der Medienmanager in Sachen Zeit. Sie glauben, sie hätten noch reichlich. Und das ist ein Irrglaube. Wir vergessen gerne, wie schnell das Web die Welt erobert hat. Mich erinnern Medienmanager und viele Journalisten an Nichtschwimmer, die meinen sie könnten den Schwimmkurs noch absolvieren, wenn die Flut langsam steigt. Doch am Horizont nähert sich bereits ein Tsunami.
Papi 9. Juli 2008 um 11:03
Warum wird das hier eigentlich diskutiert – die Leute, die sich damit beschäftigen sollten, können die Diskussion doch sowieso nicht verfolgen 😉
Ich hatte neulich mal mit Leuten eines Rundfunkrates zu tun. Die baten dringend darum, ein Fax zu bekommen – die Sekretärin, die die E-Mails abrufen könne, sei erst wieder am Montag im Haus. Alles klar?
Sissi Pitzer 9. Juli 2008 um 11:12
Lieber Rainer Meyer alias Don Alphonso,
ich stehe immer mit meinem Namen und meiner Person für das ein, was ich sage oder schreibe, und ich mache auf Veranstaltungen und PK\’s häufig den Mund auf – deshalb gehe ich hin. Sonst kann ich Pressemitteilungen lesen und auswerten – was im übrigen leider eine wachsende Zahl von Redakteuren tut. Ein Grund, warum ich die Live-Begleitung im Netz schätze, auch wenn sie häufig keine journalistischen Glanzleistungen sind. Oder ist das schon wieder altersbedingte unzulässige Kritik am Bloggen?!
Im übrigen mache ich kein Geheimnis daraus, dass ich sowohl als Journalistin als auch als Consultant arbeite – und bisher hatte keiner meiner Auftraggeber, aus beiden Bereichen, damit ein Problem. Aber vielleicht sollten wir diese Diskussion, die Ihnen offensichtlich am Herzen liegt, mal in einem persönlichen Gespräch fortsetzen – in Foren rumzuätzen mag ja ganz nett sein, bringt aber nicht mal den Usern was!
Benedikt 9. Juli 2008 um 11:25
@Youngster Das ist aber genau der Fehler, der immer wieder gemacht wird. Medien nur als fertige Produkte zu sehen und ihren Entstehungsprozess auszuklammern. Jedes Massenmedium ist abhängig von einer funktionierenden Energieinfrastruktur. Auch ein kurzfristiger Stromausfall kann dazu führen, dass du auf deine Zeitung verzichten musst. Ich würde sogar sagen, dass das Internet aufgrund der dezentralen Struktur besser mit so etwas fertig wird als das Zeitungssystem. Übrigens: wenn ich in der U-Bahn sitze und der Strom fällt aus, habe ich wahrscheinlich nicht die Muße, die Zeitung aufzuschlagen 😉
@tknuewer \“Doch am Horizont nähert sich bereits ein Tsunami.\“ Vgl. Ende der Musikindustrie, vgl. Ende des Bogenoffset-Drucks etc. Der Mensch ist ein Wiederholungstier.
Robert Dürhager 9. Juli 2008 um 11:35
@TKnüwer \“Nur wer sich mit einer Technik befasst, kann deren Dimension erkennen. Und das ist keine Polemik, sondern Kritik.\“
Richtig. Betrachten wir mal nur die humanen und sozialen Dimensionen von Günter Ropohl aus \’Allgemeine Technologie\‘:
Anthropologie: Organersatz, Luxus
Physiologie: Arbeitsplatzgestaltung, Maschinengestaltung, Körperbelastung
Psychologie: Motivation, Bedürfnisse, Bedienungsqualifikationen, Selbstbewusstsein, Versagensängste
Ästhetik: Gestaltung der Technik, Modeaccessoire
Ethik: Nicht alles, was gemacht werden kann, darf gemacht werden
Ökonomie: Angebot, Nachfrage
Soziologie: Arbeitsteilung, Bildung, Eigentum, Verfügbarkeit, Bedürfnisse
Politik: Legitimationsquelle, Herrschaftsinstrument, Förderungsobjekt
Recht: Patentrecht, Umweltrecht, Kontrolle
Geschichte: Technik prägt die Menschheitsgeschichte
Robert 9. Juli 2008 um 11:41
Herr Geffken, auch von mir grundsätzlich sehr geschätzt, hat leider als Moderator nicht nur einmal Erwartungen enttäuscht.
Jens 9. Juli 2008 um 12:10
@Markus Kiegle:
\“große Ratlosigkeit herrscht, wie man die Leute im Web dazu bringt, für die Inhalte zu bezahlen.\“
Das ist seit 15 Jahren der Trugschluss Nummer eins, daß man glaubt, im Internet für Informationen Geld verlangen zu können.
Dorin Popa 9. Juli 2008 um 12:17
Kleine Korrektur: Es gab zumindest zwei aufgeklappte McBooks, vom Podium aus gesehen ganz rechts in der ersten Reihe, auf einem bloggte News-Aktuell-Mitarbeiter Jens Petersen live.
Aber ich hatte beispielsweise mein PowerBook gar nicht erst mitgenommen, da es im Haus der Bayerischen Wirtschaft zumindest bei früheren Veranstaltungen nie WLAN gab. Ich vermute mal, daß die Kollegen eine Webkarte in ihrem Rechner hatten…
michael kausch 9. Juli 2008 um 13:18
naja, wenn es sie beruhigt herr knüwer: ich habe meine notiz zum event noch während des events direkt aus dem zuschauerraum in mein blog geschickt. sie können ja mal hier gucken: http://www.vibrio.eu/blog/?p=55
nur braucht man dazu heute keine notebooks mehr. der mda tuts auch.
so schlimm war ihr publikum also auch nicht 😉
richtig ist aber, dass viele spannende fragen gar nicht diskutiert wurden. und was der mp3-player von mercedes riederer mit neuen technologien zu tun hat, erschloss sich mir auch nicht so recht.
herzliche grüsse
michael kausch
Tapio Liller 9. Juli 2008 um 13:25
Media coffees haben offensichtlich ortsunabhängig etwas von Elefantenrunden. Und dazu spielen die Elefanten noch Beamtenmikado. Wer sich zuerst bewegt (in Sachen Netz) verliert. Dabei haben sie alle schon verloren. Dazu auch hier:
http://www.opensourcepr.de/2008/07/09/elefantenrunden-im-medienglashaus/
verleger 9. Juli 2008 um 14:03
wieder mal ein beleg mehr, dass es sich nicht lohnt auf solche veranstaltungen zu gehen..da wundert man sich, wie die leute teams führen können, mit einer deartigen geringen sachkenntnis zudem graut es mir, wenn ich einen dirk ippen über internet reden höre… das klingt wie wenn helmut kohl über progressiven technobeat referiert.
Bettina Müller 9. Juli 2008 um 14:15
Die Anwesenheit beim Media-Coffee war aus vielerlei Hinsicht interessant: Nicht das meine Erwartungen insichtlich des Themensettings wirklich erfüllt worden wären. Dennoch waren die Aussagen der Teilnehmer und die nicht gestellten Fragen aus dem Publikum sinnbildlich für die tiefe Diskrepanz innerhalb der Branche und die Unsicherheit vieler Medienschaffenden bezüglich der Frage, wohin die Reise durch\’s WordWideWeb uns führen wird.
Dass sich Frau Riederer mit Ihrem iPod-Eröffnungskommentar den Respekt des Publikums, als auch ihrer Mitdiskutanten mit einem Schlag verspielte, hatte eine spürbare Tragik, die im Verlauf der Veranstaltung durch weitere Kommentare, wie: \“Wenn ich gewußt hätte, dass Sie mich das fragen, hätte ich das vorbereitet\“, fast komödienhafte Züge bekam.
Erschreckender als Frau Riederers Unkenntnis im in gewissen Bereichen empfand ich allerdings die generelle Unwissenheit einiger Podiumsteilnehmer bezüglich aktueller Trends und Entwicklungen in der Medienbranche.
Dass der Chefredakteur eines Printmediums keine richtungsweisende Vision in Bezug auf Web 2.0 bzw. Web 3.0 hat, ist bis zu einem gewissen Teil verständlich, wenn auch in der heutigen Zeit fahrlässig.
Von dem Chefredakteur eines Online-Mediums und dem Geschäftsführer einer renomierten Nachrichtenagentur darf und muss man allerdings bei einer solchen Debatte mehr erwarten, als die Klage über starre Arbeitszeitmodelle und den Hinweis auf Matrixstrukturen.
Das Mediennutzungsverhalten ändert sich, ebenso wie das Musiknutzungsverhalten, exorbitant. Das gilt im Übrigen nicht nur für die vielzitierte jüngere Zielgruppe, sondern zieht sich durch alle Altersgruppen und Bereiche. Beispielhaft hierfür, das erfolgreiche Portal \“Feierabend.de\“. User sind die selbsternannten \“best ager\“, d.h. die Zielgruppe 50+, welche zunehmend auch für die Vertriebs- und Anzeigenstrategen interessant werden.
Beim diesem Media-Coffee kamen einige relevante Themenaspekte leider nicht zur Sprache, wie z.B. die Auswirkungen des demographischen Wandels auf das Mediennutzungsverhalten, das sich in Deutschland sicher anders entwickeln wird als in Staaten, die nicht der Problematik einer stetig alternden Gesellschaft unterliegen.
Frank Schirrmacher hätte als Diskutant in dieser Runde vielleicht einige neue Aspekte einzubringen gehabt, die so weder von Herrn Geffken noch von den Podiumsteilnehmern thematisiert wurden.
Giesbert Damaschke 9. Juli 2008 um 15:55
Bei 3.06 kann man eine interessante URL sehen:
www.blog.handelsblatt.de
Hm.
Ansonsten muss das ja eine grauenhafte Veranstaltung gewesen sein. Gut, dass ich meine Einladung verbaselt hatte.
Giesbert Damaschke 9. Juli 2008 um 16:03
ach, eins noch – man muss nicht nur mit \“dem iPod zurecht kommen\“, sondern auch mit iTunes und einem Computer : *Diese* Hürde kann durchaus so hoch sein, dass sie abschreckend wirkt (auch wenn es sich dabei um eine scheinriesige Hürde handelt. Aber das weiß man ja nicht, so lange man sich ihr nicht nähert).
Anke R. 10. Juli 2008 um 9:49
Lieber Herr Knüwer, viel Mut gehört nun nicht dazu, als Vertreter der vermeintlichen Zukunft ungeniert gegen die Vertreter der vermeintlichen Vergangenheit anzustinken, zumal wenn diese sich auch noch schamlos in einem Satz als total von gestern outen. Dennoch habe ich großen Respekt vor Ihrer Sachkenntnis und ihren kritischen Anmerkungen zu Ihren Diskussionspartnern und deren tatsächlich bedenklichen Positionen. Wo aber bleibt denn Ihr Respekt vor der Generation, die Sie als jugendlich und medienkundig bezeichnen, wenn Sie sich selber im nächsten Satz dazu zählen? Sorry, aber wie alt sind Sie denn?
Sie schließen außerdem von Ihren eigenen Gewohnheiten auf die Mediennutzung Jugendlicher. Haben Sie sich in diesem Zusammenhang einmal mit Zahlen auseinandergesetzt? Es gibt Marktforschungsinstitute, die das professionell untersuchen. In einer relativ aktuellen Studie hat Ingo Barlovic von eben einem solchen Institut überraschenderweise festgestellt, dass Jugendliche durchaus fernsehen und – man höre und staune – auch das Radio nutzen. Diese Jugendlichen beurteilen sowohl die Medien selber als auch die Werbewirkung der beiden alten Hündchen Hörfunk und Fernsehen deutlich besser als bislang angenommen.
Also, Gesagtes (glaubwürdig und fundiert) zu dokumentieren ist eine Aufgabe, der sich die Vertreter der neuen Medien ebenso intensiv widmen sollten wie die der klassischen! Ansonsten wird Gesagtes schnell zu allgemeinem Blabla – egal ob in einem Blog, einer Zeitung oder der Tagesschau.
Youngster (?) 10. Juli 2008 um 10:14
Zugegeben: Gestern lief absolut nichts im TV ab 20.15, also: ab zu YouTube und die drei aktuellen Folgen von Kalkofes Mattscheibe reingezogen, ohne Werbung, bei evtln. Unterbrechungen einfach auf die Pause-Taste… kommt vor, ist aber nicht die Regel (meinerseits).
Thomas Knüwer 10. Juli 2008 um 10:15
Liebe Anke R.
ich habe Respekt vor Älteren. Ich habe aber keinen Respekt vor Älteren, die mit der Begründung, ihnen falle etwas schwer ihre Pflicht als Vorgesetzter vernachlässigen. Wenn der Stellenabbau wegen Fehlern der Vorgesetzten kommt, dann leiden nämlich in der Regel die Untergebenen.
Wem das Chefsein mit all seinen verbundenen Folgen zu schwer ist, der möge bitte solch einen Posten nicht übernehmen. Das ist eine Frage des Respekts gegenüber den Mitarbeitern.
Mein Mediennutzungsverhalten ist übrigens eher altmodisch. Aber deshalb beobachte ich trotzdem das Verhalten der Jüngeren. Wollen Sie ernsthaft behaupten, das Mediennutzungsverhalten ändere sich nicht rasant?
Youngster 10. Juli 2008 um 12:39
@Herr Knüwer
Tatsache ist doch aber auch, dass ein neues Medium noch nie ein altes verdrängt hat. Die Zeitung gab es immernoch, trotz Radio und hat es nicht substituiert sondern komplementiert. Genau wie das TV: Deswegen gab es doch immernoch weiterhin TZ/ZS/HF. Und jetzt das Web… es wird die anderen Medien ergänzen, aber nicht verdrängen. Wie schon gesagt: technisch wird vielleicht alles aus einer Dose (TAE) kommen, so dass eine definitorische Trennung Web/Rundfunk schwierig wird. Aber sie werden weiterhin Bestand haben – nur nur durch Live Sport oder Casting-Shows (zu denen doch noch immer 10.000e von Teenies und nicht-mehr-Teenies kommen, siehe DSDS, Popstars etc.).
Thomas Knüwer 10. Juli 2008 um 13:19
Alt bekanntes Argument. Doch das übersieht einen wichtigen Punkt. Das Web ist das erste Medium, das die Grenzen zwischen Kommunikations- und Sendungsmedien überspring.
Früher war klar: Es gibt Sendungsmedien, bei denen einer (wobei einer auch eine Redaktion sein kann) an viele sendete. Und es gibt Kommunikationsmedien, die sich fast immer auf eins-zu-eins beschränkten, dafür war aber ein gegenseitiges Senden und Empfangen möglich.
Entsprechend wussten wir eine Botschaft allein dadurch zuzuordnen, über welches Medium sie uns erreichte. Wenn Muttern sagte: \“Alles wird gut\“, dann wussten wir \“Ich bin gemeint\“. Wenn Nina Ruge sagte \“Alles wird gut\“, wussten wir \“Jemand wie ich ist gemeint.\“
Das Web ist das erste Medium, dass auf Sender- wie Empfänger-Seite die Zahl der Beteiligten beliebig varrierbar macht. Und die direkte Kommunikation mit beliebig vielen Personen und Institutionen ermöglicht.
Diese Veränderung ist epochal. Und deshalb sind stehen alle Vergleiche mit der anderen Medien auf wackeligen Beinen: Sie bezogen sich immer auf Weiterentwicklungen im Kanal \“Sendungsmedien\“ oder \“Kommunikationsmedien\“.
SvenS 10. Juli 2008 um 14:56
@Youngster
Es ist sicher richtig das bisher(!) noch kein neues Medium ein Altes verdrängt hat. Das ist aber meines Erachtens im Falle des Internet etwas anderes. Als das Radio aufkam hat es die Zeitung das Buch nicht verdrängt, weil es kein geschriebenes und dauerhaftes Wort übertragen kann. Das Fernsehen hat das Radio nicht verdrängt, weil es bewegte Bilder überträgt die eben nicht immer und überall konsumiert werden können. Die Zeitung konnte das Fernsehen nicht verdrängen weil die Qualität zu schlecht ist um größere Texte dort zu lesen (um es malk zu vereinfachen). Das Internet kann aber Text, Bilder, Ton und Bewegtbilder in nahezu beliebiger Qualität übertragen. Es ist nur eine Frage des Endgerätes wie gut die Darstellung ist. Entsprechende Endgeräte sind technisch heute entweder schon verfügbar oder möglich. Es hat jetzt 15 Jahre gedauert, um das Internet von einem \“Spielzeug\“ von Nerds und Wissenschaftlern zu einem Massenmedium zu machen. Um das Internet allgegenwärtig zu machen musste und muss aber die Infrastruktur ausgebaut werden. Drahtlose Techniken sind dazu der Schlüssel. Der einzige Hemmschuh der mobilen Internetnutzung ist momentan noch der Preis für die Datenübertragung. Aber der sinkt beständig und der Tag an dem ein Datentarif selbstverständlich zu einem Mobiltelefon gehört ist nicht mehr weit, wir sprechen hier wohl höchstens von wenigen Jahren. Später wird man wahrscheinlich festhalten, dass die wirkliche Revolution durch das Internet mit den mobilen Geräten und Diensten einsetzte. Warum? Weil dann nur noch ein flexibles Display ausreichender Größe an das Smartphone angeschlossen sein muss und schon sind Zeitungen und Magazine auf Papier ersetzbar. Radio und Fernsehen sind heute schon durch Ipod, Notebook mit DVD, DVB-T, Smartphones und PDAs allgegenwärtig. Ein Blick in einen beliebigen Penderzug der Bahn reicht aus um das zu bestätigen. Der durchschnittliche Pendlerzug transportiert heute wahrscheinlich mehr Rechenpower und Speicherkapazität als der durchschnittliche Supercomputer vor 10 Jahren hatte.
Wenn die klassischen Medien das nicht erkennen und durch aktive Teilnahme darauf reagieren, dann werden sie in der Zukunft einfach verschwinden. Das halte ich auch nicht für tragisch, sondern den Lauf der Welt.
Man frage mal Hufschmiede, Kutschenfabrikanten oder Stangeneislieferanten. Alles einstmals angesehene Berufe die wegen des technologischen Wandels entweder komplett oder in einer Nische verwunden sind. Und genauso wird es Zeitungen, Magazinen, Radio und Fernsehsendern ergehen wenn sie nicht auf den Wandel der möglichkeiten reagieren. Um die die das bis heute nicht wahrhaben wollen und alles zur Bewahrung des status quo tun ist es dabei nicht schade.
Youngster 10. Juli 2008 um 16:24
Da ist sicher was dran. Obwohl ich selbst aktuell mir diese Technik gar nicht leisten kann. Auch ein wichtiges Argument, wie ich denke. Die Gebühren für mobiles Internet usw., Handy mit DVB-T Receiver, einen schönen IPTV-Anschluss + Festplatten-Recorder (Bereich TV jetzt) usw. auch eine Frage des Geldes… Allerdings ist zu vermuten, dass diese Gebühren aufgrund des Konkurrenzdrucks sinken werden. Internet/Telefonie ist ja jetzt schon billig wie nie zuvor…
@Herr Knüwer: Welcher Ihrer Blogs hatte eigentlich die meisten Kommentare oder anders gefragt: Fast 50 Kommentare zu diesem Thema – wie macht sich die Diskussion im Gesamtvergleich? 😉
Thomas Knüwer 10. Juli 2008 um 16:27
So viele Kommentare hatten schon einige meiner Beiträge. Nichts aber toppt \“Germany\’s Next Topmodel\“…
Johannes F. Woll 10. Juli 2008 um 21:50
Ich war auch dort. Und hatte den Eindruck, der einzige Leser unter vielen Journalisten zu sein. Kam mir vor, wie im falschen Film. Als wäre ich durch ein Wurmloch in die Vergangenheit gepurzelt. Ihre dringlichen, ja fast dramatischen Einwürfe, lieber Herr Knüwer, ernteten leider so viele sympathische Lacher aus dem Publikum, dass ihr Ernst gar nicht verstanden wurde. Fast erleichtert schienen mir da die Blattmacher, als Sie dem Fernsehen (nicht dem Print) das baldige Ende prognostizierten. Fast kafkaesk!
Für den ganzen Abend und das Thema sind aus meiner Sicht zwei Momente bezeichnend:
1.) Als ich Klaus Eck vom PR-Blogger Tage zuvor frug, ob er nicht auch kommen wolle, interessierte er sich kurz für das Thema. Auf meine Antwort, es ginge um das, was von Print, TV und Radio übrig bliebe, sagte er rasch und fast freundlich schroff ab: Da müsse er nicht hin, er wüsste schließlich, dass NICHTS übrig bliebe (hier muss ich den augenzwinkernden Unterton allerdings hervorheben).
2.) Nach der Veranstaltungen hielten 250 Journalisten Saftglas, Weinkelch oder Stulle in der Hand, nur einer – nebenbei: ein Blogger – ein Mikro: Peter Turi war\’s, der die Referenten interviewte: Natürlich mit Ton und Bild vor laufender Kamera. Da stellt sich mir nicht mehr die Frage, welche Medien bzw. welche Berichterstatter überleben werden.
Gerald – hyperkontext 5. August 2008 um 11:27
Bezugnahme:
Juli 2008 im Kontext (Abschnitt 3)
http://hyperkontext.at/weblog/artikel/juli-2008-im-kontext/P2/
[…] Thomas Knüwer hat es mit Chef-Studien beim Media Coffee wieder einmal auf den Punkt gebracht. \“Lebenslang lernen sollen die anderen\“ […]
Radicke 15. September 2008 um 23:42
Jung oder nicht – ich mag es nicht, wenn Leute in Vorträgen oder Diskussionen sitzen und auf ihren laptops rumhacken… Man kann nicht wirklich gut zuhören und tippen, meine ich…
Von hinten sieht man dann häufig, dass die Leute ihre emails checken oder sonstwas machen… dann können die auch rausgehen und klickern nicht auf den Tastaturen rum…