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Man liest und schüttelt den Kopf. Ungläubig ob der Auflistung. Der Medienwissenschaftler Horst Müller hat die umstrittene ARD-Dokumentation „Quoten, Klicks und Kohle“ im Auftrag der Landesanstalt für Medien Rheinland-Pfalz untersucht. Und noch einmal, wie schon beim ersten Betrachten bin ich baff ob Auflistung von Verfehlungen, die ich nicht mit Journalismus verbunden sehen möchte. Wäre es nicht so traurig, man könnte darüber lachen, was Horst Müller da geschrieben hat.

Hier ein paar Passagen aus dem Gutachten, das hier online vollständig zu lesen ist:

„Zu Beginn des Features wird behauptet, dass „Anfang März“ eine Zahl veröffentlicht wurde, die Programmmacher aufschreckt: „Erstmals seit vielen Jahren sinkt der Fernsehkonsum in Deutschland. 208 Minuten verbringt jeder Deutsche im Durchschnitt vor dem Fernseher“… Auch wenn es nicht Aufgabe dieses Gutachtens ist, die Richtigkeit der Inhalte der Sendung zu überprüfen, fällt auf, dass die vermeintliche Aktualität dieser Information tatsächlich nicht gegeben ist. Da vom Autor keine Quelle für diese Angabe gemacht wird, ist davon auszugehen, dass es sich bei dem genannten Wert um den durchschnittlichen täglichen Fernsehkonsum der Deutschen aus dem Jahr 2007 handelt, der von der GfK-Fernsehforschung per 27. Dezember 2007 ermittelt -, Ende Dezember 2007 von der Nachrichtenagentur dpa verbreitet – und von mehreren Medien veröffentlicht wurde…

Bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel missachtet der Autor… das Gebot zur sachlichen Berichterstattung…

Bei der zuvor geschilderten Schlussfolgerung des Autors handelt es sich um eine Meinungsäußerung, die als solche nicht gekennzeichnet ist und demnach unter anderem gegen die ARD-Richtlinien verstößt…

Diese Aussagen sind für den Zuschauer so kaum nachvollziehbar oder gar einzuordnen, da Vergleichszahlen und Rahmendaten fehlen…

In diesem Kapitel verlässt der Autor die Position des neutralen Berichterstatters und macht sich in Sprechertexten und Fragestellungen, einschließlich Suggestivfragen, zunehmend die Positionen der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu eigen. Damit verstößt er gegen die journalistischen Gebote der Ausgewogenheit…, Sachlichkeit… , Ausgewogenheit sowie die erforderliche Trennung von Information
und eigener Meinung…

Fehlende Objektivität und Ausgewogenheit zeigt der Autor auch bei der Auswahl der Interviewpartner…

Journalistische Geflogenheiten und die entsprechende Regelung aus den ARD-Richtlinien… ignoriert der Autor bei einem – offenbar überfallartig geführten – Interview mit einem – namentlich nicht genannten – Mitarbeiter in der Redaktion des Internetportals Zoomer.de: Obwohl der angesprochene Mitarbeiter äußert „Ich weiß nicht, ob ich der richtige bin, der dazu gefragt wird“
zeigt der Autor den offenbar verunsicherten jungen Mann neun Sekunden lang schweigend im Bild und stellt eine Nachfrage, die der Angesprochene wiederum nicht beantworten kann. Eine solche Handhabung hat in einem seriösen journalistischen Feature schon aus Rücksicht auf die Persönlichkeit des Gesprächspartners nichts verloren und verstößt unter anderem gegen die ARD-Richtlinie „Anforderungen insbesondere an Informationssendungen und -angebote“ in der es unter anderem heißt: „Personen, die um Mitwirkung an einer Sendung gebeten werden, dürfen über Art und Zweck ihrer Mitwirkung nicht getäuscht werden.“…

Dieses Kapitel dient offenbar nahezu vollständig der Diskreditierung von privaten Fernsehprogrammen. Ein Bezug zum eigentlichen Thema der Sendung „Digitale Zukunft der Medien“ ist nicht erkennbar…

Erneut ignoriert der Autor in diesem Kapitel eine Reihe allgemein anerkannte journalistische Grundsätze…

Unter Berücksichtigung der Sprechertexte und Fragen des Autors, die offenbar zum Ziel haben, Positionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu befördern, ist auch hier eine fehlende Ausgewogenheit zu registrieren.
Zudem werden Angaben gemacht, die vom Fernsehzuschauer kaum nachzuvollziehen sind…

Mit einem Anteil von insgesamt knapp 50% hat der Autor in Form von Sprechertexten, Moderationen und Fragestellungen „das Sagen“ in dem Feature. Dennoch ist der Anteil der O-Töne in Form von Antworten auf Fragen und Statements mit 45% erfreulich hoch. Die Mischung entspricht durchaus den Anforderungen an ein modernes Feature…

Positive Äußerungen zu öffentlich-rechtlichen Anstalten haben bei der Betrachtung aller Inhalte mit einem Anteil von deutlich über 50% der Sendezeit den weitaus höchsten Anteil…

…sind dafür neben der Herkunft der O-Ton-Geber vor allem die häufig einseitigen Ausführungen des Autors in Sprechertexten, Moderationen und Fragestellungen ausschlaggebend…“

Thomas Leif ist Vorsitzender eines Journalistenbundes, der sich „Netzwerk Recherche“ nennt. In einer Textsammmlung zum Thema Quellenmanagement schreibt Leif:
„Der Medienforscher Lutz Hachmeister hat bei der Wächterpreis-Verleihung der „Stiftung Freiheit der Presse” Anfang Mai in Frankfurt eine wichtige Rede gehalten. Guter Journalismus müsse unabängig von Ökonomie, unabhängig von Public Relations und den Standpunkten der eigenen Medienunternehmen sein.“


Kommentare


BrainBomb 25. Juni 2008 um 13:30

Also ich kenne ja nicht dieses Gutachten im Auftrag der LFM-Rheinlandpfalz, habe aber die Sendung gesehen. Die Ausschnitte aus dem zitierten Gutachten sind – meiner unmaßgeblichen Meinung nach – aber Petitessen. Kaum der Aufregung wert. Beispiel: Überfallartige Interviews kennt man ja auch von Spiegel-TV, gehören dort geradezu zum journalistischen Handwerk. Klar war der Film \“Quoten, Klicks und Kohle\“ etwas polemisch. Aber im Vorfeld waren die öffentlich-rechtlichen von der Verlegermafia ja auch heftigst angegriffen worden. Ich denke soviel Kompetenz sollte man dem Zuschauer zutrauen, dass er einen solchen Film einordnen kann, zumal der relativ spät abends kam und somit wohl nur von am Thema Interessierten gesehen wurde. Die Tatsache, dass sich sogar die LMK mit der Sendung beschäftigt, zeigt, dass die Kritik nichts anderes ist als künstliche Empörung und das Ergebnis der Mehrheitsverhältnisse bei den Bundesländern. Da wird halt solange gebaggert, bis man sich aus Kinkerlizchen einen Skandal gebacken hat.

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Lukas 25. Juni 2008 um 13:46

Dass die LMK überhaupt nicht zuständig ist und dieses Gutachten deswegen reine Wichtigtuerei, halte ich für mindestens erwähnens-, wenn nicht gar empörenswert.

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Chefredakteur 25. Juni 2008 um 14:12

Es stellen sich hier zahlreiche Fragen: Was soll dieses Gutachten? Wird es solche Gutachten jetzt zu jeder politisch-informativen Sendung in öffentlich-rechtlichen Sendern geben? Und untersucht die LMK auch die Beiträge auf Privatsendern? Wer bezahlt das eigentlich?
Wann untersucht eine Kommission die Ausgewogenheit der berichterstattung in FAZ, Handelbslatt und anderswo, wenn es um das öffentlich-rechtliche Fernsehen geht.? Wird auch hier minutiös mitgestoppt, wie oft ein HB-redakteur Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu Wort kommen lässt und zu welchem Thema? Wann gibt es eine öffentliche Untersuchung der Suggestuvfragen von Spiegel-Redakteuren?
der Beitrag von Herrn Leif war keine Glanzleistung, und er hat sich damit als investigativer Journalist selbst ins Bein geschossen, wie Wallraff seinerzeit mit den Geschichten über Call Center und viele andere Online- und Offline-Journalisten. Aber muss es dazu ein Gutachten geben einer Institution, die damit nichts zu tun hat? Muss dieses Gutachten auch noch zur Diskussion gestellt werden? Das Thema Internetpräsenz der öffentlich-rechtlichen Sender ist sehr komplex, rechtlich heikel und alles andere als eindeutig. Fast jeder angestellte Journalist, der sich zu diesem Thema äußert, ist Partei. Dass man das so offensichtlich zeigt wie Leif, ist doof, aber nicht weiter schlimm. Der Zuschauer merkt es und denkt sich seinen Teil. Das Ganze als Beweis für die Richtigkeit eines persönlichen Feldzugs zu nehmen, wie hier geschehen, geht aber doch zu weit.

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weltherrscher 25. Juni 2008 um 15:35

hier zu kommentieren fällt langsam aber sicher echt schwer, weil:
http://www.dieweltistscheisse.de/2008/06/25/indiskrete-verwirrung/

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Thomas Knüwer 25. Juni 2008 um 15:48

Ich habe diesen Kommentar gerade beim Weltherrscher hinterlassen. Der Vollständigkeit halber setze ich ihn hier ebenfalls rein:

Lieber Weltherrscher,

wieder einmal muss ich mich für unseren Dienstleister entschuldigen. Aber es wird alles besser. Bald, aber ein wenig braucht es noch. Weitere Klagen, Missmutsäußerungen und Beschimpfungen bitte an unseren Online-Chef Julius Endert.

Was Thomas Leif betrifft: Ich habe ihn noch nie persönlich getroffen, deshalb weiß ich auch nicht, ob ich mit ihm kann. Wenn sich aber jemand als Hüter des investigativen PR-Journalismus geriert und dann solche Klopper abliefert wie diesen Beitrag, dann macht er sich damit bei mir unbeliebt.

Übrigens habe ich auch irgendwann schon mal geblogt, dass ich gar nicht so große Bedenken gegen die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlich subventionierten Privatsender habe. Denn mit ihren verkrusteten Beamtenstrukturen werden sie außerhalb von Mediatheken ohnehin im Netz scheitern. Aber: Es gibt durchaus logische und bitteschön mal bedenkenswerte Argumente gegen eine textbasierte Nachrichtenpräsenz von ARD und ZDF im Netz. Und die wird man dann auch mal diskutieren dürfen.

Und bevor wieder jemand schreit: \“Das hat der Leif doch gemacht!\“ – Nein, hat er eben nicht. Und deshalb war sein Stück kein Journalismus, gab aber vor solcher zu sein. Und das aus dem Kopf eines Mannes, der behauptet, Journalisten betrieben keine PR.

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cvb 25. Juni 2008 um 17:43

Um es vorwegzuschicken: Den Film von Herrn Leif habe ich leider nicht gesehen. Das bedauere ich einerseits, da ich nun über den Inhalt nicht mitdiskutieren kann, andererseits habe ich wohl – so lese ich es aus den Reaktionen auf den Film – wohl auch kein dokumentarisches Meisterwerk verpasst.

Was mir allerdings in diesem Blogeintrag fehlt, ist der Hinweis darauf, dass

– die betreffende Landesanstalt für Medien für die Beurteilung öffentlich-rechtlicher Filme in keiner Weise zuständig ist
– und dass die betreffende Landesanstalt selbst in dem Film heftig kritisiert wurde.

So habe ich es jedenfalls in einem anderen Artikel gelesen. Als Außenstehender kann ich das Gutachten deshalb nicht ernstnehmen – das ist genau der gleiche Fehler, den die ARD mit einem Film macht, der ihre Online-Aktivitäten in ein positives Licht rückt.

Vielleicht sollte nicht nur der SWR Rundfunkrat und eine kritisierte Landesmedienanstalt den Film beurteilen, sondern mal jemand unabhängiges.

(Dadurch, dass Sie nur das Gutachten zitieren, aber mit keinem Wort auf die Interessenskonflikte eingehen, sind Sie das leider auch nicht, Herr Knüwer)

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Stefan Kaufmann 25. Juni 2008 um 18:59

@Chefredakteur: Natuerlich _muss_ das Gutachten nicht zur Diskussion gestellt werden. Der tolle Aspekt am Internet ist doch aber, dass es zur Diskussion gestellt werden _kann_.

Um so beispielsweise anzumerken, in welchem Zusammenhang mit dem Filmbeitrag die Auftraggeberin des Gutachtens steht.

Und um festzustellen, dass es parteiischen, voreingenommenen, unsauberen Journalismus hueben wie drueben gibt, auf beiden Seiten der Demarkationslinie zwischen dem oeffentlich-rechtlichen und dem privat finanzierten Lager.

Manchmal habe ich den Eindruck, die Berichterstattung in gleich welchem Medium wird erst durch die anschliessende Zerpflueckung im Netz geniessbar.

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salongo 25. Juni 2008 um 20:43

Ich werde spaßeshalber mal den einen oder anderen deiner Beiträge nach den Kriterien des gutachtenden Medienwissenschaftlers bewerten.
@Lukas: Vielleicht hat die LMK das Gutachten ja in Auftrag gegeben weil in dem Leif-Film die LMK in Verbindung mit Korruption gebracht wurde.

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Axel 26. Juni 2008 um 9:19

Na, da haben die Kollegen Hanfeld & Co. bei FAZ, Handelsblatt, Spiegel etc. pp. aber Glück gehabt, dass ihre Propaganda-Machwerke im Verleger-Auftrag niemand mal genauer unter die Lupe genommen hat.
Denn wenn die Artikel dieser \“Journalisten\“ Ausdruck des sogenannten \“Qualitätsjournalismus\“ der vermeintlich ach so freien Presse sind, dann hat diese Presse in den vergangenen Monaten eindrucksvoll bewiesen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Ausgleich bitter nötig ist.
Daran ändern auch schlechte Filme von Herrn Leif nichts.

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Thomas Knüwer 26. Juni 2008 um 10:15

Ist das ein Argument, Axel? Wenn die bösen Privaten unsachlich werden, darf ich das auch? Nein. Dürfen die Öffentlich-Rechtlichen eben nicht. Sie müssen sich gerade anders verhalten.

Interessant ist auch, dass die Verfechter des ÖR-Internet immer von Propaganda von Seiten der Verlage reden, aber nie auf deren Argumente eingehen. Das wäre nämlich mal interessant. Es gibt ja durchaus Argumente pro und contra ÖR-Web-Aktivitäten. Wenn, zum Beispiel, die ARD und ZDF ihre Inhalte immer in dem Medium verteilen dürfen, das sich die Nutzer wünschen, dann dürfen sie auch Zeitungen machen. Und kostenlos Musik verschenken. Und Gratis-DVD unters Volk geben.

Das kann man gut finden. Man kann sich aber eben auch fragen, ob dies das Ziel bei der Gründung von ARD und ZDF war.

Einige Kollegen kommentieren deftig und mit guten Argumenten. Einige tun das nicht. Auch ich finde Michael Hanfelds Kommentare problematisch. Im Gegenzug aber schreibt er auch sachliche Nachrichtengeschichten. Und das unterscheidet ihn derzeit von der Berichterstattung aus den öffentlich-rechtlichen Häusern: Aus deren Redaktionnen sehe ich derzeit nur gespindoktorte Berichterstattung.

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Marc 26. Juni 2008 um 16:41

@Axel: Zwischen Verlegern und ÖR besteht ein fundamentaler Unterschied. Die Rundfunkgebühr. Wenn mir die Artikel oder Kommenatare in einer zeitung oder einem Nachrichtenmagazin nicht mehr gefallen (unterirdisch, einseitig, andere Meinung, handwerklich Murks etc.) dann kaufe ich beispielsweise das Handelsblatt nicht mehr. Dafür kann ich aber dann aber Spiegel, Focus etc. kaufen. Frag\‘ mal beim Stern nach, was nach den falschen Hitlertagebüchern die Auflage machte.

Wenn mir bei den ÖR was nicht gefällt (unterirdisch, einseitig, andere Meinung, handwerklich Murks, Beckmann, Kerner, Gottschalk, Waldemar Hartmann etc.) dann habe ich nur hopp oder topp. Entweder schlucke ich das und zahle weiter GEZ oder ich melde meinen TV ab. Allerdings kann ich dann nicht Pro Sieben etc. gucken.

Solange die ÖR zwangsgebührenfinanziert sind, werden sie an harten Maßstäben gemessen. Und das sie sich als die Gralshüter der Qualität aufspielen, bekommt man halt Fehler gleich aufs Brot geschmiert.

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Marc 26. Juni 2008 um 18:39

Und: Warum soll ich etwas bezahlen, was Dir, aber nicht mir gefällt?

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Axel 26. Juni 2008 um 19:20

@ Thomas

Nein, es sollte kein Argument sein, sondern zeigen, dass es da zwei Seiten gibt, die sich evtl. ähnlicher sind, als man so denkt.
Und – mit Verlaub -, dass nicht auf die \“Argumente\“ eingegangen wird, stimmt einfach nicht. Wenn zudem mit Unterstellungen gearbeitet wird, kann auch kaum noch argumentiert werden. Was jedoch stimmt, ist, dass sich viele ÖR-Chefs in Interviews und bei Diskussionen nicht grade geschickt verhalten haben.
Und was wir bitte nicht vergessen dürfen: Da gibt es ein schlechtes Feature von Herrn Leif, das zudem zu nachtschlafener Zeit gesendet worden ist (also vermutlich fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Dann gab es da noch einen alarmistischen Panorama-Beitrag (15. Mai). Zwei Beiträge!
Dem standen wie viele Artikel gegenüber, die mit Schaum vorm Mund geschrieben worden sind? Ich würde mal ganz ungeschützt auf mindestens 20 bis 30 im Laufe der vergangenen drei-vier Monate tippen.
Nein,das soll auch nicht der Versuch sein, schlechte Rundfunkbeiträge und schlechte Artikel gegeneinander aufzurechnen – aber man sollte sich mal die Dimensionen vor Augen halten und überlegen, welche Propaganda das Publikum wohl eher mitbekommen hat.

Und was Deinen Hinweis auf potenzielle ÖR-Zeitungen, -Musik und -DVDs angeht: Grade Du weißt doch ganz genau, dass es hier nicht um irgendwelche Zusatzgeschäfte, sondern einen medialen Paradigmenwechsel geht. Die schöne analoge Welt, in der die Zeitung auf Papier gedruckt, die Tagesschau im Fernsehen gezeigt und die Top Ten im Radio gespielt wurde, ist vorbei.
Jetzt publizieren wir alle im Internet. Und hier regieren Long Tail, Facebook, Hulu, Twitter & Co – nicht ARD und ZDF.

@ Marc
… komischerweise schmückt sich doch momentan grade die Printbranche mit dem Kampf-Titel \“Qualitätspresse\“, die den ÖR im Netz längst überflüssig gemacht hat. Was für ein Quark das ist, zeigt nicht nur täglich das Online-Leitmedium SPON in den Untiefen des Boulevards (ich sag\‘ nur \“Girls and Guns\“ – http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,490786,00.html), sondern auch die bereits erwähnte \“Schaum-vorm-Mund\“-Kampagne bei FAZ, SPON & Co. Und das hat nix mit dem Finanzierungsmodell zu tun. Darüber kann man auch trefflich streiten, aber das hat mit der Diskussion auf dieser Seite ausnahmsweise nichts zu tun.

Außerdem: Hier geht es nicht darum, ob jemanden ein Artikel oder ein Rundfunkbeitrag ganz subjektiv nicht gefällt. Es geht um journalistische Standards, die hüben wie drüben gerne mal vergessen werden, wenn die Chefs Druck machen und/oder die Angst um die eigene berufliche Zukunft einem den Griffel führt.

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Axel 26. Juni 2008 um 19:32

@ Marc (der gleiche wie darüber?)

Du schreibst:

\“Und: Warum soll ich etwas bezahlen, was Dir, aber nicht mir gefällt?\“

Vielleicht weil es da einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag gibt, den auch das Bundesverfassungsgericht erst im vergangenen September ausdrücklich bestätigt hat.

Das darüber hinaus Deine rhetorische Frage wenig zielführend (und extrem egoistisch) ist, zeigt sich auch daran, dass man auf dem gleichen Niveau mit dieser Gegenfrage antworten könnte:

Und warum sollte von meinem Geld das Kindergeld für Deinen Nachwuchs bezahlt werden? Ich habe keine Kinder und für meine Rente kann ich schon ganz gut selber sorgen.

Die Antwort lautet natürlich, dass es gesamtgesellschaftliche Ziele gibt, für die alle etwas beitragen müssen – meist in Form von Steuern und auch, wenn sie im Einzelfall nix davon haben. Ein überzeugter ÖPNV-Nutzer wird auch nur zähneknirschend hinnehmen, dass von seinen Steuern Autobahnen gebaut werden.

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salongo 27. Juni 2008 um 22:34

Ich habe das Gutachten jetzt gelesen und empfehle jedem das auch zu tun. Die Maßstäbe dieses Gutachtens konsequent anzuwenden bedeutet das Ende des Journalismus wie wir ihn heute kennen. Ein Prof der an seiner FH Redaktionspraxis lehrt, sollte etwas mehr von der Praxis wissen. (Der letzte Satz wäre laut Gutachten vermutlich eine unzulässige Meinungsäußerung mit ehrverletzendem Charakter)

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Digital Tom 27. Juni 2008 um 22:34

@ Axel: aber genau das ist doch das Problem: wo, bitte, ist der gesamtgesellschaftliche Zweck von Sendungen wie der hier diskutierten? Worin liegt der gesamtgesellschaftliche Zweck von mit Product-Placement verseuchtem Dreck wie Marienhof oder dem Schlachthof der guten Laune? Welchen gesamtgesellschaftlichen Zweck erfüllen denn bitte die ÖRs im Internet – außer dem, dass ich für meinen PC Gebühren bezahlen muss?

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Marc 29. Juni 2008 um 13:33

Steuern und Rundfunkgebühren sind aber nicht dasselbe. Steuern sind nicht zweckgebunden, die Zahlungen an die GEZ schon.

Warum verschlüsseln ARD und ZDF nicht ihr Programm wie Premiere? Ich darf es doch eh nur gucken, wenn ich an die GEZ zahle. Da einen Decoder zwischenzuschalten ist doch nur eine technische Sicherung gegen Schwarzseher.

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peter neumann 1. Juli 2008 um 16:13

Eine Anmerkung noch als sozusagen Betroffener der \“Recherche\“ von Herrn Leif und den journalistischen Gepflogenheiten, die dieser \“Kollege\“ an den Tag legt:

Thomas Leif hat bei den Interviews, die er in der Redaktion geführt hat, mit keinem Wort gesagt, um was für eine Fragestellung es ihm ging. Im Gegenteil: Er hat mehrfach gesagt, dass er einen Bericht über zoomer.de dreht. Natürlich hätte er auch drehen dürfen und sollen, wenn er das wahre Ziel seiner Fragen offenbart hätte. So ist es einfach nur mieser Stil.

Was allerdings journalistisch gar nicht geht, ist folgendes: Der Kollege, den er interviewt hat und der auf seine erste Frage hin nicht wirklich ein glückliches Bild abgab, hat später durchaus inhaltlich und sachlich Auskünfte gegeben und die Fragen von Thomas Leif bestens beantwortet. Er HATTE Aussagen zu den Fragen, die er gestellt hat und das von genau DIESEM Interviewpartner. Allerdings: DIESEN Teil des Interviews hat Herr Leif schlicht ignoriert und weggelassen.
Das ist keine lässliche Sünde, wie es hier in den Postings manchmal klingt. Das ist journalistisch schlicht inakzeptabel. Aussagen, die man haben wollte und hat, nicht zu senden, aber den Eindruck zu erwecken, es gebe diese Aussagen nicht oder man habe sie zumindest nicht bekommen, ist das gleiche, wie vor Gericht Beweise nicht zu suchen oder zu unterdrücken, wenn sie einem nicht in die Beweisführung passen oder die Unschuld des Angeklagten beweisen.

Das Ziel ist klar: Den Kollegen, das Portal und den Verlag/die Verleger schlecht aussehen lassen. Und das kann nicht das Ziel des ach so hehren journalistischen Anspruches der ARD sein.

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Mia Paluschke 2. Juli 2008 um 13:38

Schöne Diskussion hier, danke dafür – das muss auch mal gesagt werden 🙂

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Rico Schröder 12. Juli 2008 um 21:09

Dieser vom achso investigativ arbeitenden Herrn Leif abgelieferte Beitrag war eine absolute Frechheit, vor allem wenn es stimmt, was mein Vorredner Peter Neumann geschrieben hat. Wer einerseits altkluge Institutionen wie das Netzwerk Recherche erschafft und den Zeigefinger für sauberes journalistisches Arbeiten schwingt, kann einfach nicht genau jenes Arbeiten bei Projekten wie diesem Film außer acht lassen. Und wenn wir schon mal beim von meinem Vorredner angesprochenen hehren journalistischen Anspruch sind: auf dem Blog von Message sind einige aktuelle Beispiele von Schleichwerbung bei den ÖR beschrieben – und dabei dachte man doch, die hätten dieses Thema nun endgültig durch. Wen\’s interessiert:
http://www.message-online.com/blog/2008/07/09/befangenheit-auf-allen-seiten/
Ohne Worte…

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Peter Neumann 22. Juli 2008 um 12:28

Die Beispiele aus der Entstehung der Sequenz über zoomer.de stimmen. Ich war selbst dabei.

Natürlich kann ich Herrn Leif auch nicht zwingen, das Interview mit dem Kollegen ganz zu senden. Aber die Teile auszusuchen, bei denen der Mann besonders alt aussieht, das ist nicht nur journalistisch äußerst fragwürdig, sondern auch in höchstem Maße menschlich daneben.

Mit jungen und unerfahrenen Kollegen kann man\’s ja machen. Mit dem Chef einer Medienanstalt oder gar einem Politiker würde er das mit Sicherheit nie tun. Da heißt es dann immer schön: Das schneiden wir dann schon.

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