Dem Chef des Deutschen Journalisten-Verbandes DJV kann man vieles vorwerfen. Eines aber nicht: Dass er sonderlich kritisch mit dem eigenen Berufsstand umgeht. Zunächst ziehe ich meinen Hut, verneige mich in Ehrfurcht und wähle jede beliebige Wort-Geste dieser Art um meinen Respekt vor den Produzenten jener Spendernierenshow des holländischen Fernsehsenders BNN auszudrücken: Wochenlang unter diesem medialen Druck nichts an die Öffentlichkeit dringen zu lassen – davon kann die gesamte Branche der Berufskommunikatoren sehr viel lernen.
Traurig an der Sache aber ist das Kalkül. Es ist bitter, dass die Macher ohne großen Hirnschmalzeinsatz wissen konnten, wie die Medien reagieren würden. Und dass sie keine Angst haben mussten, geschlachtet zu werden. Denn absehbar war, dass im Vorfeld der Sendung über die Geschmacklosigkeit des vorgetäuschten Ansinnens diskutiert werden würde – ebenso aber über die Lage von Organspendenbedürftigen und wie sich ihnen helfen ließe. Und weil neben den medienethischen Fragen auch viel über Organspenden geschrieben wurde, kann kein Kritiker umhin, in seine Klagen über die PR-Nummer ein „ja, aber“ einzubauen.
Diese Sendung hat auf zwei Ebenen die Medien bloß gestellt. Einerseits, weil trotz immensen Medieninteresses kein Journalist die Täuschung enttarnen konnte. Zum anderen, weil ohne diese Show niemals so viel über Organspende geschrieben worden wäre – es braucht immer einen bunten, glitzernden Anlass.
Diese beiden Punkte sollten Medienschaffende und ihre Verbandsvertreter animieren, sich Gedanken um ihr Umfeld zu machen und vielleicht auch mal ein paar Worte der Selbstgeißelung zu finden.
Solch selbstkritische Töne aber sind der Gewerkschaft DJV (der ich auch angehöre) fremd. Zumindest ihrem Vorsitzenden Michael Konken.
Im Gespräch mit der DPA giftete er:
„Das Anliegen ist durchaus wichtig, aber mit solchen PR-Schachzügen ins Fernsehen zu kommen, kann nicht im Sinne der Medienberichterstattung
sein…
Solche sensiblen Themen, die mit Krankheit,
Gefühlen und Tod spielen, haben auf dem Medienmarkt nichts zu suchen…“
Wäre Konken ein König und tauchte in seinem Reich Till Eulenspiegel auf – er würde ihn hängen lassen und zwar standrechtlich. Als ob diese moralinsaure Haltung fernab der Selbsterkenntnis nicht schon peinlich genug ist, steigert Konken sich auch noch, indem er behauptet, er hätte es ja schon vorher gewusst:
„Konken erklärte, bereits vor der Ausstrahlung skeptisch gewesen zu sein: ,Zumal die Sendung im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen und nicht auf einem Privatsender gezeigt worden ist.'“
Weiter glaubt er:
„Die Gefahr, das derartige Sendungen auch in
Deutschland ausgestrahlt werden, sieht der der 53-Jährige nicht.“
Und man möchte ausrufen: „Ja, leider! So intelligent sind deutsche Fernsehmacher eben nicht!“ Doch ich setze mal eine Flasche Ketchup darauf, dass in den deutschen Redaktionen heute heftig gegrübelt wird, wie sie etwas ähnlichen inszenieren ließe.
Kommentare
holgi 4. Juni 2007 um 12:13
Es wird daran scheitern, dass den Redakteuren, je nach Sender, keine bessere Besetzung als Jörg Pilawa, Iris Berben oder Kalle Pohl einfallen wird. Und dann würde ein Teil des Publikums ja sofort mitbekommen, dass da irgendwas nicht stimmt. Darum wird es dann ein Doku-Drama werden wie neulich die Nummer mit den Renten im ZDF. Und hinterher diskutiert Sloterdijk die ganze Sache dann mit sich selbst.
Torsten 4. Juni 2007 um 13:45
So intelligent ist das Ganze imho nicht. Zwar hat das Thema jetzt einen kurzfristigen Hype erlebt, aber nachhaltigen Schaden angerichtet. Wo immer ein Mensch im TV von einem dringenden Anliegen berichtet, kann man ja annehmen, dass das ganze eh ein Schwindel ist, ein Werbegag.
Zudem: wo zieht man die Grenzen? Wenn es zu wenig Blutspenden gibt, kann man ja eine Auobahnkarambolage vortäuschen. Oder man kündigt ein Interview mit Osama bin Laden an – wenn stattdessen nur Alfred Biolek erscheint ist das OK, solange ein Euro vom Verkaufserlös seines neuen Kochbuchs an die Weltungerhilfe geht.
Wie sagte Kästner so schön: Die Mittel entheiligen den Zweck.
Erik 4. Juni 2007 um 13:56
Einerlei, ob man die Sendung verteufelt oder als Aufmerksamkeits-Idee für Organsoende feiert, die Frage nach dem Gewinn aus dem Pool von 1,2 mio. Zuschauern, die per SMS voten konnten, ergibt erst das Bild, das diese Sendung einordnen kann.
IMHO!
planeten.blogg.de 4. Juni 2007 um 15:54
Was mich an dem ganzen extrem gewundert hat. Offenbar ist kein Mensch auf die Idee gekommen, mal an die \“angebliche\“ Spenderin heranzutreten bzw. zu recherchieren, warum die bei dieser Spielshow ihre Niere versteigert. Oder zumindest die Ärzte zu suchen, welche die Niere verpflanzen sollten. Sowas muss ja schließlich auch geplant werden.
Eigentlich hätte da ganz schnell rauskommen müssen, dass die Sendung ein Fake ist. Denn klar, vieles lässt sich fälschen, aber je mehr Leute an einer Täuschung beteiligt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand verplappert. Zudem kann aus rein logistischen Gründen nicht jedes Detail gefälscht werden.
Offenbar wurden bei aller Aufregung nur Meinungen geäußert und Pressemitteilungen wiedergekaut. Ist das die Medienlanschaft 2007? Irgendwie traurig!
probek 4. Juni 2007 um 16:06
Also alle paar Jahrzehnte fällt sowas auch deutschen Fernsehmachern ein ? Beispiele nennt das Fernsehlexikon.
7an 4. Juni 2007 um 16:13
ich finde, diese show hat zumindest wunderbar die verkommenheit dieser ganzen casting-shows verdeutlicht – auch, wenn sie dafür deren mittel benutzen musste.