Skip to main content

Erinnern Sie sich noch an die wackeligen Youtube-Videos nach dem Bombenanschlag in London? Haken Sie die schon mal ab als Vergangenheit. Das nächste Mal sind Sie live dabei. Jeder, der sich viel im Netz bewegt, kennt dies BOAH!-Momente. BOAH!-Momente sind jene, wenn einem ein neuer Web-Dienst begegnet, der so unglaublich ist, dass einem der Atem stockt.

So ging es mir mit Qik, jenem Dienst, mit dem ich live von meinem Handy aus ins Internet senden kann, wobei die Zuschauer auf das Display meines Telefons chatten können. Mit der Idee ist Qik nicht mehr allein, der größte Konkurrent heiß Flixwagon. Meine Erfahrung ist allerdings, dass die Videos von Flixwagon qualitativ einen Hauch schlechter sind. Eine Chat-Funktion gibt es leider auch nicht. Ein weiterer Wettbewerber heißt Bambuser und kommt aus Schweden – getestet habe ich den bisher aber nicht.

So oder so: Wofür einst teure Übertragungswagen mit Aufbau- und Kamerateams nötig waren, geht heute (natürlich mit deutlich schlechterer Qualität) mit einem Handy.

Einen Haken hatten beide Anbieter bisher: Sie beschränkten sich auf eine überschaubare Anzahl von Telefonen. Nun aber tut sich etwas. Denn Qik und Flixwagon werden in Kürze Iphone-Versionen starten. Und das Iphone ist nun mal das bevorzugte Telefon der kommunikativen Web-Gemeinde.

Im Juli soll die Test-Version von Flixwagon kommen, meldet Mashable, woraufhin das Blog gleich mal den Zugang zum Iphone-Qik bekam:

Es entstünde eine kuriose Situation. Denn auch das neue Iphone wird keine Video-Funktion habe, so ich das richtig sehe. Und das bedeutet dann: Nutzer können zwar live senden – aber keine Videos machen. Was auch irgendwie BOAH! ist aber mehr BOAH???!?!?!?!?

Beim nächsten Erdbeben oder Terroranschlag steigt also die Wahrscheinlichkeit, dass wir hautnahe Bilder live im Internet sehen. Doch auch Unternehmen können ganz schnell ein Problem bekommen. Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere an die Probleme, die US-Airline Jet Blue am Valentinstag 2007 hatte. Damals sorgten Schneestürme an der US-Ostküste für chaotische Verhältnisse. Eine Bloggerin saß 11 Stunden im Flugzeug auf der zugefrorenen Startbahn von JFK und startete daraufhin das Blog Jet Blue Hostage. Unter den Betroffenen aber waren natürlich auch Leute, die filmten, darunter die Videoblogger von Dadlabs:

Das nächste Mal, wenn Flugzeuge massenhaft am Boden bleiben, die Bahn im Chaos versinkt oder eine ähnliche Krise ausbricht – dann werden wir es auch live sehen. Es wird ein BOAH!-Moment für die Unternehmenskommunikation werden.


Kommentare


Mia Paluschke 13. Juni 2008 um 10:18

🙂 Ja, ich muss zugeben, diese ganzen Technologien entlocken auch mir ein leises \“Boah!\“

Antworten

HG 13. Juni 2008 um 10:41

Und wieder einmal dürfen sich die Medien mit der Frage befassen, wie weit sie das mitmachen wollen. Ich hoffe, nicht allzu weit. So bin ich immer wieder erschreckt über die weitaus krasseren Nachrichtenbilder, die frz. Nachrichtensender ihren Zuschauern im Vergleich zu \“heute\“ oder \“Tagesschau\“ zumuten. Im Klartext: Es reicht mir, über die Kathastrophe in Birma allgemein informiert zu sein. Ich habe darüber hinaus kein Bedürfnis, da (wie vor etlichen Tagen im frz. Fernsehen) aufgequollene Leichname herumschwimmen zu sehen.

Es ist gut, dass es diesen Filter in den Redaktionen der deutschen Nachrichtensendungen gibt, wo genau überlegt wird, was man zeigt und was nicht. Eine derartige Live-Berichterstattung wird diese \“ordnende Distanz\“ möglicherweise verdrängen. Ein Live-Bericht vom nächsten Bahn-Chaos mag ja spannend sein. Aber wo zieht man die Grenze? Man ahnt es: Regeln werden nur für offizielle Medien gelten; sie werden sich auf bestimmte Regeln einigen.

Aber irgendwo in einer Schmuddelecke des Internet kann man dann alles \“live\“ ansehen: Hinrichtungen, Kathastrophen, Kriege. Unsere Kinder werden die Seiten schon finden.

Antworten

Lukas 13. Juni 2008 um 10:50

Ich muss zugeben, dass ich, als ich das erste mal von Qik hörte, den Untergang des Abendlandes unmittelbar bevorstehen sah. Inzwischen habe ich zwar einige spaßige Erfahrungen damit gemacht, aber es gibt immer noch etliche Situationen, in denen ich das für hochgradig gefährlich und unnötig halte. Und da sind die enthirnten Untern-Rock-Filmer in Großraumdiscos und Nahverkehrszügen nur der Anfang.

Antworten

Jochen Hoff 13. Juni 2008 um 10:53

Der arme Herr Jörges vom Stern. Nun hat er doch schon in alle Siele Klappen einbauen lassen damit die Wahrheit nicht ins neoliberale Traumland der Mohns und Co. dringen kann und jetzt das. Nicht nur Leserreporter sondern Leserkameraleute und Lesernachrichtensprecher.

Das Volk berichtet live. Das darf nicht sein. Die Wahrheit muss vorsichtig behandelt werden wie rohe Eier. Die lassen sich auch gekocht viel besser transportieren.

Wo ist Schäuble. Das darf nicht sein. Es muss einfach Grenzen geben. Der Bürger darf die Wahrheit nicht erfahren.

Antworten

Rainersacht 13. Juni 2008 um 11:04

\“Jeder Mensch ist ein Künstler.\“ (Joseph Beuys) Ist jeder Mensch auch ein Reporter? Ich wünsch mir weniger Bilder statt mehr. Zumal von Leuten, die nicht wissen, wie Bilder wirken. Mir wird schlecht…

Antworten

Mia Paluschke 13. Juni 2008 um 11:29

@ Rainersacht: Leider ist jeder Mensch nicht nur ein Künstler, sondern auch ein Voyeur – zumindest scheint es so, siehe Inzest-Fall von Anstetten. Und ob mir nun die BILD die Bilder liefert, oder ein Leserreporter, ist mir persönlich ziemlich wurscht, bzw. da vertraue ich fast schon lieber auf den Leserreporter. 🙂

Antworten

Erik 13. Juni 2008 um 15:51

Da prallen Vorstellungswelten aufeinander. Wenn man das neben die Meldung stellt, dass ARD und ZDF Sportbericherstattungen visueller Art nach kurzer Zeit wieder löschen müssen, wird schon fast satirisch.

http://ringfahndung.de/archives/1000-fans-1000-videos

(anstatt trackback 😉

Antworten

SXSW 2015: Was man so Spaß nennt 23. März 2015 um 14:47

[…] wir mit einem Mal rund 100 Zuschauer. Dabei ist die Idee nicht neu, sondern eine Neuauflage von Qik und Flixwagon (deren Videos inzwischen leider nicht mehr online sind) von vor sechs, sieben Jahren. Nur, war die […]

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*