Wie sehr derzeit gewisse Zeitungen, deren Existenz allein auf der Meinungsfreiheit fußt, für die Einschränkung der selben einstehen, das beweist uns heute die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in Gestalt ihre Angestellten Christian Geyer. Ich habe lange überlegt, ob ich auf die platte und dem intellektuellen Anspruch seines Arbeitgebers nicht mal ansatzweise genügenden Vorlage von Herrn Geyer reagieren soll. Schließlich wurde mir schon mal vorgeworfen, ich habe einen Beißreflex, wann immer jemand etwas gegen Blogs sagt.
Doch zu Herrn Geyers Stück muss etwas gesagt werden, weil es zeigt mit welchen an Demagogie grenzenden Mitteln manche Journalisten (und ich bin der Meinung, dass dieser Titel für sie nur durch den Arbeitsvertrag, nicht aber durch ihr Vorgehen gedeckt wird) arbeiten.
Für jene, die es nicht mitbekommen haben: „Zeit“-Autor Jens Jessen hat in einen heiß diskutierten Videobeitrag zu dem Attentat auf einen Münchener in der U-Bahn gesprochen:
Dabei hat er sich in einem Punkt ziemlich vergallopiert, aber das soll hier nicht Thema sein.
Geyer nun nimmt dies als Vorlage um gegen das Internet zu zetern:
„Was Jens Jessen, dem Kulturchef der „Zeit“, derzeit im Internet entgegenbrandet, ist widerlich und totalitär. Die Welle von Schlamm, die sich über ihn ergießt, ist in ihrer Monstrosität kaum zu beschreiben. Sie überschwemmt alles, was man an öffentlicher Wortkultur für gesichert hielt…
Anhand der unfassbaren Reaktionen auf Jens Jessen zeigt sich, wie recht jene haben, die warnend auf die völlige Unkontrolliertheit von Internet und Blogs hinweisen, auf das krasse Missverhältnis zwischen identifizierbaren Autoren und anonymer Pöbelmasse.“
Nun, schauen wir uns doch die Schlammwelle einmal an. Zum Beispiel die Blog-Schlammwelle. Dazu bedienen wir uns der Weblogsuchmaschine Technorati. Ich weiß, technisch nicht perfekt, aber das beste was wir haben. Und wir können davon ausgehen, dass der weitaus größte Teil der Weblogs darin verzeichnet ist.
Die Suche „jessen zeit“ ergibt an diesem 21.1.08 um 14:43 Uhr – 41 Treffer. Das ist nicht viel. Noch viel, viel weniger wird es, schaut man sich die Treffer an. Dann bleiben gerade fünf Blogs, die das Thema diskutieren und fünf, die herumwüten. Zwei davon zitieren schlicht ein Weblog namens Politically Incorrect, das wieder selbst eines dieser fünfe ist. Wer das als Welle empfindet, der ersäuft auch beim Händewaschen.
Das Problem: Politically Incorrect. In der Tat werte ich dieses Angebot in der Schublade „Online-Müll“, es lässt mich kotzen. Aber: Das Teil ist nicht die Welt. Und wäre Herr Geyer des Internets kundig, hätte er gar recherchiert, so wäre ihm bewusst geworden, dass es keine Welle von Blogs gibt, die Jessen diffamieren. Er hätte diese eine Blog beim Namen genannt, wie es journalistische Pflicht wäre. Er hätte außerdem weiter ausgeholt, dass es in der Tat auch rechte Diskussionsforen gibt, so wie es rechte Stammtischtreffs und Neo-Nazi-Treffen gibt, weshalb aber auch niemand bisher das Verbot von Kneipen oder Deutschland gefordert hat.
Und schließlich wäre noch zu erwähnen, dass manches Böse gegen Jessen im Netz ja nun auch von bekannten Seiten stammt. Zum Beispiel listet die „Zeit“ selbst zur Diskussion einige Zuschriften auf.
So ließe sich Geyers Artikel abheften unter den vielen, in denen Print-Journalisten unkundig und recherchiert über das Web schreiben. Nur gibt es eben derzeit ein Grundvorgehen seines Hauses, das mit der Klage gegen die Perlentaucher demonstriert: Freiheit ist eine Tugend, die bei der „FAZ“ nicht geschätzt wird. Und das sollte einer Redaktion mit Ehre irgendwann mal zu denken geben.
Eine Frage aber möchte ich mir noch erlauben: Was hätte Herr Geyer geschrieben, wenn jener umstrittene Kommentar von Herrn Jessen abgegeben worden wäre von einem Blogger oder Youtube-Nutzer?
Kommentare
Rainersacht 23. Januar 2008 um 15:14
Wer zu blöd ist, das Impressum eines Blogs zu finden oder eine Denic-Recherche zum Domian-Inhaber eines Blogs zu veranstalten, der wird immer wieder die Legende von den feigen, anonymen Blog-Schweinchen im Internet stricken. Wer das Internet nicht kapiert und es nicht hantieren kann, der sollte es in Sachen Blogs mit Dieter Nuhr halten: \“Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Schnauze halten.\“
nimue 23. Januar 2008 um 15:53
offensichtlich sind blogs jetzt die neuen ballerspiele 😉
bin gespannt, was als nächstes kommt…
McManor 23. Januar 2008 um 15:59
\“…Zum Beispiel die Blog-Schlammwelle\“
Wenn der Vorwurf des \“Beissreflexs\“ im Raume steht so scheint mir dieser Beitrag genau den doch zu bestaetigen. Christian Geyer schreibt doch von \“sogenannten „Leserkommentaren“\“ – das klingt nicht als wuerde er Blogs meinen. Zugegeben, er erweckt fuer mich subjektiv den Eindruck als wuerde er Blogs nicht von \“Leserkommentaren\“ unterscheiden koennen, aber das ist zunaechst nur eine Unterstellung. Sich auf genau diese Unterstellung dann zu konzentrieren um daraus einen feinen \“Demagogie\“ Angriff zu produzieren finde ich vom Stil her auch nicht besser als den kritisierten Beitrag von Herrn Geyer.
Sicher, er erweckt nicht gerade den Eindruck als sei er im Web2.0 zuhause und klingt als sei er zum ersten Mal mit dem rueden Umgangston in der Kommentarlandschaft konfrontiert worden. Aber nur weil er den die von ihm ausgemachten Leserkommentare nicht naeher bezeichnet oder gar lokalisiert muss man ihm ja nicht kuenstlich unterstellen er wuerde \“Blogs\“ schlechtreden wollen und Demagogie betreiben.
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PS: An Vorredner Rainersacht: Ich glaube um genau solche Mob-kommentare wie du ihn da abgeliefert hast geht es in der Thematik. Erstmal dem Kritiker nachplappern und \“abknallen das Schwein\“ bruellen, dann spaeter vielleicht mal nachdenken.
Thomas Knüwer 23. Januar 2008 um 16:11
Das Dumme ist nur, dass Geyer hier wieder alles miteinander vermischt. Und keine Belege nennt. Am Ende aber bleiben die Blogs als konkreteste Nennung eines Ortes. Und wie ich auch erwähnte: Dass es gerade auch bei den Angeboten der klassischen Medien hoch hergeht in Sachen Kommentare, wird besser verschwiegen.
Andreas F. 23. Januar 2008 um 16:32
Herrn Geyer kann man durchaus vorwerfen, dass er keine konkreten Quellen nennt. Er schreibt aber wiederholt von Leserkommentaren, nicht von Blog-Schreibern bzw. Bloggern. Ich sehe das nicht als einen Angriff auf Blogs oder Blogger. Aber das war ja schon beim DJV-Podium ein Problemchen, dass die eine Seite (Blog-)Kommentare meinte, und die andere das als einen Angriff auf Blogger empfand.
Wenn man mit verschiedenen von ihm zitierten Passagen herumgoogelt kommt man recht schnell (ich kam es zumindest) zu \“Politically incorrect\“, einem Blog, bei dem auf viele Kommentare zum Thema die Aussage von Herrn Geyer durchaus zutreffen kann bzw. zutrifft.
Für mich sieht es klar danach aus, dass er die Hetz- und Mob-Kommentare in o.g. Blog meinte, jenes Blog aber nicht namentlich nennen wollte.
mikel 23. Januar 2008 um 16:59
\“Natürlich sind etliche auf derartigen Internet-Seiten abgedruckten „Leserkommentare“\“,
heißt es in dem Geyer-Stück. Und das ist das bemerkens-werteste daran.
Auf einer Internetseite abgedruckt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Entlarvend.
Da gibt es keine Missverständnisse, wer was meint. Herr Geyer meint genau das. Abgedruckte Leserkommentare und die allgewaltige Hauptredaktion des Internets hat das abgenickt.
Muss verboten werden.
Giesbert Damaschke 23. Januar 2008 um 17:28
> \“, dass es keine Welle von Blogs gibt, die Jessen diffamieren.\“
genau das ist der Grund, warum die, äh, seriösen PrintJournalisten regelmäßig so ausrasten. Nicht, weil das Netz so ungerecht zu ihnen wäre, sondern weil das Netz sie weiträumig ganz einfach ignoriert.
Mal ehrlich: Wen interessiert denn überhaupt noch, was die SZ, FAZ & Co. über Blogs glauben schreiben zu müssen? (Ich finde Deine Erregungsbereitschaft in diesem Punkt immer ganz niedlich.)
Eben weil es *keine* Schlammwelle gibt, muss sie herbeifantasiert werden, um die aufdämmernde Erkenntnis der wachsenden Bedeutungslosigkeit des eigenen Treibens klein zu halten.
Sie regen sich auf, weil sie nicht mitspielen können und die Regeln nicht verstehen. That\’s all. Ist ja nix online-spezifisches, sondern als Variante der Sauren Trauben ein weit verbreitetes Handlungsmuster.
Sanníe 23. Januar 2008 um 17:30
Hätten Sie in der Blogsearch von Google nach Jens jessen gesucht, hätten Sie 100 Treffer seit dem 11. Januar gehabt. Aber tatsächlich gibt es in kaum einem Blog solche Ausschreitungen wie in den Kommentaren zu Online-Zeitungsartikeln.
Das ist mir aber schon häufig übel aufgestoßen, was für dummbräsiges Volk da über zuviel Freizeit verfügt. Von Debatte meist keine Spur, egal bei welchem Qualitätsmedium. So langsam beginne ich diese anachronistische Moderation bei der SZ zu verstehen. Denn wer seit Jahren in der Diskussionskultur der Blogs zuhause ist, den können diese unreflektierten Meinungen nur abstoßen.
arboretum 23. Januar 2008 um 17:51
Es ging aber gar nicht um Blogs, sondern um die Kommentare zu Jessens Video-Posting. In einem Interview mit dem Deutschlandradio sprach er von harschen Reaktionen und das ungeheuerlich sei, was sich da organisiere. \“Das ist so \’n rechtsradikaler Mob, ja. Obwohl ich einschränkend sagen muss: Es gibt Experten, die behaupten, das stimme nicht oder es seien nicht weit über 200 Leute, die sich da empören, sondern nur ein paar Dutzend. Und es handelt sich immer wieder um dieselben Leuten, die neue Mails schreiben und die einem Netzwerk angehören, was in einer gewissen Verbindung zu einer Internetseite steht. Das weiß ich nicht. Aber es gibt Leute, die das behaupten.\“
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/727382
Jessen hat übrigens selbst auf diese Leserzuschriften geantwortet:
http://www.zeit.de/online/2008/03/intoleranz-antwort
Eine Auswahl dieser Zuschriften kann man dort nachlesen:
http://www.zeit.de/online/2008/03/intoleranz-video-leserbeitraege
arboretum 23. Januar 2008 um 17:55
Hier nochmals der Link zum Interview mit dem Deutschlandradio (der oben führt nicht ans richtige Ziel, beim DRadio funktionieren solche Links zu Interview-Transkripten leider oft nicht gescheit):
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/727382/
MP3s
Teil I: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2008/01/21/drk_20080121_1012_27ead882.mp3
Teil II: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2008/01/21/drk_20080121_1013_212d0a36.mp3
-mcj- 23. Januar 2008 um 18:03
Die \“Leserkommentare\“, die man gerade auch auf den Internetseiten der großen Medien immer so findet, geben mir allerdings auch sehr oft zu denken.
Ich finde die Kommentarfunktion ja auch sehr gut und die Ergebnisse ziemlich unterhaltsam, aber hallo: Was die Leute da alles so schreiben…?!
Geht das eigentlich nur mir so?
(Ich hoffe, ich bin jetzt nicht zu weit weg vom eigentlichen Thema hier)
André Wegner 23. Januar 2008 um 19:01
Meinungsäußerungen zum aus meiner Sicht unsäglichen Versuch Täter in Opfer umzudeuten, gibt es wirklich wesentlich mehr als Herr Knüwer in seinem Artikel darstellt.
Wer hier nur Blog-Postings als Faktor heranzieht, zählt zu kurz. Bei einer solchen Betrachtung sollte man auch Kommentare zu Postings, Artikeln, Meldungen, beim Youtube-Video etc. berücksichtigen.
Dann kann man schon nachvollziehen, dass der FAZ-Autor von einer Welle schreibt. Man mag nicht seiner Meinung sein oder es nicht (mehr) bemerkenswert finden, weil man das selber schon kennt und Diskussions-erprobt seit den Usenet-Flame-Wars ist, aber generell scheint mir schon dass hier der Beiss-Reflex zugeschlagen hat. 😉
dogfood 23. Januar 2008 um 20:00
Wo ist das Problem? Ein saftiger Kommentar in den Tagesthemen (okay, hypothetisches Beispiel) hätte früher auch \“Wellen von Schlamm\“ erzeugt. In den Kneipen, in den Mittagspausen der arbeitenden Bevölkerung etc…
Jetzt halt in diversen Online-Schauplätzen.
Der einzige Unterschied: Geyer & Jessen werden erstmals mit diesen Reaktionen konfrontiert, können erstmals das lesen und hören was sie losgetreten haben.
Aktion und Reaktion.
Scheint ein Problem für viele zu sein, u.a. Geyer et Jessen.
Jesco Freund 23. Januar 2008 um 20:03
Die armen \“Journalisten\“ – jetzt müssen sie sich auf einmal \“widerlichen und totalitären\“ Dingen aussetzen, die einem als Publizierendem im Internet entgegenbranden. Für mich sieht das so aus, als würden einige der Herren die Medizin überhaupt nicht vertragen, mit deren Verabreichung an andere sie die Auflagen ihrer Blätter in die Höhe zu treiben versuchen.
Zugegeben, manches Feedback in Blogs grenzt an Schmähkritik. Aber das ist doch eher die Ausnahme, kritische Anmerkungen sehe ich eher als Bereicherung. Nur mussten sich Journalisten bei Printmedien jahrzehntelang eben kein Feedback geben lassen, und die Angst, dass Leser ihre Meinung öffentlich und im Gegensatz zum klassischen Leserbrief unkontrolliert kundtun, könnte ja auch dem eigenen Ansehen beim Chef schaden…
*gelöscht* 24. Januar 2008 um 0:04
***Hier stand ein weiterer rechtsradikaler Kommentar.***
Franktireur 24. Januar 2008 um 2:05
Ich finde es stets aufs neue bemerkenswert, daß die \“prof. Qualitätsjournalisten\“ bei FAZ, Zeit, SZ und Co. in der Regel nicht in der Lage sind, ihre Quellen zu nennen (z.B. durch Hinweisverlinkung). Zum zweiten sehe ich selten, daß Kommentare bei Diskussionen bei SZ, FAZ und Co irgendwie wesentlich gehaltvoller wären als in unabhängigen blogs.
Also, Schwamm drüber, was so ein Geyer da von sich gibt (auch da ist wahrscheinlich viel Angst um den eigenen popeligen job im Spiel wegen des bösen bösen Internets).
Jörg Friedrich 24. Januar 2008 um 10:07
Bei der Beurteilung des FAZ-Artikels muss man auch bedenken, dass er sich an Zeitungsleser wendet, von denen die Mehrzahl bisher vermutlich nicht mit der Blog-Szene vertraut sind. Ihre Zeitung zeichnet ihnen hier ein Bild, und betrachtet man dieses, scheint es nur ein Ziel zu geben: Abschreckung. Es wird eine Fratze gezeichnet, undifferenziert und grob. Wie das Bild des Russen zu Zeiten des kalten Krieges.
weltherrscher 24. Januar 2008 um 13:12
wenn ich solche artikel lese (faz), dann fühlt man sich ein bisschen wie der \“terrorist\“ der ja gerade für alles herhalten muss, z.b. die abschaffung der freiheit als solches, die meinungsfreiheit und sogar die demokratie. schäubles erben werden ein leichtes spiel haben. und solche artikel (faz) sind/waren die grundlage dafür.
das bild der klassischen presse nimmt langsam aber sicher gestalt an. der ideologische(geld-)kampf der presse um die meinungshoheit im lande, also aus prinzip gegen blogs sein, wird natürlich irgendwann enden, fraglich ist nur, wer am ende noch ins internet schreiben wird?
ich bin mal gespannt..
Chat Atkins 24. Januar 2008 um 13:18
@ Andreas F. und McManor: Wo bitteschön bezöge sich denn der Mann nur auf die \’Leserkommentare\‘? Könnt ihr denn – hol\’s der Geyer! – nicht präzise lesen? Dieser Krummschnabel schreibt doch wortwörtlich: \“Anhand der unfassbaren Reaktionen auf Jens Jessen zeigt sich, wie recht jene haben, die warnend auf die völlige Unkontrolliertheit von Internet und Blogs hinweisen, auf das krasse Missverhältnis zwischen identifizierbaren Autoren und anonymer Pöbelmasse\“. Anständige \’identifizierbare Autoren\‘ wie \’Jens Jessen\‘ gibt\’s also einerseits – und eine \’anonyme Pöbelmasse\‘ aus \’Bloggern\‘ im Internet andererseits. Wozu auch ich mich dann wohl zählen muss, weil er in seinem Furor ja alles über einen Kamm schlägt. Da ist also nix mit angeblich und ersatzweise stattdessen gemeinten \’Leserkommentaren\‘. Textlich wäre vielmehr eindeutig zu belegen mit dem Wissen der ersten Stunde Hermeneutik – der Mann hat mich ohne Grund und Anlass beleidigt, nur weil ich blogge …
buh 24. Januar 2008 um 15:15
Jetzt atmen wir alle mal wieder durch die Nase, bitte. Der Text ruft dazu auf, vernünftig zu diskutieren, mehr nicht. Da steht nirgends, dass Blogger oder Surfer generell kein Rederecht haben sollten. Und: So wie ich das verstehe, gehören zu den \“identifizierbaren Autoren\“ auch Blogger, die \“Pöbelmasse\“ ist der mögliche Mob in den Kommentaren. Den angeblichen Kampf um die Meinungshoheit seh ich nirgends.
***gelöscht*** 24. Januar 2008 um 16:44
***Hier stand eine platte Beleidigung.***
Sascha Stoltenow 24. Januar 2008 um 21:30
Äh, waren es nicht FAZ und vor allem Bild, die da eine Empörungswelle lostreten wollten? Vermutlich ärgert sich Geyer darüber, dass die Blogger eben nicht darauf eingegangen sind.
Chat Atkins 25. Januar 2008 um 9:24
Genau – die FAZ lässt ihre Leserschaft von der Kette und zetert ersatzweise über Blogger – das beschreibt das, was vorging, sehr viel exakter.
Karluscha 25. Januar 2008 um 12:56
Dieses technikbegeisterte Differenzieren zwischen Blog und Leserkommentaren zeigt zwar, dass der Blogger super drauf ist und die Printjournalisten vielleicht nicht, aber es kommt doch auf etwas Anderes an: Dass mit neuen Moeglichkeiten, Oeffentlichkeit herzustellen und Meinungen zu beeinflussen, die Gefahr der Manipulation waechst. Das Radio, eine unschuldige Erfindung, wurde in den Haenden der Nazis zu einem Machtfaktor. Und was ich im Leserkommentarteil der ZEIT lesen musste, hat mich – eigentlich abgebruehten – Leser blass werden lassen. Unter einem einzigen Artikel waren mehr als 500 Kommentare, darunter welche, die es in der veroeffentlichten Oeffentlichkeit seit Mitte der 40er Jahre nicht mehr gegeben hat.
Karluscha 25. Januar 2008 um 13:04
Und zur Klarstellung: Wer bei Technorati \“Jessen Zeit\“ eingibt, kommt nicht auf 41, sondern auf 85 Treffer. Vielleicht ist das – neben dem Honorar – der Hauptunterschied zwischen Journalisten (der Qualitaetspresse) und Bloggern: eine gründliche Recherche.
dogfood 25. Januar 2008 um 13:13
@Karluscha: Und? Wo ist Ihr Problem? Ist es die schiere Zahl (\“mehr als 500 Kommentare\“ – wow, gabs im Internet noch nie, sic!)?
Ist es die Qualität der Kommentare?
\“darunter welche, die es in der veroeffentlichten Oeffentlichkeit seit Mitte der 40er Jahre nicht mehr gegeben hat\“
Erstaunlich bei mehr 500 Kommentaren in einem Land mit 2-15% Sympathisanten für Rechtspopulisten oder Rechtsextreme. Und diese Leute sind wahrscheinlich nicht erst seit dem Internet vom Himmel gefallen, sondern haben schon vorher in Kneipen oder Fußballstadien krakelt, haben Plakate an Häuserwände geklebt oder Broschüren verschickt.
Ihr Problem scheint eher zu sein, dass Sie sich auf ZEIT.de in einem kleinen Ghetto wähnten, wo nur ein bestimmtes Meinungsspektrum vorhanden ist und nun der Alltag in den Leserkommentaren Einzug hielt. So ungefähr müssen sich auch die Monatskartenbesitzer in der Hamburger S-Bahn gefühlt haben, als plötzlich die Erste-Klasse-Wagen aufgegeben wurden und man mit dem gemeinen Pöbel fahren musste.
dogfood 25. Januar 2008 um 13:15
@Karluscha: zu ihremn Nachtrag
\“Wer bei Technorati \“Jessen Zeit\“ eingibt, kommt nicht auf 41, sondern auf 85 Treffer\“
Sie haben aber schon das Prinzip des Internets und von Technorati soweit begriffen, dass Ihnen klar ist, dass vier Tage später bei einer Suchabfrage ein anderers Ergebnis rauskommen kann? Das ist nämlich etwas anders als beim Radio unter den Nazis.
dogfood 25. Januar 2008 um 13:16
(Korrigiere: zwei Tage)
Chat Atkins 25. Januar 2008 um 13:46
@ Karluscha: Das ist kein \’technikbegeistertes Differenzieren\‘, sondern ein höchst notwendiges Differenzieren: Bei den Lesekommentaren versammelt sich nämlich das Publikum von \’Old Media\‘, die SZ-, FR-, FAZ- und Zeit-Abonnenten mit Internetanschluss also, die im Web 2.0 sich aber noch nicht allzuweit rauszuschwimmen trauen. M.a.W.: Der Journalist trifft dort auf \’sein\‘ angestammtes Publikum, das zugegebenermaßen zum Teil ziemlich übel drauf ist. Das hat man als Journalist in der guten, alten Lesebrief-Zeit bloß gar nicht so gemerkt.
In den Blogs dagegen trifft sich eher \’das Internet\‘, jene Leute also, die sich zunehmend kaum noch aus Zeitungen informieren, die also deshalb, weil sie sich auch außerhalb der großen Tore der \’Gatekeeper\‘ noch auskennen, viel informierter sind. Auf die wiederum die Geyer der Dampfmedien voll schwarzer Rachegefühle im Herzen lauern, denn da geht ihr Einfluss hin. Und diese Internet-Szene wiederum erinnert mich noch immer – trotz der Ausnahme von PI und einigen wenigen Krawallexoten – mehr an jene gute, alte Salonkultur, wo man sich mit Argumenten zu streiten pflegte – und nicht mit dem FAZ-Knüppel.
Weltregierung 25. Januar 2008 um 15:06
klassische \“Klowand\“, oder?
– Grussregierung.
Chat Atkins 25. Januar 2008 um 15:41
Denen gehen bei ihrem Massengestruller längst die Klowände aus …
😉
Presserat a.D. 26. Januar 2008 um 6:16
@ Chat Atkins:
>die FAZ lässt ihre Leserschaft von der Kette und zetert ersatzweise über Blogger – das beschreibt das, was vorging, sehr viel exakter
Ergänze \“ihre Leserschaft\“ durch \“ihre und die BILD-Leserschaft\“ und präzisiere \“ersatzweise\“ durch \“in Haltet-den-Dieb-Manier\“ und das von Qualitätsherausgeber Schirmmacher und seinem Lohnschreiber Geyer gerittene Manöver ist auf den Punkt gebracht. Nicht zu vergessen die Nebelkerze in Form des 5000-Euro-\’Bußzahlungs\‘-Deals für das \’unautorisierte\‘ Plakatieren der Schirrmacherschen Mobilmachung durch BILD.
Thomas Knüwer 26. Januar 2008 um 12:32
Ich würde übrigens nicht direkt davon ausgehen, dass sich Zeitungsleser und Online-Leser überschneiden. Leider habe ich keine Details zur \“FAZ\“, aber bei uns ist es so, dass die Überschneidung recht gering ist. Eventuell liest hier ja der eine oder andere Online- oder Print-Redakteur aus anderem Hause mit und kann uns zuwerfen, ob dies so auch bei seinem Arbeitgeber gilt?
Ricci Riegelhuth 30. Januar 2008 um 21:11
Georg Christoph Lichtenberg kannte solche Zeitgenossen wie Herrn Geyer schon früher und beschrieb ihre Affektiertheit wie folgt:
\“Es gibt eine gewisse Art von gekünsteltem Unsinn den der Halbköpfige leicht für tiefe Weisheit, ja wohl gar für ein Weben des Genies hält, erstimulierte Ausbrüche eines fundamentlosen Enthusisamus, ein fieberhaftes Haschen nach Orginalismus ohne Richtigkeit der Empfindungen, in welchem der Frankfurter Rezensent(seit Lichtenbergs Zeiten hat sich nichts geändert!Anmerkung durch Schreiber!) oder der Primaner aller Orten shakespearische Inspiration zu wittern glaubt, das Rauschen von Libanons ewiger Zeder, die donnerden Tritte des Würg-Engels, und den Klang der Posaune des letzten Tages hört. Es ist nichts.
Fünf gegen eins,
der Mann der es geschrieben hat ist ein Tropf,
der mehr scheinen will als er ist,
und damit ist seine arme Seele für den Ruhm der Nachwelt hin als hätte sie das Licht nie gesehen oder den Satz des Widerspruchs nie gedacht.\“
Ricci 31. Januar 2008 um 10:09
Dem Kommentar von Herrn Broder im Spiegel zu dem hier eingepflegten Video von Herrn Jessen ist auch nichts hinzuzufügen.
\“Idividuen und Nationen haben unterschiedliche Tugenden und gleich Defekte.
Die Gemeinheit ist unser gemeinsames Erbe.\“
Nicolas Gomez Davila
Ricci 31. Januar 2008 um 10:11
Pardon, hier der Link:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,529487,00.html
Ricci Riegelhuth 22. Februar 2008 um 5:52
Bei Medikamenten ist es seit etlichen Jahren Pflicht.
Warum weißt ein Warnhinweis nicht auch für Zeitungen auf deren gefährlich hin?
Etwa so:
Freundlicher Leser!
\“Der du noch immer die Zeitung für ein von geheimnisvoller Macht Erschaffenes, aus pythischem Munde Weisheit Kündendes, beim Morgenkaffee plötzlich Daliegendes hältst, der du vom Offenbarungsschauer dich angewehet und der Ewigkeit näher fühlst, wenn Löwy oder Müller im Wir-Ton leitartikeln …, werde misstrauisch, und einer von Druckerschwärze fast schon zerfressenen Kultur winkt die Errettung.
Lasse den Zeitungsmenschen als Nachrichtenbringer und kommerziellen Vermittler sich ausleben, aber peitsche ihm den frechen Wahn aus, dass er … berufen sei, geistigen Werten die Sanction zu erteilen. Nimm das gedruckte nicht ehrfürchtig für baare Münze!
Denn deine Heiligen haben zuvor für das gedruckte Wort baare Münze genommen.\“
Zitat Karl Kraus