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Journalismus ist kein Beamtentum. Und kein Ponyhof. Das sollte sich vielleicht auch mal die Redaktion von „Frontal 21“ ins Gedächtnis rufen. Auch ich bin des Themas eigentlich müde. Videospiele und die inkompetente Berichterstattung der öffentlich-rechtlich subventionierten Privatsender darüber, meine ich. Doch nun versucht „Frontal 21“ anscheinend eine PR-Offensive, mit PR haben sie ja reichlich Erfahrung, um den angekratzten Ruf ein wenig aufzuhübschen.

Da wäre zunächst eine Stellungnahme von Redaktionsleiter Claus Richter, die es leider nur als PDF und ohne Datum gibt. Ihre Argumentation ist eher wackelig, nachzulesen bei D-Frag.

Und es gibt ein Interview mit Rainer Fromm, der von Jetzt.de als „Experte für Computerspiele“ von „Frontal 21“ bezeichnet wird. Fromm ist ein Freund steiler Thesen. Zum Beispiel der, dass das Internet neue Rechtsradikale schaffe, was wohl der Beweis für das Funktionieren Künstlicher Intelligenz ist: eine Technik schafft Gesinnung. Ach ja, am Satanismus ist das Internet auch schuld.

Fromms Argumente finden nicht immer Begeisterung. Das Buch „Anklage unerwünscht“, bei dem er mitschrieb, bezeichnete die „Berliner Zeitung“ als „Justizkritik auf unterstem Niveau“, die „FAZ“ bescheinigt „reißerischen Stil“.

Über einen Bericht Fromms über Satanismus-Morde für „ZDF Reporter“ vermerkt die „FAZ“ vom 17.1.2003: „Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz indes meldet „erhebliche Zweifel“ an dem Bericht an.“ Die „Berliner Zeitung“ schreibt zu der Sendung:
„Was also soll man von dem ZDF-Schocker halten? Gibt es nun zersägte Babys oder nicht? Essen Kannibalen deutsche Kinder oder nicht? Wenn so etwas ohne einen Hauch von Zweifel und mit großem Brimborium behauptet wird, dann ist es mit Indizien nicht getan. Dann darf man von einem öffentlich-rechtlichen Sender, der Seriosität sein Markenzeichen nennt, Beweise erwarten….

Schon einmal gab es einen Film zu diesem Thema. Im Dezember 2001 zeigte der NDR die Reportage „Höllenleben“, das Porträt einer 40-jährigen Frau, die unter multipler Persönlichkeitsstörung leidet. Nicki berichtete von Kindesmissbrauch, Folter, Kindstötungen. Die Filmemacher sprachen von einer satanistischen Sekte, können aber, ebenso wie der Autor des ZDF-Beitrages, nichts belegen. Am Ende des Films erstattet Nicki Anzeige. Was man nicht mehr sieht: Die Kripo in Gütersloh ermittelt. Sie findet keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen.“

Am 13.6.2001 schreibt die „FAZ“ über eine dreiteilige Serie des MDR über Neonazis, bei der Fromm einer der Autoren war:
„Den jungen Autoren Jan Peter, Yuri Winterberg und Rainer Fromm, allesamt erst in den Dreißigern, muß man politische Naivität vorwerfen…
Ihr Ziel ist Aufklärung, doch sie betreiben Skandalisierung und Panikmache und liefern damit den Beweis, daß sich ein sensibles Thema wie der Rechtsradikalismus in das Fünfundvierzig-Minuten-Korsett für zuschauerträchtige Dokumentationen nicht einzwängen läßt.“

Zur ersten Sendung von „ZDF Reporter“ schreibt die „FAZ“ am 19.1.2001:
„Im folgenden Film über drei ermordete Obdachlose in Greifswald können sich Harald Lüders und Rainer Fromm nicht entscheiden, ob sie die Ursachen der Gewalt erforschen oder einen der Getöteten porträtieren wollen. Ihren Beitrag beenden sie mit dem „Gerücht“, daß auch jener Autounfall, der kurz zuvor den Bruder eines Opfers das Leben kostete, gar kein Unfall gewesen sei. Wäre es aber nicht Aufgabe der Reporter gewesen, dieses Gerücht zu überprüfen, statt es als Abschlußpointe zu mißbrauchen?“

Am 4.8.2000 schrieb die „Berliner Zeitung“ über ein ZDF-Stück Fromms zum Thema „Rechtsradikale im Internet“:
„Doch leider blieben die Autoren Rainer Fromm und Gabriele Fraiker zu selten beim konkreten Thema Internet, fragten nicht etwa bei Providern nach, ob und wie sie die Seiten ihrer Nutzer kontrollieren, oder warum das Verbreiten und Herunterladen von Kinderpornografie im Netz verfolgt wird, der Umgang mit dem ebenso gesetzwidrigen, volksverhetzenden braunen Material aber offenbar nicht…
Doch dabei blieb manches kurzschlüssig, weil die Autoren erstens unterstellten, dass jeder User das heruntergeladene Gedankengut komplett zu seinem eigenen macht, und weil sie zweitens der Illussion nachhingen, ein profundes Wissen über die Nazizeit mache automatisch gegen Rechtsextremismus immun.“

1996 schrieb der „Tagesspiegel“ über einen Fromm-Film über Skinheads:
„In ihrem begruessenswerten Bemuehen, gegen Vorurteile anzugehen, hinterfragen Farin und Fromm die Skinhead-Kultur auch kaum…“

Es gibt auch Lob für Fromms Filme, keine Frage. Doch ist eine Tendenz zu erkennen: Seine spektakulären Thesen werden oft kritisiert, weil es ihnen an Unterfütterung fehlt.

Nun ist er der Autor jenes „Frontal 21“-Beitrags aus dem Jahre 2004, der heftig kritisiert wurde. In einem Interview mit Jetzt.de aber tut er so, als ginge ihn das alles nichts an:

Ich glaube es stimmt zum Teil. Computerspiele sind ein Paralleluniversum, mit dem einige Redakteure im Erwachsenen-Alter offenbar nichts mehr zu tun haben…

Die journalistische Leistung besteht eben gerade darin, sich in eine andere Szene einzuarbeiten.
Ich befürchte, dass ist tatsächlich ein Defizit. Es gibt einige Redakteure, die sehr sorgfältig die wissenschaftliche Diskussion zu dem Thema nachvollziehen und auch anschaulich darstellen. Was aber fehlt, ist die Welt der jugendlichen Konsumenten. Und das ist eine Sache, die die Redaktionen auch ernst nehmen sollten.“

Eine merkwürdige Argumentation für einen, der Autor zu diesem Thema ist. Will Fromm uns sagen, er sei eine Ausnahme? Spricht er von sich in der Dritten Person? Denn natürlich ist dies die entscheidende Frage bei der merkwürdigen Berichterstattung über Videospiele: Warum fällt sie so dermaßen einseitig aus? Warum fehlt jegliche Erklärung der Faszination?

Aber vielleicht ist das TV-Journalismus im Jahr 2007: Auf Sensation gedrehte Thesen unter Vernachlässigung aller Informationen und Meinungen, die jene These beschädigen könnten.


Kommentare


Hanno Zulla 5. Dezember 2007 um 12:09

\“mit dem einige Redakteure im Erwachsenen-Alter offenbar nichts mehr zu tun haben…\“

Ich bin 35 und kann die Faszination von Ego-Shootern nachvollziehen. Und ich bin sicher, dass es auch beim ZDF den ein oder anderen Journalisten gibt, der in seiner Freizeit ein wenig am PC daddelt.

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Thomas Knüwer 5. Dezember 2007 um 12:10

Gerade habe ich mich auch noch gefragt, ob es Redakteure gibt, die nicht im Erwachsenenalter sind. Und ob das nicht Kinderarbeit wäre.

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Anatol 5. Dezember 2007 um 13:22

Der \“Computerspielfachmann\“ Rainer Fromm schafft es leider nicht, nur einen Fehler in der Berichterstattung zuzugeben.
Aber dann noch zu behaupten, die Berichterstattung von Frontal 21 diene dazu, dass sich Jugendliche an ihr \“reiben können\“ ist schon sehr selbstverliebt.

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Marc 5. Dezember 2007 um 13:43

\“Journalismus ist kein Beamtentum.\“

Das ZDF ist durch seine Finazierung aber nahe dran. Da kann man als Redakteur doch mal was durcheinanderbringen. 🙂

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Felix Deutsch 5. Dezember 2007 um 14:32

Die ÖR werden \“subventioniert\“? Das wäre mir neu.

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Woo 5. Dezember 2007 um 23:34

Frontal21 geht mit seinen ultrapopulistischen \“Reportagen\“ regelmaessig ueber alle Grenzen der serioesen Berichterstattung hinaus, und nimmt dabei grosszuegig Kollateralschaeden durch Falschdarstellungen in Kauf. Wieso man gegen solche staatlich finanzierte Volks-Desinformation nicht rechtlich vorgehen kann, ist mir schleierhaft.

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probek 5. Dezember 2007 um 23:42

Ganz nebenbei: bei einem Blick in die Dokumenteigenschaften verrät das PDF von Herrn Richter durchaus sein Datum, sogar recht präzise (erstellt am 30.11.2007, 19:02 Uhr). Und nennt auch den Namen des PDF-Erstellers (\“meier.b\“) sowie den Titel der ursprünglich gespeicherten Datei (\“gewaltspiele-auf-briefkopf\“).

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Onyro 6. Dezember 2007 um 1:36

Der \“Briefkopf\“ war dem ZDF bzw. Herrn Richter und Herrn Meier wohl wichtig, besteht aber nur aus dem Logo des ZDF und des Magazins (in einer etwas unschönen Komposition). Keine Adresse, keine Seitenzahlen, kein Datum. Tolles Briefpapier.

Herr Fromm scheint sich journalistisch v.a. für \“Randgruppen\“ der Gesellschaft zu interessieren: Neonazis, (Neo-)Satanisten, \“geistig militarisierte\“ Videospieler (Zitat Interview jetzt.de). Alle organisiert über das Internet. Schön in so eine Auflistung gesteckt zu werden, da ist man ja dann im Bilde über sein gesellschaftliches Image beim ZDF.

Ich erwarte jetzt jedenfalls jeden Tag nach gut zehn Jahren die nachträgliche Aberkennung meiner Wehrdienstverweigerung, weil ich ja Kriegsspiele und Egoshooter zur Unterhaltung nutze. Dadurch tauge ich ja anscheinend mit meiner unterstellten geistig militarisierten Grundhaltung doch ideal für den realen Kampfeinsatz.

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