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Die Publicity-Geilheit mancher Politiker bewegt sich auf dem gleichen Niveau wie die von Erotikanbietern. Für eine gute Schlagzeile macht mancher alles. Katina (ja, die heißt wirklich so) Schubert, zum Beispiel. Die Dame mit den kurzen Haaren und einem Hang zu extrem schlechten Portraitfotos und bizarr gestalteten Internet-Seiten ist stellvertretende Chefin der Linkspartei.

Nun tritt sie als Sprecherin einer Strafanzeige der Linkspartei auf. Wer angezeigt wird? Wikipedia. Wegen „Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole“. Dabei geht es anscheinend, schreibt Welt.de, um den Eintrag über die Hitler.Jugend. Der enthält in der Tat ein Bild eines HJ-Abzeichens:

Solch eine Abbildung ist für die zart besaitete Frau Schubert schon ein Angriff Rechtsradikaler. Würde man logisch weiterdenken, so dürften die nächsten Strafanzeigen gegen Geschichtsbücher und Guido Knopp erfolgen. Bezeichnend ist, dass es um einen Artikel geht, der bereits inhaltlich diskutiert wird.

Dass die Linksparteilerin aber Strafanzeige stellt ohne vorher mit Wikimedia, dem Verein, der Kontaktstelle für das Online-Lexikon in Deutschland ist, Kontakt aufzunehmen, zeigt die wahre Motivation: PR. „Linkspartei zeigt Wikipedia an“ – das klingt nach Tatkraft, nach Gut gegen Böse, nach Ahnung vom Internet. Zumindest wenn man „Bild“-Leser ist oder Wirtschaftsminister oder Wolfgang Schäuble heißt.

Damit bewegt sich die Dame auf dem gleichen Niveau wie Tobias Huch. Huch ist Chef von Huch Medien, einem Porno-Unternehmen. Und er reichte eine bizarre Klage ein: Arcor, der Online-Zugangsanbieter, solle Google sperren. Weil die Google-Bildersuche eben auch Porno-Bilder finde. Auch hier geht es nicht um die Klärung einer rechtlichen Fragen, sondern vor allem um eines: PR.

Nun ist man geneigt, einem Porno-Unternehmer das Verstopfen des ohnehin schon überlasteten Rechtssystems noch zuzugestehen. Wenn aber ein Politikerin das gleiche Spiel spielt, ist es unerträglich.

Nachtrag: Ganz vergessen habe ich, mir die natürlich erschienene Pressemitteilung der Linkspartei anzuschauen. Der Pottblogger aber hat das getan. Und wie er kann ich nur den Kopf schütteln ob bizarrer Argumentationen wie:

„Es kann und darf nicht sein, dass Einträge aus NS-Quellen zitieren und weit über das, rechtlich geschützte, Maß an Aufklärung hinaus Materialien und Kennzeichen verfassungsfeindlicher und verbotener Organisationen Verwendung finden.“

Nachtrag vom 7.12.: Vielleicht bin ich ja zu dumm. Kann ja sein. Aber Herr Huch behauptet laut Heise, „dass über die Bildersuche von Google noch auf dem Angebot der Suchmaschine selbst etwa bei der Eingabe von einschlägigen Begriffen wie „Porno“, „Fick“ oder „Oralsex“ Hunderte pornographischer Bilder für Nutzer jeglichen Alters angezeigt werden.“

Dies deutet ja nun auf die Bildersuche hin. Nur: wenn ich mit diesen Suchbegriffen in die Bildersuche gehe, entdecke ich nur einen winzigen Anteil von Bildern, die in den Bereich der Hardcore-Pornos fallen. Im Gegensatz dazu wird die von Huch betriebene Seite Amateurstar von unserer ansonsten in Sachen „sexually explicit“ sehr scharfen Firewall durchgelassen.

Nachtrag II: Die Strafanzeige hat die Dame von der Linkspartei zurückgezogen. (Danke an Mathias Schindler für den Hinweis.) Nur: Das hilft nicht viel. Denn in solch einem Fall gehen die Ermittlungen trotzdem weiter.


Kommentare


alphager 6. Dezember 2007 um 17:10

Herr Knüwer,
es hilft, wenn man ein wenig recherchiert. Der Pornoanbieter klagt nicht (nur) weil er PR will, sondern weil er eine bereits bestehende Zensur des Internets stoppen möchte.
Lesen Sie zum Beispiel den Artikel dazu auf heise.de ( http://www.heise.de/newsticker/meldung/100035 ):
Zitat:

Der Geschäftsführer von Huch Medien, Tobias Huch, will mit seinem Vorstoß der Justiz nun auf den Zahn fühlen und die Tragweite der Haftungsfreistellungen testen. \“Das Gericht soll sagen, ob die Welt am deutschen Wesen genesen soll\“, erklärte der Unternehmer gegenüber heise online. Wenn hierzulande Seiten wie YouPorn gesperrt werden müssten, dürfen entsprechende Anträge bei den Providern bald auch wegen eines fehlenden Impressums im Web eingehen. Zudem dürfe man sich in einem solchen Rechtssystem auch nicht beklagen, \“wenn China großflächig Webseiten sperrt\“.
Zitatende.

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LeClerc 6. Dezember 2007 um 17:11

Jaja, statt miteinander zu sprechen wird geklagt, das ist wohl einfacher. Und zunehmend moderner. In der Tat entspricht das ja auch dem Konzept Schuberts Homepage: Statische Inhalte, Punkt. Wie aberwitzig die Klage ist weiß natürlich niemand, der nicht die umfassende, langjährige Diskussionskultur und das bewährte Redaktionssystem der Wikipedia kennt. Wenn sie diese Vorwürfe gegen schlecht administrierte Communities wie z.B. StudiVZ mit seinen Diskussionsgruppen erhoben hätte, in denen sich rechtsextreme Gruppen mit eindeutigem Bildmaterial trotz Meldung durch Mitglieder über Monate hinweg halten können, wäre es ja noch zu verstehen.

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Thomas Knüwer 6. Dezember 2007 um 17:26

@Alphager: Ja, das ist die Behauptung. Der Haken an der Sache: Die endgültige Klärung könnte erst in Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgen. Hier aber wird ein völlig neuer Fall aufgemacht: Google kein Anbieter, sondern ein Durchleiter. Das macht die Sache erheblich komplizierter.

Aus meiner Sicht – die Juristen dürfen mir gerne widersprechen – geht es hier nur um die Schlagzeile. Denn was, wenn das Gericht sagt: Eine Google-Sperrung ist nicht rechtens? Dann lässt sich dies nur bedingt überleiten auf den Fall der gesperrten Porno-Seiten bei Arcor.

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neudersdorf 6. Dezember 2007 um 17:32

Wenn ein Politiker nicht mehr weiter weiß, reicht er Klage eine, oder bildet einen Arbeitskreis. Frage mich, wer den Schwachsinn wieder einmal bezahlt?

Und über haupt, dass Politiker viel Schwachsinn reden, nur um Publicity zu machen, das ist doch nun wirklich keine Meldung mehr wert. Wenn alles nicht gedruckt oder anderweitig veröffentlicht würde, was dem Unsinn Ehre machte, wären die Zeitungen halb \“voll\“ leerer Seiten.
Heute: Ypsilanti will Vermögensteuer nur in Hessen einführen, stellen Sie sich das mal vor. Haben wir schon die Bildungsmisere, weil jedes Bundesland seinen eigenen Kopf durchsezten muss. Jetzt auch noch bei der Vermögensteuer, demnächst beim Nichtraucherverbot, den Feiertagen, Ladenöffnungszeiten. Kommt so weit, eigene Fahrpläne für den Intercitty, jedes Bundesland seine eigene Fahrtzeit, dann merken wir endlich, dass Kleinstaaterei nur bei Kleigeistigkeit möglich ist.

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tensidpropaganda 6. Dezember 2007 um 17:50

Sind nicht die Seiten bei Arcor gesperrt? Das LG Kiel hat es glaube ich etwas anders gesehen.

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Onyro 6. Dezember 2007 um 18:31

Die Klage ist wirklich ein schlechter Scherz. So riskiert die Linkspartei höchstens, dass ihr eigener Wikipedia Eintrag von Nutzern unangenehm verschärft und mit dem HJ-Eintrag verlinkt wird.

P.S.: Was Portraitphotos angeht (und das von Fr. Schubert ist wirklich so bescheiden wie das ganze Layout ihrer Seite) sollten Sie allerdings nicht zu heftig mit Steinen werfen. Gestellte Denkerpose vor retouchiertem Tintenfäßchen-Hintergrund (oder sind es doch Topfpflanzen?) ist auch nicht gerade das Markenzeichen von modernen Star-Portraits.

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Thomas Knüwer 6. Dezember 2007 um 18:43

@tensidpropaganda: Sorry, stimmt. Ich habs korrigiert.

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XiongShui 6. Dezember 2007 um 19:39

Witzig, neben all\‘ dem anderen, schießt sie sich auch noch mit Orwell ins Knie. Denn der hatte sein \“1984\“ als Warnung vor der Bedrohung der Freiheit durch den Kommunismus geschrieben.

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Claus the mouse 6. Dezember 2007 um 20:32

Zitierter Satz aus der Pressemitteilung am Schluss lässt mich folgern, dass die Historiker demnächst auf bestimmte Bestandstitel in der Bibliothek erst Zugriff bekommen, wenn sie sich als standfest im Sinne von Frau Schubert erwiesen haben: Psst, Pssst! Guck mal da rein aber niemandem weitersagen oder verwenden!
Ob sie mit so etwas ihre \“gesellschaftlichen Mehrheiten\“ bekommen und damit den gewünschten \“Politikwechsel\“ bewirken wird? Ich glaube nicht, dass hier die Frau einen gewissen linken Exhibitionismus auf die Spitze treibt wegen der Publicity, sondern dass sie in ihrer eigenen Welt gefangen nicht mehr zur Abschätzung dessen gelangen kann, wie das draussen wirkt. Lassen wir ihr diesen Erfolg.

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Peter Pan 7. Dezember 2007 um 0:23

Sie sind also ein Journalist vom Handelsblatt und machen eine so oberflächliche Recherche? Die Klage von Tobias Huch und seiner Huch Medien GmbH hat nicht das Geringste mit \“PR\“ zu tun. Schauen Sie doch einfach auf die angegebene Website und schauen Sie, was Herr Huch sonst so im Internet macht. \“PR\“ hat dieser Mann auf diese Weise bestimmt nicht nötig. Bei Huchs Aktion geht es um eine erstklassige Zensurkritik und Sie machen sich mit Ihrem niveaulosen Text zu den Zensurunterstützern und Mittätern. Anstatt sich bei Herrn Huch für seine brilliante Idee zu bedanken – immerhin schützt er auch IHRE Freiheit – , vergleichen Sie Ihn mit einer PR-geilen SED/PDS-Politikerin.

Es ist wohl an der Zeit, dass Sie sich für Ihren oberflächlichen Artikel bei Herrn Huch entschuldigen und seine Aktion als Journalist unterstützen. Wenn Sie dies nicht machen sollten, haben Sie sich als Journalist disqualifiziert und sollten beim Handelsblatt kündigen.

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Thomas Knüwer 7. Dezember 2007 um 8:43

Lieber Peter Pan, Sie haben eine bemerkenswerte Vorstellung von Journalismus. Ich unterstütze keine Aktion, selbst wenn ich sie richtig fände. Journalisten haben neutral zu sein.

Was Herrn Huch betrifft: Gerichte sind kein Ort für Systemkritik. Dafür ist die Politik da. Leider aber vergisst das mancher.

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Stephan Dörner 7. Dezember 2007 um 9:31

Fairerweise sollte man dazu sagen, dass nicht alle in der Linkspartei den Unsinn mitmachen:

Inzwischen bekommt Schubert Gegenwind aus den eigenen Reihen. Der Medienexperte der Linken im Sächsischen Landtag, Heiko Hilker, widerspricht der stellvertretenden Bundesvorsitzenden. In einem Statement erklärt Hilker: \“Die Position von Katina Schubert wird weder von mir noch von den medienpolitischen Experten der Bundestagsfraktion geteilt. Ihr Vorgehen, eine Strafanzeige gegen Wikipedia zu stellen, ist falsch und wird das von ihr dargelegte Problem nicht lösen.\“

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/100170

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Hartz 7. Dezember 2007 um 10:27

@ XiongShui: Nee nee, Orwell hatte 1984 als eine Warnung an den ausufernden Überwachungsstaat gemeint. Es war eher eine Faschismus Kritik. Mal bei der Wahrheit bleiben.

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G 7. Dezember 2007 um 10:44

Guido Knopp ist nun ein ganz doofes Beispiel. 😉
Den sollte man wegen seiner schlechten Filme tatsächlich anzeigen.

Und unter Historikern ist er nicht wirklich beliebt.

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Stephan Dörner 7. Dezember 2007 um 11:08

>Es war eher eine Faschismus Kritik.

Eher noch eine Stalinismus-Kritik. Die Bürger reden sich gegenseitig mit \“comrade\“ an etc.

>Den sollte man wegen seiner schlechten Filme tatsächlich anzeigen.

Haha, Ack!

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Jochen Hoff 7. Dezember 2007 um 11:16

Die Linkspartei hat ihr wahres Gesicht gezeigt. Für ein wenig Medienrummel ist sie bereit alles zu verraten, für das sie angeblich steht. Ich habe der Dame per Mail empfohlen, doch nackt auf einem Weihnachstmarkt aufzutreten. Das bringt ihr auch Medienrummel und schadet wenigstens niemandem.

Wenn sie allerdings Guido Knopp verklagen würde, wäre das nett. Der ist oft nahe daran, aus seiner stillen Bewunderung, eine Verklärung zu machen. Ob der sich auch schon ein Schiff von Göring gekauft hat?

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Kinch 7. Dezember 2007 um 13:15

Nach eigenem Bekunden hatte die arme Frau Schubert keine Kontaktadresse der Wikimedia gefunden.
Ein Impressum scheint ihr vermutlich ebenso fremd, wie die Möglichkeit an einer Diskussion um den Artikel konstruktiv mitzuwirken.
Also wenn das mal nicht nach Tatkraft und Ahnung vom Internet klingt.

Im Übrigen: In diesem Blogeintrag wird ein verfassungsfeindliches Symbol verwendet. Böse, böse.

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Markus Pirchner 7. Dezember 2007 um 16:44

Hier geht es nicht um PR, sondern um Publicity. \“Besten\“falls handelt es sich um propagandistischen Aktionismus. PR ist das nicht.

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XiongShui 7. Dezember 2007 um 21:25

@ Hartz,
es gehört zu den Vernebelungstatktiken der linken Szene, daß man die antistalinistischen und antikommunistischen Werke Orwells umzudeuten versucht. \“Ehrlicher\“ als die Deutsche Wikipedia ist da die englische Ausgabe.
(mehr: http://buettchenbunt.de/node/568)

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