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Für Steuerhinterziehung gibt es keine Entschuldigung. Und doch frage ich mich: Rechtfertigt sie die Art und Weise, wie der Fall Zumwinkel abläuft? Heute Mittag, beim Essen mit einer guten Bekannten, kamen wir auf Klaus Zumwinkel zu sprechen. Und was sie anmerkte, geht mir nicht mehr aus dem Kopf: Ist der Umgang, den Zumwinkel in den Medien erfährt, nicht unter aller Sau?

Erinnern wir uns an den Tag der Fahnder. Da ist früh am Morgen schon das ZDF vor dem Haus von Zumwinkel, später gesellen sich andere TV-Teams und Fotografen hinzu. Sie zeigen die Villa, nennen die Adresse. Die Polizei lässt das geschehen.

Und die Staatsanwaltschaft? Mutmaßlich aus ihren Reihen erging der Tipp an die Journalisten, das dürfte die einzig logische Erklärung sein. Ob es sich hier um ein simples Leck oder Teil einer Medienstrategie handelt, wird sich nur schwer klären lassen. Sicher ist: Die großflächige Berichterstattung spielt der Steuerfahndung in die Hände: Denn niemand möchte sich in dieser öffentlichen Anprangerung wiederfinden wie der Post-Chef – also lieber die Selbstanzeige.

Wohlgemerkt: Hier berichten Medien über einen Steuersünder, zeigen sein Haus, zeigen, wie er abgeführt wird. Steuerhinterziehung aber ist kein Mord und keine Entführung. Gibt es in der Berichterstattung über Straftäter nur Null oder Eins? Nur unkenntlich gemachtes Portraitfoto und abgekürzten Namen oder das volle Programm? Und ab welchem Verdachtsmaß gilt Variante Eins als gerechtfertigt?

Noch eine Frage: Wäre der Verdächtige nicht der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post – hätten Polizei und Staatsanwaltschaft ein wenig mehr auf den Schutz der Privatsphäre geachtet? Wenn die Antwort „Ja“ lautet, sind vor dem Gesetz nicht mehr alle gleich?

Bemerkenswert ist der Kurssturz, den die Akte Zumwinkel an diesem Tag erfährt. Am Morgen berichtet das Frühstücksfernsehen: „Es soll um einen zweistelligen Millionenbetrag gehen.“ Diese Summe dürfte der Informant gestreut haben, sonst wäre sie nicht so früh am Morgen im Umlauf. Im Laufe des Tages schrumpft diese Summe zusammen auf eine Million. Ersetzt wird das ganze durch eine immer größer werdende Zahl angeblicher weiterer Steuersünder. Wer an eine Medienstrategie der Staatsanwaltschaft glaubt, der kann den Bochumern hier Respekt zollen – gut eingefädelt.

Doch es gibt noch mehr Fragen, die wir uns stellen sollten. Vor allem jene, nach dem Kauf offensichtlich gestohlener Informationen. In Deutschland dürfen die Erkenntnisse aus Informationen, die widerrechtlich beschafft wurden, nicht verwendet werden. Das sagt der Steuerrechtsexperte Jürgen Wessing.

Doch wollen wir das? Das Signal an alle, die sich Bankdaten beschaffen können, ist schon jetzt klar: Hol sie Dir und verklopp‘ sie an den BND. Gerade der Hacker-Markt dürfte aufgewacht sein. Der deutsche Staat finanziert damit ungesetzliche Machenschaften um andere ungesetzliche Machenschaften vor Gericht zu bringen. Was liegt schwerer – Steuerbetrug oder Informationsdiebstahl?

All dies soll keine Entschuldigung für Klaus Zumwinkel sein. Die Art und Weise aber, wie diese Affäre durch Medien und Ermittler behandelt wird, hinterlässt in mir ein äußerst ungutes Gefühl. Und ich bin gespannt, ob jemand den Mut aufbringt, die – mit Sicherheit unpopuläre – Diskussion in der Öffentlichkeit anzustoßen.


Kommentare


SvenR 19. Februar 2008 um 17:15

Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Selbst wenn die kolportierte eine Million Euro hinterzogener Steuer (für die Anlage, die seit zehn Jahren Bestand gehabt haben soll) richtig sein sollte, dann handelt es sich doch sage und schreibe um unfassbare € 100.000 Steuern, die er p. a. hinterzogen haben soll.

Warum sollte jemand, \“der sich selbst als Multimillionär bezeichnet\“ hat, der für seine Vorstandsbezüge bei der Post alleine schon über eine Million Euro Steuern gezahlt haben müsste für das Kleingeld sich solch einem Risiko aussetzen?

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PS 19. Februar 2008 um 17:27

Nachdem unser Innenminister Informationen verwerten würde (und wohl schon hat), die durch (in D ja immer noch verbotene) Folter gewonnen wurden und damit auch sonst niemand in der Regierung ein Problem hatte, sollte es doch in unserer Demokratie kein Problem mehr sein, diese gekaufte CD-Rom zu verwerten.

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giglio 19. Februar 2008 um 17:31

Das sind eigentlich Fragen, die ich mir bei dieser Geschichte zuletzt stellen würde…

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-mcj- 19. Februar 2008 um 17:38

Ich habe die Sache im ZDF morgens gesehen. In meiner Erinnerung hieß es dort, Zumwinkel habe mehrere Millionen an der Steuer vorbei nach Liechtenstein geschafft (also: nicht versteuert). Dem widerspricht ja nicht zwangsläufig die Behauptung, er habe letztlich etwa eine Miliion hinterzogen. (Würde aber für einen interessanten Steuersatz sprechen…)

Grundsätzlich muss ich sagen, dass sich mein Mitleid mit bestimmten Prominenten in Grenzen hält, die sich gerne in der Öffentlichkeit sonnen und sich dann über die bösen Medien beschweren, wenn sie Anlass zur Negativberichterstattung bieten. Und Herr Zumwinkel feiert sich ja offensichtlich sehr gerne als Gutmensch ab: Stichwort aktuelle Mitarbeiterzeitung, den Unicef-Posten hätte er ja wohl auch genommen etc.

Solche Leute werden eben anders behandelt als \“normale\“ Steuerhinterzieher, die nicht im Rampenlicht stehen.

Die Bezahlung von gestohlenen Daten und die Streuung von Infos an die Medien von Seiten der Behörden steht natürlich noch mal auf einem ganz anderen Blatt.

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Jochen Hoff 19. Februar 2008 um 18:13

Zumwinkel wurde geschlachet um Friede Springer glücklich zu machen. Das war eine öffentliche Hinrichtung. An dieser Hinrichtung wird auch festgemacht werden, das man die Steuerhinterziehung eben nicht verfolgen kann und alle anderen, aber auch Herr Zumwinkel kommen straffrei davon.

Wenn meine informationen stimmen schmurgelt dise CD/DVD schon seit 2006. Sie wurde bewusst tief gehalten und jetzt in einem wahren Feuerwerk abgebrannt, das aber eben nur ein Feuerwerk bleiben wird. Ohne Folgen. Dann weiß der letzte Staatsanwalt das er bei Steuerhinterziehung nicht zu ermitteln braucht, weil unsere Politik, die herrschende Klasse und das Großkapital dies nicht wollen.

Die Versandliste eines holländischen Versandhauses für Gewächshäuser, das auch Haschischsamen verkauft, darf aber bedenkenlos benutzt werden. Ich habe da das Handelsblatt nicht schreien gehört. Auch nicht als unsere Kinder von Zoll- und BND Mitarbeiter in und vor Coffeeshops illegal gefilmt wurden, um sie dann in Deutschland zu verurteilen.

Aber das Handelsblatt muss ja dafür sein Stuerhinterzieher zu schützen, schließlich sind das ja die Klientel die im wesentlichen die Informationen des Handelsblattes in Steuerfragen brauchen.

Schade. Das hier war mal ein guter Blog.

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hANNES wURST 19. Februar 2008 um 18:20

Das Ausmaß der Schuld herunterzuspielen halte ich für den falschen Ansatz. Wer eine größere Summe an Steuern hinterzieht macht sich eines schweren Verbrechens strafbar. Die Schuld wird selbstverständlich nicht dadurch kleiner, dass die hinterzogene Summe in Relation zum Einkommen des Angeklagten nur Peanuts sind.

An dieser Stelle könnte eine endlose Diskussion darüber losgetreten werden, um welche Summe ich den Staat betrügen muss, um eine schwere Schuld, die zum Beispiel die einer mutwilligen Körperverletzung entspricht, auf mich zu nehmen. Intuitiv mag man denken, dass solche Vergehen nicht miteinander vergleichbar sind, dass Mord eine andere Dimension als die Hinterziehung von einer Million Euro Steuern hat. Tatsächlich muss der Staat jedoch einrechnen, welches potentiell ebenfalls lebensgefährliche Defizit in der Staatskasse durch das Hinterziehen von einer Million Euro entsteht, denn der Staat benötigt dieses Geld um Krankenhäuser zu subventionieren (und leider auch für allen möglichen Schmarrn, der eine gefühlte Diskontierung der Schuld produziert – aber das sind eben die Opfer einer Zentralverwaltung).

Mit anderen Worten: hätte Zumwinkel seine Frau erschossen und wäre vor laufender Kamera abgeführt worden, hätte sich niemand über den Einbruch in seine Privatsphäre beschwert. Sollte er jedoch tatsächlich eine hohe Summe hinterzogen haben, so rechtfertigt meiner Meinung nach die Schwere der Schuld die mediale Schelte.

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marcel weiß 19. Februar 2008 um 18:30

\“Erinnern wir uns an den Tag der Fahnder. Da ist früh am Morgen schon das ZDF vor dem Haus von Zumwinkel, später gesellen sich andere TV-Teams und Fotografen hinzu. Sie zeigen die Villa, nennen die Adresse. Die Polizei lässt das geschehen. \“

Das wird doch langsam gang und gebe. Als vor Monaten der Administrator der BitTorrent-Seite oink in GB verhaftet wurde, war die BBC auch wundersamerweise von Anfang an vor Ort.
Nur hat der keine Millionen mit denen er gegen so ein Verhalten notfalls im Nachhinein gerichtlich hätte vorgehen können.
Übrigens hat man gegen ihn im Gegensatz zu Zumwinkel nichts in der Hand und er ist wieder auf freien Fuß. Auch seine Serverhardware hat er zurückbekommen, nachdem die Polizei alles darauf widerrechtlich gelöscht hatte..

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SvenR 19. Februar 2008 um 19:13

Ich bin nicht ganz richtig verstanden worden. Ich wollte nicht sagen, dass ja \“nur\“ € 100.000 hinterzogen habe, das sei ja nicht so schlimm, dafür könne er nicht bestraft werden.

Was ich meinte ist, das ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand vorsätzlich, um 5 bis 10 Prozent seiner Steuerlast zu drücken sich vorsätzlich etwas illegales einfallen lies.

Außerdem ist es meines Wissens nach nicht verboten, sein Geld \“ins Ausland zu schaffen\“, verboten ist \“lediglich\“ Zinseinkünfte einzustreichen und die nicht zu versteuern.

Ich erinnere gerne auch noch mal an den Fall \“Schreinemakers\“, die angeblich ja auch Millionen an Steuern hinterzogen haben soll – und am Ende ist von den ganzen Anschuldigungen nicht übrig geblieben.

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Frank 19. Februar 2008 um 19:44

Was sind schon 100.000 € oder auch 1.000.000 €, die Herr Zumwinkel hinterzogen haben soll ???
( versteuertes Einkommen ??? !!! )
Herr Steinbrück und die Genossen aus Berlin, Bayern, Sachsen versenken zur Zeit ca. 10.000.000.000 €
nur in die angeschlagene IKB-Bank — aus Steuergeldern — !!!!!
Danach könnten wir uns 10.000 Zumwinkel´s leisten.
Die Damen und Herren sollten ganz schnell die Steuergesetzgebung den Tatsachen anpassen.
Eine Steuererklärung auf 2 DIN A4 Seiten, – für alle.
Das gilt für Herrn Steinbrück, Herrn Zetsche, Reítzle usw.
Wenn Herr Zumwinkel sein bereits versteuertes Geld
nach Lichtenstein bringt und dort arbeiten läßt, ist das sein Problem und nicht das von Herrn Steinbrück.
Einmal Steuern zahlen muß reichen, für ARM und REICH.
Gute Nacht Deutschland

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Robert 19. Februar 2008 um 20:50

Noch interessanter finde ich die Tatsache, dass man den anderen Verdächtigen durch die Ankündigung von Durchsuchungen, die Möglichkeit gibt, ihre Taten zu verschleiern.
http://www.nachdenkseiten.de/?p=2994

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Matthias Schrade 19. Februar 2008 um 21:41

@Frank: das dachte ich auch schon – aber vielleicht ist das ja ein Teil der Refinanzierungsstrategie für IKB, BayernLB und WestLB….

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niels | zeineku.de 19. Februar 2008 um 22:38

\“Denn niemand möchte sich in dieser öffentlichen Anprangerung wiederfinden wie der Post-Chef – also lieber die Selbstanzeige.\“

Ich halte das Szenario Reisswolf auch für häufiger.

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Doc Montresor 20. Februar 2008 um 2:28

Ich denke, das ganze ist ein Mediencoup, der funktioniert hat und der von BND und Steinbrück geschickt so eingefädelt wurde, denn:
Selbst wenn die Beweise nicht vor Gericht verwertbar sind – und das kann passieren – , dann war es aus einer bestimmten Perspektive trotzdem ein Erfolg: Jede Menge Selbstanzeigen, Verfahren und aufgescheuchte Großsünder, die um ihre Posten fürchten müssen – alleine wegen der Öffentlichkeit.
Der Springer-BILD-RTL-Spieß, in den normalerweise nur arme Außenseiter mit wenig Abwehrpotenzial laufen, wurde hier einfach mal umgedreht.
Es geht ja gar nicht um die Verurteilung oder das Geld, sondern um die gewollten Kollateralschäden. Der Staat lässt einfach mal recht wirkungsvoll die Muskeln spielen gegenüber denjenigen, die sich für unangreifbar und gelegentlich für über dem Gesetz stehend halten. Und das alles für lumpige 5 Mio. Kosten und hohem Gewinn.

Ein gelungener Coup meiner Ansicht nach.

Und um es mal von der Argumentationslinie \“Ackermann\“ her zu beleuchten: Selbst wenn die Beweise nicht verwertbar sind, ein (deutsches) Gesetz wurde dabei von der Ermittlerseite nicht übertreten – wohl aber von der Seite der Täter.

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StoiBär 20. Februar 2008 um 7:27

Das war einfach die Rache für den Sieg, den Zumwinkel mit dem MPostmndestlohn eingefahren hat.

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Andreas F. 20. Februar 2008 um 9:01

In einer Mediengesellschaft müssen \“Prominente\“ damit rechnen, dass nicht nur ihr Aufstieg sondern auch ihr Fall von den Medien intensiv beobachtet werden. Das ist bei Herrn Zumwinkel nicht anders, als bei anderen in der Öffentlichkeit stehenden Personen.

Ich vermute mal, das Medienecho ist jetzt besonders gross, weil da ein bisher als Saubermann geltender Vorzeigemanager betroffen ist. Auf Hausdurchsuchungen bei Esser, Ackermann und Co. (die einen anderen Ruf haben…) wäre die Überraschung bestimmt nicht so gross gewesen.

Ach ja: Man sollte Herrn Zumwinkel nicht vorverurteilen, aber man sollte Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität (die oftmals sogar organisierte Kriminalität ist) auch nicht bagatellisieren, wie es leider gewisse Wirtschaftszeitungen- und -journalisten anscheinend immer noch gerne machen.

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Christian Praetorius 20. Februar 2008 um 10:44

Die Behandlung von Herrn Zumwinkel geht vor allem gegen ein sehr elementares Prinzip des Rechtsstaates: Die Unschuldsvermutung. Auch wenn mittlerweile offensichtlich ist, das Steuern hinterzogen worden sind, ist das etwas, wovon man nicht per se ausgehen konnte.
Zur Verwertung der Beweise: Soweit ich weiss (als juristischer Laie) gibt es in Deutschland kein entsprechendes Verwertungsverbot, das vergleichbar mit dem der USA ist (Stichwort \“Fruit of the poisoned tree\“).

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Rainersacht 20. Februar 2008 um 11:12

@Jochen Hoff: \“Zumwinkel wurde geschlachet um Friede Springer glücklich zu machen.\“
Das ist mein Satz des Tages. Schade, dass damit in acht Worten zusammengefasst wird, was ich soeben zum Thema bloggen wollte.

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Sen. Consultant Lars 20. Februar 2008 um 11:26

Unabhängig von der Behandlung:
Sofern Zumwinckel Steuern hinterzogen hat, muss er (wie geschehen) seinen Hut nehmen und die Konsequenzen seines rechtswrigen Verhaltens tragen. Punkt.

Was die \“Öffentlichkeitsarbeit\“ angeht, legt dies IMHO mehere Schlüsse nahe:

– da die Rechtslage bei der Verwertung gff. illegal beschaffter Beweismittel nicht klar ist, muss ein solcher \“Knalleffekt\“ getreut werden, um möglichst viele Kandidaten zur Selbstanzeige zu \“motivieren\“. Ansage: keine Gande erwarten. Die Beweislage können wir Gericht klären, vorher nehmen wir Euch erstmal hopps.
Oder:
-Zumwinckel war gleichzeitig AR Chef der Postbank, die im Zuge der IKB Rettung verkauft werden soll (lt. dieser Zeitung ggf. an die Coba). Zumwinckel war kein Fan der Idee, die Postbank zu veräußern, geht doch das mieste Geschäft nach wie vor über die Schalter der Dt.Post AG.
Von daher kam evtl. die Kenntis über die Ermittlungen bei Herrn Steinbrück und Kollegen nicht ganz ungelegen. Einen bessere Rechtfertigung, einen ansonsten erfolgreichen Postvorstand beiseite zu schieben, kann es gar nicht geben.

\“Ein Schelm wer Böses dabei denkt\“..

P.S. In anderer Sache habe ich erlebt, dass es bei Durchsuchung durch die SteuFa z.T. auch den Behörden daran gelegen ist, potenzielle Straftäter blosszustellen. Damit wird die Wahrscheinlichkeit eines Geständnisses oder eines \“gesichtswahrenden Deals\“ deutlich erhöht. Ein Aspekt, welchen sich insbesondere \“anonyme Tippgeber\“ zunutze machen, um unliebsamen Konkurrenten oder Personen eins auszuwischen.

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Stephan List 20. Februar 2008 um 12:14

Ich denke, die ganze Inszenierung war auch gedacht als Botschaft ans \“gemeine\“ Volk: \“Versucht es gar nicht erst, Vater Staat sieht alles. Und wenn schon so ein mächtiger Mann erwischt wird, Ihr mit Euren Sparstrümpfen, denkt nicht mal dran…\“
Im Übrigen, finde ich, sollte Strafrecht nicht mit Moral durcheinander gebracht werden, so wie es manche unserer Politiker es derzeit gerne tun. Gesetz ist eine Sache, Moral eine andere. Oder ist es moralisch, mit unserem sauer verdienten Geld die maroden Landesbanken wiederzubeleben? Keine Ahnung, aber es ist vermutlich *legal*.
Und dass das Geld der Bürger auf der Prioritätenliste der Politiker sämtlicher Parteien ganz oben steht, ist nichts Neues. Persönlichkeitsrechte existieren da schon lang nicht mehr, da ist Vorratsdatenspeicherung Kinderkram dagegen. Nur, warum regt sich da kein Widerstand?

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lupe 20. Februar 2008 um 12:42

Auszug aus meinem Kommentar \“Von der Hilflosigkeit der Medien\“ zu der Sache:

Dass er heimlich Wein trinken konnte, ist auch der mangelnden Kontrolle durch die Medien zu verdanken, die, ist jemand im übertragenen Sinne gefallen, tagelang heftig zutreten, jedoch, ist er der noch große Boss, ihn am liebsten in den Himmel heben würden, ihn hätscheln, statt sein Tun und Lassen kritisch zu beobachten und den Lesern darüber Kunde zu geben …

Der Mann war und bleibt mir egal. Wer hat ihn denn als renommierten Manager bezeichnet, ohne zu prüfen, ob das auch stimmt? Ich doch nicht!

Deshalb finde ich die Geschichte auch nicht tragisch. Sie ist eine von etlichen, die immer wieder vorkommen werden, falls ein vermeintlich Zukurzgekommener plaudert – gegen Geld natürlich. Wäre es nicht auch ein Thema, über jenen zu richten, der die Daten verkaufte und damit nicht mehr zu kurz kommt?

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Jörg Friedrich 20. Februar 2008 um 13:24

Zumwinkel ist ganz sicher kein \“Pominenter\“ der sich im Licht der Öffentlichkeit sonnte. Er war bekannt (wobei ich selbst da Zweifel habe) soweit das nunmal das Amt des Chefs eines Großkonzerns mit sich bringt.

Ich gebe Thomas Knüwer völlig recht: Die Inszenierung war völlig unangemessen und hat mit Grundprinzipien, wie in unserem Land mit Menschen umgegangen wird, nichts zu tun. Die einzige Erklärung dafür kann nur lauten: Weil man andere zur Selbstanzeige bewegen wollte. Und das kann nur heißen, man hatte nichts in der Hand, was sicher gerichtsverwertbar ist. Man hatte geklaute Daten, für die man viel Geld ausgegeben hatte.

Jetzt sind die Selbstanzeigen ausgeblieben, der Schaden (politisch, moralisch) ist groß. Und auch da bleibt den Verantwortlichen nur, die Menschen gegeneinander auszuspielen.

Aber man mache sich nichts vor: Wer von Kriminellen illegal beschaffte Daten kauft, zahlt auch Buchhaltern von Handwerksbetrieben kleine Prämien, wenn sie mit Hinweisen auf Schwarzarbeit und falsche rechnungen zum Finanzamt kommen.

Ich sehe übrigens nicht, dass jemand, der im Jahr 1.000.000 € Steuern zahlt und dabei den Staat um 100.000 € betrügt ein größerer Krimineller ist als einer, der 10.000 € Steuern zahlt und den Staat um 1.000 € betrügt.

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Rene Kriest 20. Februar 2008 um 16:13

Was ist eigentlich mit dem BND-Informant? Daß der mir auch ja seine Prämie richtig versteuert und hier nichts verzumwinkelt! 😉

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Horst Clabbers 20. Februar 2008 um 16:53

Wir erleben die moderne Form des mittelalterlichen Anprangerns, das ganze Vorgehen war für den Anspruch unseres bisherigen Rechtsempfindens recht reisserisch und passt eher in die Wild-west-Mentalität des \“Unterschichtenfernsehens\“. Das Vorführen der \“Verhaftung\“ Zumwinkels kommt einer Vorverurteilung gleich, die es nicht geben darf – Schuld hin oder her. Da stellt sich doch die Frage nach einer Verschwörungstheorie: Schließlich ist jetzt der Weg für die Commerzbank zum Kauf der Postbank frei. Der BND hat fleißig mitgeholfen, wer weiß, ob da nur die Interessen des Staates verfolgt wurden oder ob gerade Zumwinkel elegant \“aus dem Weg\“ geräumt wurde. Amerikanische Journalsten und Schriftsteller hätten sicherlich einige Geschichten parat.

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Doc Montresor 21. Februar 2008 um 0:44

Also nur mal zur Kenntnisnahme:

Einerseits wird hier von \“Grundprinzipen\“ gesprochen, von \“mittelalterlichem Anprangern\“, wenn die Medien mal über einen mutmaßlichen Millionen-Steuerhinterzieher herziehen statt über einen mutmaßlichen Hartz IV-Betrüger, dann wird großspurig die \“Unschuldsvermutung\“ ins Feld geführt (was vermutlich bei wehrlosen, kleinen Betrügern oder Dealern hier kaum jemandem über die Lippen käme) – und dann der Mann, der womöglich als Angestellter einfach die Daten zur Verfügung hatte, sofort – und ohne Gerichtsverhandlung – natürlich als \“Krimineller\“ verurteilt (Jörg Friedrich).

Hier wird also offensichtlich auch nicht mit einem Maß gemessen – wozu also die (pseudo-)moralische Aufregung?

Die Medien sind verdammt nochmal dazu da, um solche Fälle zu begleiten. Sie dürfen sich irren, und das tun sie auch, dann werden sie \“gerügt\“. Das ist auch in anderen Fällen schon kritisiert worden.

Aber Mitleid mit Herrn Zumwinkel? Weil \“auf einmal\“ (und nicht erst seit 40 Jahren…) Persönlichkeitsrechte verletzt werden? Ja, wo denn? Und wenn das der Fall ist – dann kann der Herr Zumwinkel (im Gegensatz zu den vielen anderen Opfern der Medien) dagegen vor Gericht ziehen und klagen. Geld genug hat er ja dafür, wie wir jetzt wissen – ob versteuert oder nicht.

Warum haben so viele Leser hier sofort ganz viel Mitgefühl mit den armen, armen Millionären, die sich in Ihrer Privatsphäre verletzt fühlen? Ist das der deutsche Untertan, der da durchschimmert? Die Engländer haben damit kein Problem. Wer als öffentliche Person mit Millionenvermögen Mist baut, muss sich in einer liberalen Gesellschaft über den Spott und den Pranger nicht wundern. Und damit meine ich nicht nur Übertretungen des Gesetzes.

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Jörg Friedrich 21. Februar 2008 um 10:36

Warum sollte bei Hartz-IV Empfängern keine Unschuldsvermutung gelten? Davon wirst du bei mir nichts lesen.

Und: Wenn ein Bankangestellter die Kundendaten, die er \“zur Verfügung hat\“ an dritte verkauft, das ist nicht kriminell? Ich nehme an, du hast kein Bankkonto? Oder gingest du gelassen damit um, wenn dein Kundenbetreuer deine Kontobewegungen an interessierte Leute weiterverkauft?

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Doc Montresor 21. Februar 2008 um 12:27

Also nochmal:

Mir geht es nicht darum, dass bei Hartz IV-Empfängern keine Unschuldsvermutung gilt (wobei man diese Annahme durchaus vertreten kann, wenn man sich die Art anschaut, wie mit diesen Menschen in Jobcentern umgegangen wird – aber das ist hier nicht das Thema).

Mir geht es darum, dass hier nach der Verantwortung und dem Verhalten der Medien in diesem Fall gefragt wurde und ob dieses Verhalten denn nun überzogen oder angemessen oder wie auch immer war. Daraufhin gab es moralisch entrüstete Reaktionen bezüglich der Berichterstattung und in DIESEM Zusammenhang fiel das Wort Unschuldsvermutung. Natürlich gilt sie – vor Gericht, theoretisch für alle. Aber heißt das, dass die Presse erst darüber berichten darf, wenn ein Gerichtsurteil gefällt wurde? Das wäre absurd.
Daraus folgt, das die Presse IMMER Mutmaßungen anstellt. Und hier finde ich es bestenfalls bemerkensmwert, dass hier (und in anderen \“serösen\“ Foren und Blogs) auf einmal ein moralischer Aufschrei zu hören ist, sobald es mal einen hochrangigen, reichen, in der Öffentlichkeit stehenden Millionär trifft, gegen den auch noch von seiten einer hochoffiziellen staatlichen Stelle ein DRINGENDER TATVERDACHT besteht, der so stichhaltig ist, dass der Verdächtige sogar Kaution zahlen muss, um auf freiem Fuss bleiben zu können.

Bei den -zig Presseopfern, die durch die Berichterstattung über mutmaßliche Delikte einfach vorverurteilt wird und dadurch sofort in ihrer Existenz gefährdet sind, da schweigt dieselbe seriöse Öffentlichkeit – ist ja auch klar, dann müsste man sich ja jeden Tag aufregen.
Das war mein Punkt.

Und noch etwas: Selbst die Presse schreibt ein \“mutmaßlich\“ vor das Wort \“Krimineller\“. Das haben Sie nicht getan, sondern den Informanten vorverurteilt. Dabei wäre er als Angestellter einer deutschen Bank sogar VERPFLICHTET gewesen, die Daten bei einem Tatverdacht seitens der Polizei herauszugeben, ohne Bezahlung, versteht sich. Das er Liechtensteiner Gesetze gebrochen hat, macht ihn in Deutschland noch nicht zu einem Kriminellen.
Wie gesagt, so einfach ist es nicht, Menschen in Kriminelle und mutmaßlich Unschuldige zu unterteilen, deshalb halte ich die moralische Entrüstung angesichts der taktischen Vorgehensweise der staatlichen Ermittlungsbehörden gegen Steuerhinterzieher im Großformat (könnte man auch als organisiertes Verbrechen bezeichnen) nicht für angebracht.

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Doc Montresor 21. Februar 2008 um 12:47

Nachtrag:

Natürlich kann man das Bankgeheimnis als etwas Schützenswertes betrachten, und natürlich war der Informant geldgierig und hat die Situation ausgenutzt, was man moralisch verurteilen kann. Er weiß das auch, deshalb fürchtet er jetzt um sein Leben.

Aber all das ändert nichts an der Schuld der (mutmaßlichen) Steuerhinterzieher, die aus DERSELBEN Gier gehandelt haben. Es gibt hier keinen moralischen Gewinner. Die Ermittler haben nur eine Lücke genutzt, um ihren Job zu machen. Ob wir das gut finden, ist eine andere Frage.

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Ricci Riegelhuth 21. Februar 2008 um 14:39

Das, Herr Knüwer, macht mich auch stutzig:
\“Wohlgemerkt: Hier berichten Medien über einen Steuersünder, zeigen sein Haus, zeigen, wie er abgeführt wird. Steuerhinterziehung aber ist kein Mord und keine Entführung. Gibt es in der Berichterstattung über Straftäter nur Null oder Eins? Nur unkenntlich gemachtes Portraitfoto und abgekürzten Namen oder das volle Programm? Und ab welchem Verdachtsmaß gilt Variante Eins als gerechtfertigt?\“

Die Verhältnismässigkeit steht hier sehr schief und deshalb werden hoffentlich auch die Fragen nicht aufhören. Damit nehme ich auf keinen Fall den EX-Konzernchef in Schutz, sondern wundere mich ein wenig über die präsentierte Vorstellung auch mit der Liechtensteiner Regierung.

Das Timing war vielleicht ein wenig zu genau gesetzt?

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Simon 24. Februar 2008 um 13:32

@PS:

Was glaubst du denn, wo der BND seine Informationen herbekommt?
Sich darüber aufzuregen, dass ein Geheimdienst für seine Informationen bezahlt, halte ich für etwas naiv.

Abgesehen davon, dass die Steuer-CD laut SZ wohl nur Beifang war.

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