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Bei manchen Journalisten scheint die Arbeitsweise ganz einfach: Dort gehört, vom Unternehmenskommunikator oder Vorstandschef, und dort rausgeschrieben. Natürlich ohne, dass das eigene Hirn als Kondensator die Verarbeitungsgeschwindigkeit gestört hätte. Heute morgen lese ich bei den Kollegen der „Financial Times Deutschland“ im Unternehmensteil eine Meldung mit der Überschrift:
„Mobilfunkbranche kommt Apples Iphone zuvor.“

Interessant denke ich mir und lese los. Und wundere mich. Denn was die Kollegen da vom englischen Mutterblatt übersetzt haben, ist großartig kolportierte Unternehmens-PR. Sie ist heute auch in der englischen Ausgabe erschienen – und auch dort nicht durchdachter.

Es geht um ein Startup namens Omnifone, dessen Angebot Musicstation Musik aufs Handy liefern will. Für 2,99 Euro pro Woche dürfen die Nutzer so viel Musik herunterladen, wie sie mögen. Aber: Nur auf ihr Handy, die Lieder sind nicht übertragbar. Mit an Bord: Nokia, Sony Ericsson, Motorola, Samsung, 30 Handynetze und die Musikfirmen Universal, Sony BMG, EMI und Warner.

Dieses Konsortium rühmt sich nun, schneller auf dem Markt zu sein als das Iphone. Toll. Aber eine Software mit einem erheblichen Abo-Preis und einer Abschottung gegenüber anderen Medien als Bedrohung für eine Design-Ikone, die nicht allein wegen ihrer Musikspielerfähigkeiten gekauft wird? Das ist grandioser Unsinn. Die „FT“ hat sich vor den Karren der Unternehmenskommunikatoren spannen lassen. Natürlich kann man über Musicstation berichte – aber bitteschön dann doch mit Einordnungen wie der Tatsache, dass Musik-Abo-Dienste noch nie funktioniert haben.

Erschreckend aber ist: Die „Financial Times“ ist nicht allein.

Reuters, 12. Februar (leider auch übernommen bei unserem Online-Angebot, ebenso unter anderem von der „Frankfurter Rundschau“ und „Welt“):
Mobilfunkbranche will iPhone mit Musikdienst Paroli bieten… Die großen Musikverlage und 23 Mobilfunkkonzerne blasen mit einem gemeinsamen Musikdienst zum Angriff auf das iPhone von Apple.

„Tagesspiegel“, 16. Februar:
„Darauf haben die Freunde mobiler Unterhaltung gewartet: Für 2,99 Euro pro Woche so viel Musik auf seinem Handy hören wie der Katalog von „MusicStation“ hergibt – und zwar einschließlich aller Verbindungsgebühren.“

Es geht übrigens auch anders, wie die „Börsenzeitung“ am 13.2. bewies:
„Auf drei von vier Mobiltelefonen soll das Programm „MusicStation“ laufen. Ob sich das Angebot angesichts der Datentransferkosten für den Kunden durchsetzt, ist fraglich. Wird das Kostenproblem jedoch gelöst, könnte die Frage, wo die Musik läuft, statt „Nokia oder Apple?“ künftig „iTunes oder MusicStation?“ lauten.“

Nachtrag vom 15.6.: Gerade frage ich mich, ob die Handy-Hersteller und Mobilfunknetze nicht auf Musicstation hereingefallen sind. Denn wird sich der Dienst tatsächlich dem Iphone verweigern? Wäre es nicht Dummheit, wenn sie nicht versuchen würden, dort auch installierbar zu sein? Und fällt dann die tolle Abwehrstrategie nicht in sich zusammen?


Kommentare


Leo 14. Juni 2007 um 14:26

Sonderlich aufmerksam war die \“Börsenzeitung\“ damals allerdings nicht gerade.
Ob sich das Angebot durchsetzt mag durchaus fraglich sein, aber sicher nicht aufgrund der \“Datentransferkosten\“, die sind nämlich im Wochen-/Monats-Abopreis enthalten.

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Peter 14. Juni 2007 um 15:26

Wie man auch nur in Betracht ziehen kann, Musik zu derartig restriktiven Bedingungen zu kaufen (gleich für welches Gerät), ist mir ein Rätsel.

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ich 14. Juni 2007 um 22:17

Die habwüchsigen Asis in der Bahn, die Ihr neues Nokia bis zum Rauschanschlag aufdrehen, um auch den letzten Fahrgast mit schlechtem Gangsta-Rap zu beglücken, verschwenden auf die Bedingungen ganz bestimmt keinen ihrer wertvollen und tiefsinnigen Gedanken.

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