Manchmal sind deutsche Führungskräfte wie kleine Kinder. Sie halten sich die Ohren zu, damit sie Mamas Anweisungen nicht hören und singsangen gleichzeitig Dinge wie „NANANANANANAAAAAAAAAANANANA“. Wenn Sie einmal sehen möchten, wie eine Interview so richtig vor der Wand landet, dann schauen Sie mal hier:
Dies ist die Keynote des Kongresses SXSW in Austin, Texas. Dort wird Facebook-Gründer Mark Zuckerberg interviewt von der „Business Week“-Kollegin Sarah Lacey – und das Gespräch entgleitet ins Chaos. Sie flirtet mit ihm, dann unterbricht sie ihn, stellt seichteste Fragen – und das vor einem Publikum, das über Twitter zum Mob wird. Erzählungen über dieses bemerkenswerte Ereignis gibt es reichlich.
Und auch die Erklärungsversuche sind Legion. Den vielleicht besten liefert Jason Calacanis, Gründer des Web-Katalogs Mahalo im Rahmen der – übrigens meist sehr, sehr hörenswerten – Podcast-Talkshow Twit: Das Publikum bei SXSW sei eben extrem vernetzt und gewöhnt, zu kommunizieren und Widerworte zu geben. Und es habe das Gefühl, ein Anrecht auf Qualität der Diskussion zu haben, für die man die eigene Zeit investiere. Was mich dann wieder an die Unterschiede zwischen Web-Konferenzen und der Cebit erinnert.
Das aber war jetzt eine lange Vorrede. Wichtiger als dieses Affairchen ist die Reaktion von Mark Zuckerberg. Er hat erkannt – OK, das war auch nicht schwer angesichts des Sturm in Twitter und Weblogs – wie gewaltig dieser Auftritt in die Hose gegangen ist. Und er reagiert, indem er einen für Programmierer gedachten Termin umfunktioniert in eine offene Frage-Antwort-Session.
Wohlgemerkt: Niemand hat ihm die Schuld gegeben für das Desaster. Und solch eine offene Fragerunde hat die Gefahr inne, dass die Fragen extrem kritisch werden. Doch Zuckerberg stellt sich weil er weiß, dass ein Web-Unternehmer, der von der Kommunikation lebt, sich nicht selbst dieser verweigern kann. Und das unterscheidet ihn von den deutschen Gegenstücken. Die kommunizieren nicht, sie schicken Anwälte um scheinbare Gegner abzumahnen, sie setzen dümmliche Sperrfristen für Journalisten, sie schotten sich ab, als seien sie ein Großkonzern. Was sie davon haben? Vor allem einen Schaden für ihr Geschäft. Denn warum sollten die Nutzer eine emotionale Bindung entwickeln zu einem Geschäft, das ihren Wünschen nicht nachkommt? Und deshalb werden sie abwandern, wenn das nächste, bessere Angebot um die Ecke kommt.
Im Internet entscheidet der Kunden. Schlicht und ergreifend. Egal, was das Unternehmen nun mal möchte. Meine Hoffnung, dass ein Großteil der deutschen Web-Manager das mal begreift, ist gering – dazu dauert dieser Prozess schon viel zu lang.
Kommentare
Daniela 11. März 2008 um 11:14
Ist Zuckerberg ein Manager oder ein Unternehmer? Ich denke zwischen einem Web-Manager und einem Web-Unternehmer gibt es spürbare Unterschiede, oder?!
westernworld 11. März 2008 um 11:35
da gibt es aber auch andere stimmen :
http://www.techcrunch.com/2008/03/10/the-nuclear-disaster-at-sxsw-was-nothing-more-than-a-witch-burning/
Tim 11. März 2008 um 12:50
Das ganze Video ist Schrott. Der Sessel der Journalistin extrem unvorteilhaft, die Sitzordnung zum Interviewten daneben. Alles trägt schwarz, vor schwarzem Hintergund, usw. Solche Sachen sind bei der Rezeption ähnlich wichtig wie der Inhalt. Und da kann der Interviewte drauf achten. Normalerweise hat ein Star wie Zuckerberg ein Assistenz, die nur darrauf ebdacht ist, dass es keine medialen Unfälle gibt.
Onyro 11. März 2008 um 13:27
Das Interview war grauenhaft, genauso wie die anschließend bei YouTube und auf der eigenen Twitter-Seite zu bestaunenden Beleidigungen und Erklärungsversuche der \“Journalistin\“, Leute wie Zuckerberg die über Strategien reden kämen eben bei einer Programmiererversammlung nicht gut an. Moderieren kann die Dame leider auch nicht, und so entgleitet die Veranstaltung total. Ich habe schon ein Interview gesehen in dem Zuckerberg von seinem eigenen Venture Capitalisten befragt wurde, und selbst das war trotz weicher Fragen spannender und hat mehr neue Erkenntnisse eingebracht.
Kann übrigends die Einschätzung zu TWIT teilen dank des genialen Computerjournalisten Leo Laporte (hat in den USA einen frühen und besseren Vorläufer zu dem was bei uns vor ein paar Jahren als Giga Internetfernsehen bekannt wurde hochgezogen bevor das leider genauso gescheitert ist. Jetzt macht er eben echtes Web-TV/Radio). Auch wenn mich der grantelnde Gegenpart John C. Dvorak oft nervt.
Tim 11. März 2008 um 13:51
Liegt wirklich an der Journalistin. Das Post-Keynote-Interview ist nicht gehaltvoller.
finance . yahoo. com /tech-ticker/ article/5691/The-Post-Keynote-Interview:-Facebook-CEO-Mark-Zuckerberg;_ylt=AhAH_yvrZ.ewHbMeCvYPRx1k7ot4?tickers=
Onyro 11. März 2008 um 14:08
Die schönste stelle im Interview ungefähr nach 52 Minuten.
Heckler im Publikum: \“Talk about something interesting\“
Antwort: \“Try doing what I do for a living, it\’s not as easy as it looks\“
Publikum: \“Oooohhhh\“
Priceless 😉
Rainersacht 11. März 2008 um 16:16
OMG, der ganze Saal voller Soziophobiker, die sich nur noch per Tastatur entäußern können! Da sollte man mal Anti-Twitter-Störsender installieren oder den Bekloppten ihre Gadgets am Eingang wegnehmen. Vielleich würden die dann einfach mal konzentriert zuhören.
cdv 11. März 2008 um 17:06
Entscheidend ist doch, welchen Stellenwert Unternehmer und/oder Manager der Öffentlichkeit und damit ihren Kunden beimessen. Sollten sie sich in dem Gefühl wähnen, diese manipulieren zu können, haben sie schon auf kurze Sicht verloren. Das ist aber noch längst nicht bei allen angekommen. Denn immerhin gilt bei diesem \“neuen\“ Auftritt auch der ganz wichtige Punkt der Kritikfähigkeit. Und wenn mir die Kunden da auch mal Ärger ins Gesicht werfen, muss ich das künftig aushalten. Und meine Produkte oder Dienstleistungen verbessern.
Christian Scholz 12. März 2008 um 0:52
Wer hier meint, dass das Publikum aus Soziophobikern besteht, muss leider auch noch etwas dazulernen, denn dank dieser Technologien kann man sich ja eben auch während des Interviews austauschen und sich kennenlernen, anstatt nur anonym nebeneinander zu sitzen.Nur weil man Twitter benutzt heisst das ja nicht, dass man sich danach auch persönlich unterhält.
Genau dasselbe passiert ja auch in Second Life, wo man auch gerne mal zu einer Konferenz-Liveübertragung chattet. Also alles andere als soziophobisch.
Sanddorn 12. März 2008 um 9:21
Aber süß ist die Gute schon, scheint nur leicht irritiert davon das der Kerl immer in Richtung Publikum spricht(statt auf ihre Beine zu schauen).
Thomas Knüwer 12. März 2008 um 10:26
Auch Moderatoren solcher Podien können übrigens was daraus lernen: Lass das Publikum fragen. Nicht nur, weil es bezahlt hat, sondern weil es auch verdammt gute Fragen stellen kann. Leider gibts ja meist nur fünf Minuten für Fragerunden – also viel zu wenig.
Rainersacht 13. März 2008 um 9:43
@Christian Scholz: Ist nicht dein Ernst, oder? Du willst mich vergackeiern, ja? Twittern hilft, dass man nicht anonym nebeneinander sitzt? Schon mal mit Augenkontakt probiert? \“Hallo\“ sagen und \“Ich bin der Christian, was hältsten du von denen da oben?\“ Und dann auch noch der Verweis auf SL… Junge, dir könnte ich einen prima Therapeuten empfehlen, der dich wieder realen Kontakt mit lebenden Menschen aufzubauen lehrt.
Ich fass es nicht!
Stefan 18. Juli 2008 um 12:34
Stimme mit dir voll überein. Wer von den deutschen Web-Managern nicht schnell begreift das hier im Web der Nutzer das wirkliche Sagen hat wird wohl früher oder später die unagenehmen Konsequenzen seinen Handelns erkennen müssen. Ist dann aber auch nicht schade drum.