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Derzeit brüstet sich mancher Internet-Auftritt mit Kommentarmöglichkeit und Weblogs. „Technisch ist das nicht schwierig, kosten tut’s auch nicht viel – also her damit“, denken sich die Medienentscheider. Welt Online und N24.de demonstrieren, was passiert, wenn die Nutzer mal so richtig Dampf ablassen. Eine der abgenutztesten Journalisten-Floskeln lautet: „Jeder kriegt der/die/das XXX, das er/sie/es verdient“. Und weil mir an diesem Montag Morgen auch nach dem zweiten Kaffee nix anderes einfällt, sag ich mal: „Jeder Online-Auftritt bekommt die Leser, die er verdient.“

Bisher waren diese Leser schweigende Kunden. Nun sollen sie reden – besser: schreiben -, in Foren und als Kommentatoren in Weblogs, auf dass sich eine Community bilde. Die Community, das ist der feuchte Traum der Medienmanager in diesen Tagen, eine willige Wolke aktiver Benutzer, die für Content sorgen, der sich vermarkten lässt, und die sich freudig an die große Medienmarke binden.

Dumm nur, dass keiner die Community gefragt hat. Zum Beispiel hätte sich dann die „Welt“ überlegt, ob sie ihre Leser wirklich zu Wort kommen lassen möchte. Stefan Niggemeier hat mal ein paar Kommentare aufgelistet, die ohne Löschung oder Zurechtweisung von Seiten der Online-Redaktion so aufgelaufen sind zum Thema Rechtsradikale. Auszüge:

„Als wir nach dem 2ten Weltkrieg am Boden waren, sind sie nicht zu uns gekommen und haben uns geholfen, auch nicht die Tuerken.
Als wir uns aber durch UNSERE EIGENE KRAFT aus der Scheisse gerettet haben, da wollen sie uns alle ganz doll lieb haben und wir sollen ja nicht so sein..

Ich frage mich, wo der große überregionale Bericht belibt, wenn mal wieder ein weißer Inländer von einer Horde Ausländer niedergeprügelt wird, was ja in unserem eigenen Land fast täglich vorkommt!“

Eine ähnliche Entwicklung macht derzeit ein Blog beim Online-Auftritt von N24 durch. Dort liefert Markus Frick, angeblicher Börsen-Millionär und Selfmade-Anlageberater, Aktientipps, deren plakative Anpreisung an die Warnungen der Fachpresse erinnert, dass man niemand trauen möge, der 200 Prozent Gewinn in kurzer Zeit verspreche.

Die ARD schreibt zu Frick:
„Das Kunststück, das Frick dabei fertig bringt, besteht darin, seine Meinungsmacht gezielt auf eine Handvoll Aktien zu lenken. Gebetsmühlenartig werden die von ihn entdeckten Titel über alle Kanäle zum Kauf empfohlen. Zum Einstieg wird bei Frick nicht geläutet, sondern getrommelt, per E-Mail und SMS, via Hotline und TV-Auftritt. Und siehe, die Prophezeiung erfüllt sich: Die Orderbücher für die „Kursraketen“ bersten fast bei den Direktbanken. Die zuvor meist unbekannten, kaum gehandelten Aktien sind auf einmal heiß begehrt – und steigen. Den Kursauftrieb begleitet Markus Frick multimedial durch die Nennung von Kurszielen und weiteren Einstiegschancen.

Frick selbst nimmt die Papiere nur „virtuell“ in sein Musterdepot auf. Für die Performance sorgen seine Anhänger durch ihre Kaufaufträge schon selbst. Fatal ist das Prozedere jeweils nur für die Käufer, die auf den Zug zu spät aufgesprungen sind. Denn in einer Vielzahl von Fällen sackt der Kurs der zuvor empfohlenen Papiere wieder auf Ausgangsniveau, wenn die Leithammel in der Anleger-Herde „Kasse gemacht“ haben.“

Frick also sendet auf N24 und für den Online-Auftritt des Senders schreibt er ein Weblog. In diesem hat sich am Wochenende Bemerkenswertes getan. Einer oder mehrere als „Gast“ angemeldete Kommentatoren bewerfen Frick mit Dreck. Und zwar so richtig.



Zum Beispiel heißt es da:
„Ich wünsche Ihnen, dass Sie bald sehr viel Zeit haben, über Ihre Machenschaften nachzudenken – und zwar in einem schönen kleinen Raum bei Wasser und Brot. Es sind Leute wie Sie, die dafür sorgen, dass in Deutschland keine wahre Aktienkultur aufkommt. Ihretwegen gehen Zig-Millionen deutsche Euros in die Hände Ihrer russischer Freunden und mit Umwegen wohl auch zu Ihnen. Und zwar von ahnungslosen Menschen, die Ihnen vertrauten. Sie werden sehen – solch ein Verhalten zahlt sich nicht aus. Noch lachen Sie wohl über solche Kommentare – aber… Ihr Lachen wird Ihnen schon noch vergehen. An N24 möchte ich – und da bin ich sicherlich nicht alleine – appellieren – Lassen sie so jemandenn nicht auf Ihren ansonsten sehr guten Sender seine Machenschaften verbreiten!!!“

Es ist jetzt Montag, kurz nach elf. Und anscheinend hat N24 niemand, der sich um dieses Blog kümmert. Und auch bei Welt Online laufen quer über alle Artikel regelmäßig Kommentare auf, die dem Ansehen dieser Medienmarke heftigen Schaden zufügen. Interessiert es jemand? Anscheinend nicht. Gibt es einen Community Manager? Anscheinend nicht.

Die Brüllaffen feiern Party in ihren Biotopen. Die Dschungelherren interessiert das nicht, sie reportieren und leitartikeln, ihre Untergebenen „fahren die Seite“, wie im heimischen Dialekt so heißt. Doch je mehr sich die Brüllaffen austoben dürfen, desto ungestörter mehren sie sich. Und irgendwann sind sie dann mächtig genug, um den Urwald zu verwüsten und die müde gewordenen Löwen zu schlachten.

(Vielen Dank an Christian Kirchner für den Hinweis)


Kommentare


Jürgen Siebert 11. Juni 2007 um 12:07

Ich bin gespannt, auf die ? stark vereinfachten ? Erklärung der traditionellen Medien … morgen:
»Weblogs fördern rechtsradikales Denken«
»Blogger schüren Fremdenhass«

Ein Blog zu betreiben ist anscheinend etwas schwieriger als die Einweg-Kommunikation auf Papier. Freuen wir uns doch einfach über die Selbstheilung … Die zitierten Seiten werden bald mit »nachvollziehbaren Argumenten« abgeschaltet und die traditionellen funktionieren endlich wieder notmal: Wir da oben, ihr da unten.

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Jürgen Siebert 11. Juni 2007 um 12:09

Kommentar bedarf der redaktionellen Pflege: … traditionellen Medien funktionieren … normal …

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Jochen Hoff 11. Juni 2007 um 12:13

Wer Frick sät wird Zorn ernten. Egal ob n-tv oder N24 die Jungs sind alle so besoffen davon das ihnen die Börse nicht abgestürzt ist, das es so tolle Gewinne gibt, warum sollten die sich hinterfragen. Warum sollten die solche Kommentare rausnehmen.

Das macht doch nichts, das sind alles nur mißgünstige Neider. Da wo die neoliberalen Wirtschaftsfaschisten sind, da ist vorne. Es sind übrigens nicht die Lemminge die über die Klippe springen.

Ich sitze hier ruhig und warte auf den nächsten Crash. Dann addieren wir die Multimilliarden-Dollar verluste und die Jungs schämen sich ein paar Wochen und dann geht es wieder los.

Dummenfang forever.

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Erdge Schoss 11. Juni 2007 um 12:25

Und wenn Sie wüssten, was bei mir heute los ist, wo per Zufall der Siebte Hessisch-Nassauische Poesiezirkel ausgerufen wurde. Sogar mit Königsbesuch aus Skandinavien.
Mit besten Empfehlungen
Ihr Erdge Schoss

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Erik 11. Juni 2007 um 13:16

Communitymanagement ist in vielen Verlagen ein rotes Tuch: zu teuer und zu unproduktiv. Hektisch werden im Falle des Brunnenfalls, ist dann oft die einzige Option.

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stretchy.stretch 11. Juni 2007 um 13:59

wenn man sich den ard artikel über markus frick durchliest und dann bedenkt, dass er vor noch nicht mal einem jahr bei \“menschen bei maischberger\“ als vorzeige selfmade börsenguru auf\’s podest geschoben wurde, ist das schon ein kracher. dass er dort die gesamte sendung kaum was gesagt hat, spricht für sich.

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vroni 11. Juni 2007 um 14:00

Mir scheint, das man sich schlicht und ergreifend nach alter Verlags- und Unternehmenssitte mal wieder nur kompetentes Personal gespart hat. Im Grunde weiß man doch – auch an Verlagen dürfte dieses mittlerweile stabil verankerte Internet-Steinzeit:-)-wissen nicht vorbei gegangen sein – dass Forenmoderation sein muss. Ohne Wenn und Aber.

Was sind Blogs denn anderes als Foren.

Auf der anderen Seite: Wieder was zu lachen und zu weinen gehabt, was es so alles hochspült.

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Gerald 11. Juni 2007 um 18:05

Kommentare wie den von »nach dem 2ten Weltkrieg« finden sich ständig in »Dumpfbackenblättern« als normale Leserbriefe. So gesehen ja nix neu. Die »Welt« lese ich nicht so oft und weiß daher nicht, ob sowas bei denen auch als Print-Leserbrief salonfähig ist.

Ansonsten schließe ich mich dem Erstkommentar von Jürgen Siebert an.

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Florian 12. Juni 2007 um 10:29

Ich wusste nicht, dass es das Ziel eines Blogs ist, in den Kommentaren nur diejenigen stehen zu lassen, die mit der eigenen Meinung konform gehen. Spricht es nicht eher FÜR ein journalistisches Angebot, wenn es beide Seiten zu Wort kommen lässt? Und ist es nicht sogar positiv, wenn das auf den eigenen Seiten passiert, weil es Größe zeigt? Die Medienmarke kann imho dadurch sogar gestärkt statt geschwächt werden.

Natürlich darf man sich über Kommentare aufregen, die eine andere, eine dumme Meinung vertreten. Ob es wirklich ein Vorteil ist, diese Kommentare duch \“Community-Manager\“ löschen zu lassen, um in den Kommentaren einheitlich Lobhudelei herrschen zu lassen, glaube ich eher nicht. Mit der Meinungsfreiheit ist das halt so ne Sache. Die gilt halt dann doch für alle. Auch für die mit einer anderen Meinung. So dumm sie auch sein möge.

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Thomas Knüwer 12. Juni 2007 um 10:46

Nein, so einfach ist das nicht. Gegenargumente sind immer erlaubt – es kommt aber auf den Ton an. Wer in seinen Foren und Blogs nicht rechtzeitig Pflöcke einschlägt, die anzeigen, welcher Grundton gewünscht ist, der wird das später nicht mehr hinbekommen. Es kann nicht im Sinn eines Senders sein, wenn einer seiner Vorzeigefiguren als Verbrecher beschimpft wird. Entweder der Sender sieht das ebenso – und entfernt den Mann. Oder sieht es nicht so – dann muss er für ihn eintreten.

Ähnlich ist es mit den problematischen Kommentaren bei Welt Online: Es muss klar gemacht werden, dass die Debatte dem Markenbild entspricht.

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Florian 12. Juni 2007 um 11:33

\“Volkes Stimme\“ formuliert nun mal nicht so schön wie Thomas Mann. Sicherlich muss man Beiträge, die keinen Inhalt erkennen lassen (oder strafrechtlich relevant sind, Stichwort: Holocaust) löschen. Bei den beanstandeten Beiträgen kann ich das aber nicht finden. Da werden Quellen angegeben. Da wird darauf hingewiesen, dass sich der Sender von dem (aus Sicht des Kommentarverfassers) problematischen Moderator trennen möge.

Natürlich könnte sich N24 ärgern, dass dort das eigene Produkt schlecht geredet wird. Genauso, wie sich ein Reiseveranstalter ärgert, wenn in einem Besucherkommentar steht: Haus eine Baustelle, Essen schlecht, Personal unfreundlich. Beide könnten aber auch damit leben. Weil es auch positive Rückmeldungen gibt. Und weil sie ihre Marke mit einer großen Portion Offenheit ausstatten. Weil sie Ihren Lesern/Kunden zeigen, dass sie offensichtlich für Kritik offen sind.

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Hendrik 12. Juni 2007 um 12:53

Neulich las ich bei der Süddeutschen mal einige Kommentare zu einem Streiflicht. Die haben sich über die Belanglosigkeit des Textes (ging um Bruce Willis\‘ Schlosskauf in Deutschland) und manche verwendete Vokabel echauffiert, \“Bild-Niveau\“, \“Schreiberling\“ etc. Ich wette, dass die Kommentatoren eher selten eine gedruckte SZ lesen, geschweige denn wissen, was genau das Streiflicht ist. Das fand ich interessant: das Internet kann zwar neue Leser schaffen, aber die missverstehen eventuell die eigene Intention.

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Thomas Knüwer 12. Juni 2007 um 13:18

Interessante Beobachtung. Bedeutet das in der Folge, für das Internet muss man doch anders schreiben als für Print? Lässt sich vielleicht Ironie nicht ausreichend klarmachen? Oder müsste das Streiflicht in ein anderes Online-Format, ein Weblog-artiges vielleicht, gepackt werden?

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Felix Deutsch 12. Juni 2007 um 16:19

Die Kommentarthreads der online FAZ sind da ganz ähnlich; obwohl, wer etwas auf sich hält, lässt ja dort seine Begeisterung fürs 3. Reich regelmässig als periodische Todesanzeige in der Printausgabe unter sich.

In der Süddeutschen werden Kommentare zu Artikeln, die sich mit Zwangsarbeitern/Äusserungen von Angehörigen des Zentralrats der Juden in Deutschland/Neonazis regelmässig garnicht erst zugelassen; man weiss offensichtlich um die Abgründe auch des \“liberalen\“ Bürjertums und möchte sich keine Blösse geben.

Da sind Welt/FAZ lediglich schmerzbefreiter.

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Hendrik 13. Juni 2007 um 11:32

Ich wollte erst über das Thema bloggen, fand aber auf die Schnelle keinen Dreh. Da spielt ja einerseits eine Rolle, dass \“elitäre Hürden\“ nivelliert werden – im Internet ist die Schwelle zu den Überregionalen einfach viel niedriger, wozu auch der Totalausfall bild.de beiträgt. Das ist an sich ja zu begrüßen, wenn man gutem Journalismus eine breite Leserschaft wünscht. Andererseits ist bei ironischen Texten die Missverstehensgefahr höher. Satire in Funk und Fernsehen hat das Problem weniger, weil man da ja mit der Stimme spielen kann.
Vermutlich lässt sich da nur durch Kommentare von Stammlesern gegenlenken. Ein Streiflicht-Weblog würde glaub ich nicht viel ändern. Kommen eigentlich hier bei Dir auch manchmal Leser an, die nur \“Handelsblatt\“ oben drüber lesen und dann über die fehlenden Anlagetipps moppern? (

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