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Der Fall Kerviel demonstriert, dass Journalisten nicht umhin kommen werden, sich künftig in Netzwerken wie Facebook und Xing anzumelden – der Recherche wegen. Der „Guardian“ hat es in englischer Ironie am schönsten formuliert: „When the news broke yesterday morning, he had 11 friends on Facebook who steadily deserted his page thoughout yesterday.“

Es geht um Jerome Kerviel, jenen Wertpapierhändler, der seinen Arbeitgeber Société Générale ein paar Milliarden Euro kostete. Er dürfte der erste Wirtschaftsverbrecher von internationalem Interesse sein, der ein Facebook-Profil angelegt hatte. Mehrere Medien, deutsche wie englische, berichten, dass am Morgen, als der Skandal losbrach noch elf Freunde (welche Ironie) existierten, diese sich aber flott aus der Kontaktliste entfernten. Dummerweise nennt aber auch niemand die Quelle für diese Beobachtung, die mit Sicherheit nicht alle gemacht haben..
Spiegel Online weiß gar von einem Xing- und einem Myspace-Profil – ich selbst kann diese aber nicht finden.

Leider verrät niemand der Kollegen, ob er versucht hat, mit Kerviel-„Freunden“ Kontakt aufzunehmen. Es wäre spannend zu erfahren, ob nicht vielleicht doch jemand reagierte.

So oder so: Journalisten werden nicht umhin kommen, sich mit Facebook, Xing & Co. vertraut zu machen: Sie können die Recherche erheblich erleichtern. Vor einem Jahr sprach mich die Anwaltskanzlei eines ausländischen Mittelständlers an, der einen Großkonzern wegen Vertragsbruchs verklagen wollte. Auf den ersten Blick eine gute Geschichte. Dann aber suchte ich bei Xing nach ehemaligen Mitarbeitern dieses Mittelständlers und die verrieten mir, dass dieser in Sachen Seriosität nicht viel zu bieten hatte – und dass hinter der Klage etwas ganz anderes steckte. Ohne Xing wäre ich vielleicht auf diese Geschiche hereingefallen.

Auf der anderen Seite können wir Journalisten uns transparenter machen. Unser Image, seien wir ehrlich, ist alles andere als gut. Rufen wir aber jemand an, den wir noch nicht kennen, so kann er über Social Networks einen Hauch mehr über uns erfahren, sich einen ersten Eindruck verschaffen, vielleicht sind in unseren Kontakten auch Menschen, die er kennt.

Und deshalb ist die geringe Verbreitung der Mitgliedschaft bei Netzwerken innerhalb der journalistischen Profession für mich ein Fehler. Zum Beispiel wäre so manchem dann aufgefallen, dass sich im Profil von Kerviel etwas tut, was ich mir nicht erklären kann. Denn nachdem die Zahl der Freunde gefallen ist, ist sie später schlagartig angestiegen. Derzeit gibt es mehrere Kerviel-Profile mit teil über 350 Freunden. Ist das echte noch existent? Oder wer hat es gelöscht? Ein Freund soll ihm laut „Guardian“ am Freitag noch geblieben sein. Es wäre spannend zu erfahren, wer das ist.

Und das führt gleich zum nächsten Punk: Wer in Social Networks aktiv ist, sollte genau schauen, wer seine Freunde sind. Und sich notfall auch flott von ihnen lossagen…


Kommentare


Onyro 28. Januar 2008 um 10:15

Bild nutzt ja bereits intensiv die Möglichkeiten von Kontaktnetzwerken: Im Fall einer bei einem Skiunfall ums Leben gekommenen Studentin hat man ja einfach flott und ohne Genehmigung ein Bild der Frau von StudiVZ gestohlen um den Artikel illustrieren zu können.
Und bei Kerviel schienen die Medien auch keine Probleme damit zu haben den Mann mit vollem Namen und Photo sofort öffentlich zu machen.

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Weltenweiser 28. Januar 2008 um 10:16

Wobei da ja im Fall Buttho auch gezeigt wurde, dass man nicht zu vorschnell sein sollte. Da wurde ja vom Fake-Profil abgeschrieben.

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Ugugu 28. Januar 2008 um 10:25

Ich halte das Gegenteil für richtig. Ein Journalist sollte sich im Web so untransparent wie möglich geben. Zumindest in Social Networks. Ein bisschen Recherche auf Xing oder Facebook kann sicher nicht schaden, dann aber idealerweise unter einem falschen Profil. Denn letztlich sind oft die wertvollsten Quellen diejenigen, welche besonders schützenswert sind, folglich lagert der vorsichtige Journalist seine Kontakte besser im kleinen Büchlein, als sie mit der ganzen Welt zu teilen.

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Onyro 28. Januar 2008 um 10:55

Na so dämlich seine Informanten in öffentlichen Adressbüchern und Freundeslisten von Kontaktnetzwerden zugänglich zu machen ist hoffentlich kein Journalist. Das wäre dann ja der Traum des BND wenn man einfach mitlesen könnte: Herr X vom Focus hat jetzt einen neue Kontakte bei Siemens und VW. Herr Leyendecker ist jetzt der Freund von Herrn Y. Herr Walraff ist jetzt in der Kosmetikindustrie unterwegs. Usw.

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Thomas Knüwer 28. Januar 2008 um 11:02

@Onyro: Sie haben Recht, ich hätte da etwas präziser sein müssen. Demnächst brauchen Journalisten ein echtes Profil zur Kontaktaufnahme und ein falsches zur Recherche.

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BrainBomb 28. Januar 2008 um 11:41

Mal ehrlich. Was soll denn da von irgendwelchem Interesse sein, wenn sich irgendwelche \“Freunde\“ aus einer Liste von einer noch so wichtigen Person austragen? Und daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass ein Journalist bei Facelift Mitglied sein muss, ist einfach absurd. Fehlt komplett die Logik. Rein affektive Schlussfolgerung.

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Thomas Knüwer 28. Januar 2008 um 13:00

Interessant ist nicht, was in dem Profil steht. Na ja, zumindest nur bedingt interessant. Schließlich könnte ein aktiv gepflegtes Profil ein wenig was verraten. Interessant aber sind die Kontakte. Denn nun ist es erheblich leichter, Kontakte zum Umfeld von Personen zu bekommen. Und was das affektive betrifft: Ich habe oben ja bereits ein Beispiel angeführt.

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Doc Montresor 28. Januar 2008 um 13:48

Offtopic: Neues Adjektiv \“knüwer\“ in die deutsche Sprache eingeführt.

Gratulation, Herr Knüwer. Falls es nicht schon vorher geschehen ist (dann bitte ich um Verzeihung für die Dopplung), dann hat Lukas Heinser in seinem Blog \“CoffeandTV\“ am Samstag das neue Adjektiv \“knüwer\“ Ihnen zu Ehren in die deutsche (Web-)Sprache eingeführt.

http://www.coffeeandtv.de/2008/01/26/generation-blog/

Soweit ich es verstehe, drückt es ein Gefühl von positiver, dennoch kritischer Offenheit gegenüber neuen medialen Entwicklungen aus.
Zitatbeispiel: \“Ich fühle mich schon etwas knüwer als sonst.\“

Herzlichen Glückwunsch!

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Marc 28. Januar 2008 um 14:22

\“ein echtes Profil zur Kontaktaufnahme und ein falsches zur Recherche.\“
Richtig. Investigatives Arbeiten war noch nie so leicht wie heute. 🙂

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Aubertin 28. Januar 2008 um 16:13

«Unser Image, seien wir ehrlich, ist alles andere als gut.» Ihres, Herr Knüwer ist, sage ich\’s mal so: zumindest etwas überarbeitungsbedürftig. Von einem Journalisten erwarte ich – auch innerhalb eines Weblogs (einer renommierten Zeitung!) – eigentlich, daß er seine Denk- und Schreibapparatur einschaltet, bevor er loslegt. Sie hauen mir einfach zuviele Gedanken undurchdacht hinaus – und sehen sich im nachhinein durch die anderer allzu häufig gezwungen, diese zu revidieren.

Immer wieder halten Sie flammende Verteidigungsreden auf das Internet, das Weblog. Im wesentlichen, in der Regel stimme ich denen zu. Und gerne auch dort, wo Sie sich gegen Vorratsdatenspreichung aussprechen sowie zur Vorsicht aufrufen, geht es um allzu leichtfertige Preisgabe personenbezogener Fakten. Und nun fordern Sie auch noch dazu auf – bzw. rudern anderthalb Stunden später wieder zurück.

Sie reden den Internet-Kritikern das Wort, wenn Sie unüberlegt einfach alles raushauen. Erschwerend hinzu kommt, daß Ihre Texte allesamt dahingeschludert sind, als ob Ihnen ständig die Konkurrenz im Nacken säße. Selten komme ich beim Lesen unfallfrei durch. Ich meine nicht Vertipper, sondern grammatikalisch und orthographisch (von Interpunktion mag ich gar nicht mehr schreiben in diesem Land) korrekte Sätze.

Beispiele, kurz hintereinander: «Mehrere Medien, deutsche wie englische, berichten, dass am Morgen, als der Skandal losbrach noch elf Freunde (welche Ironie) existierte, diese aber sich aus der Kontaktliste entfernten.

Spiegel Online weiß gar von einem Xing- und einem Myspace-Profil – ich selbst kann diese aber nicht finden.

Auf den erste Blick eine gute Geschichte.»

Das ist es, was mir zu «knüwern» einfällt.

Nichts für ungut, alles fürs Gute.

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Jörg Friedrich 28. Januar 2008 um 16:20

Ein Facebook- oder Xing-Profil ist sicher eine Möglichkeit für einen Journalisten, Offenheit zu zeigen, aber ist das wirklich nötig? Zumal so ein Profil ja in jedem Fall ein Kunstprodukt ist. Da halte ich so ein Blog wie dieses für eine wesentlich bessere Möglichkeit, sich einen Eindruck zu verschaffen, wes Geistes Kind ein Journalist (oder sonstiger Publizist) einer ist. Hier sehe ich nicht nur seine Beiträge (sehr unterschiedliche) sondern auch seine Reaktionen auf Einwände und Kritik. Wenn ich erwäge, mit jemandem Kontakt aufzunehmen, schaue ich in sein Blog – nicht in sein FaceBook-Profil.

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ugugu 28. Januar 2008 um 17:47

Aubertin ist aber mächtig am rumstänkern hier. Mal abgesehen davon, dass er nicht recht hat, stimme ich mit ihm überhaupt nicht überein. Grundregel Nummer 1. im Web lautet: Hirn einschalten. Dann braucht man sich auch nicht auf fadenscheinige Qualitätssiegel wie (\“renommierte Zeitung\“) zu verlassen. Aber was solls, ein bisschen Spiessertum sei Herr Aubertin vergönnt.

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Thomas Knüwer 28. Januar 2008 um 18:45

@Aubertin: Der Unterschied zu Rechtschreib-und-Co-Fehlern hier und in der Zeitung – hier werden sie korrigiert. Wenn aber dies der einzige Kritikpunkt ist, dann fühle ich mich als recht gut abgeschnitten.

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Blogmami 28. Januar 2008 um 22:45

Stichwort \“Social Networks\“ und Vertrauen von Freunden: Da kann ich auch eine Geschichte zu beitragen:

http://www.mamiblog.de/stilldemenz/%e2%80%9eich-mag-babys-ich-mag-ehrliche-leute-und-hasse-lugner%e2%80%9c/

Solange man jemanden nicht persönlich kennt, sollte man sehr vorsichtig sein, mit wem man es zu tun hat.

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Franktireur 28. Januar 2008 um 23:26

Irgendwann werden wir in diesem land so weit sein, daß jemand, der nicht in den diversen Communities ein profil angelegt hat, verdächtig sein wird mit der Frage: was hat der wohl zu verbergen, daß der nirgendwo mitmacht und ein profil hat…

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Matthias 29. Januar 2008 um 0:47

Sie schreiben: „Der Unterschied zur (sic, aber egal) Rechtschreib-und-Co-Fehlern hier und in der Zeitung – hier werden sie korrigiert.“ Ich glaube, da machen Sie den Unterschied zwischen Blogs und Printmedien größer als er ist. Freilich: Wenn Sie einen Namen oder eine Zahl entstellen, meldet sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein Leser zu Wort, und Sie korrigieren es. Da geht es aber eher um inhaltliche Fehler als solche von „Rechtschreibung und Co“. Die Bereitschaft Ihrer Leser, Sie auf fehlende Kommata hinzuweisen, schätze ich gering ein.
Ich vermute eher, dass deren Reaktion den Zeitungsabonnenten nicht unähnlich ist: Ein Großteil der Leser dürfte die Rechtschreibfehler (Grammatikfehler, Stilmängel) gar nicht wahrnehmen. Ein kleinerer Teil nimmt sie wahr und liest trotzdem (vorläufig) weiter. Dazu gehöre ich. Ein noch kleinerer Teil wendet sich aus diesem Grund ab. Von keiner dieser Gruppen bekommen weder Sie noch die durchschnittliche Zeitungsredaktion normalerweise eine Rückmeldung.

PS: Das mit den Formfehlern hat phasenweise so überhand genommen, dass ich Links zu Episoden Ihrer Tanja-Anja-Soap Freunden und Kollegen nur mit entsprechendem „Disclaimer“ weitergeleitet habe.

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Thomas Knüwer 29. Januar 2008 um 9:29

@Matthias: Gegen diese Theorie sprechen die steigenden Leserzahlen hier. Und: Die Korrekturhinweise ereilen mich nicht per Kommentar, sondern (sinnvollerweise) per E-Mail – wofür ich mich hier auch mal öffentlich bedanken möchte.

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Aubertin 29. Januar 2008 um 10:06

Es war wohl nicht anders zu erwarten, als daß man sich wieder auf das Thema Rechtschreibung – davon mal abgesehen, daß ich auch von Grammatik geschrieben hatte – stürzen würde: auf das (scheinbar) Nebensächliche. Der Rest wurde ignoriert. So kommen dann teilweise Reaktionen wie diese zustande, altbackene, linkische Plattheiten: «mächtig am rumstänkern hier … ein bisschen Spiessertum». «Hirn einschalten»? – genau das stand doch drinnen bei mir. Aber eben vorher. Einschalten.

Rechtschreibung, Grammatik etc., Herr Knüwer, das war eben nicht der einzige Kritikpunkt. Mir ging es – ohne besagte Nebensächlichkeiten vernachlässigen zu wollen – vor allem darum, daß ein schnelles Medium wie das Weblog, das Internet nicht zwangsläufig hingerotzt sein muß – sein sollte. Diese Hektik, dieser (mir unverständliche) Aktualitätswahn birgt eben die Gefahr des Danebengreifens, schafft eben jene Ungenauigkeit, die Gegnern des elektronischen Mediums Lanzen in die Hand gibt, mit denen sie ihre gedruckten Latifundien zu verteidigen versuchen. Da fuchtelt man dann nämlich kläglich herum mit seinem bißchen Spieß.

Aus meinen Sätzen scheint nicht deutlich hervorgegangen zu sein: Ich bin ein Befürworter des Internets, dem ich etwa seit 1990 einige Freiheiten, vor allem aber Wissen verdanke, an das ich über Herrn Gutenbergs Gehilfen alleine nie gekommen wäre (vom Amusement mal abgesehen). Um es gleichwertig behandelt zu wissen, sollte man den sich selbst nobilitierenden Portepée-Trägern der Hoch-Zeitung nicht auch noch funktionierende Waffen in die Hand geben, in Form vermeidbarer Fehler nämlich. Fazit: Parität herstellen. Mehr ist nicht. Aber auch nicht weniger.

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Jörg Friedrich 29. Januar 2008 um 11:13

Das schöne am Bloggen ist doch, dass jeder sein Blog so betreiben kann, wie er will: einer als Notizen-Sammlung incl. der Gefahr von kleinen und großen Fehlern, die er vielleicht berichtigt, vielleicht auch stehen lässt, weil er inzwischen schon weiter ist, der nächste als Tagebuch, wieder ein anderer als Diskussionsplattform und noch andere als Sammlung von Abhandlungen. Die Kommentierer und Leser haben die Freiheit, diese Angebote anzunehmen oder abzulehnen, aber sie haben genauso wenig Definitionsmacht über den Begriff \“Blog\“ wie die Blogger selbst.

Jeder, der etwas Neues tut, wird damit möglicherweise denen Argumente liefern, die sich als seine Gegner verstehen. Das ist aber nicht das Problem des Tätigen, sondern dessen, der keine neuen Tätigkeiten wünscht.

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Mischa 29. Januar 2008 um 21:11

Manueller Trackback zu diesem Artikel (aufgrund der Inkompatibilität von twoday und blogg):

http://sparrenblog.twoday.net/stories/4659290/

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Knorpelkasper 29. Januar 2008 um 22:59

Thomas Knüwer kommentiert:
@Aubertin: (…) Wenn aber dies der einzige Kritikpunkt ist,

dann fühle ich mich als recht gut abgeschnitten.

Thomas Knüwer | 28.01.2008 – 18:45

Harr harr!

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