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Wenn einer der führenden deutschen Medienforscher mit so nachweislich falschen Zahlen hantiert ist es an der Zeit, nachzufragen. In diesem Moment verschicke ich eine E-Mail als Reaktion auf die unsägliche Radio-Talk-Runde im Deutschlandfunk. Und ich bin gespannt, ob wir vielleicht einen Diskurs hinbekommen.

Ihr Text lautet:

„Sehr geehrter Herr Professor Weischenberg,

bitte erlauben Sie mir eine Frage, ein paar Anmerkungen und die Bitte um eine Stellungnahme.

Vorweg: Wir sind uns einmal begegnet, es ist lange her. Wir schüttelten uns kurz die Hand, sie waren Professor in Münster und ich als Student einer der Macher von Unfunk, dem Vorläufer des heutigen Uni-Radios. Dies erwähne ich nur, um einen Teil meines Ärgers zu erklären, der mich am Wochenende ergriff. Denn ich bin hier in der Redaktion als bekennender Münsterländer unterwegs und halte sogar noch dem SC Preußen die Treue. Außerdem versuche ich, die Uni Münster als Top-Uni zu verkaufen, weshalb mich alles interessiert, was Lehrende, die mit Münster verbunden werden ? und das ist bei Ihnen noch immer der Fall ? von sich geben.

Am Wochenende nun stieß ich auf Ihre Teilnahme bei einer Diskussionsrunde des Deutschlandfunks zum Thema Leserreporter und Weblogs. Ich selbst schreibe und blogge für das Handelsblatt auch über die Internet-Wirtschaft und deren Randbereiche.

In dieser Sendung nun sagten Sie:
„Bei Blogs gibt es welche, die erscheinen praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Man muss wissen: Mit 450 Zugriffen im Monat kommt man unter die 100 erfolgreichsten Blogs in Deutschland. Das ist ungefähr die Auflage einer Schülerzeitung. Das kann wirklich nicht so richtig interessant sein.“

Mich würde bei dieser Information Ihre Quelle interessieren.

Eine böse, rhetorische Frage, muss ich gestehen. Denn ich weiß, woher Sie das haben. Aus der „Frankfurter Rundschau“, wetten? Die hat nämlich diese Falschmeldung gleich zwei Mal abgedruckt ? und zwei Mal korrigieren müssen.

Unwahrscheinlicher ist, dass Sie die Zahlen aus Jetzt.de entnommen haben. Allerdings kommen „Werben & Verkaufen“ und „Tomorrow“ auch in Betracht.

Keinesfalls mag ich glauben, dass Sie diese Zahl dem Buch entnommen haben, aus dem diese Quellen zitierten. Denn dann müsste ich annehmen, Sie hätten eine dort enthaltene Grafik oberflächlich gelesen, in der es um tägliche Zugriffe geht – nicht um monatliche. Wenn Sie diesem Link folgen http://blogscout.de/blogs/top_reichweite_taeglich , werden Sie feststellen, dass 450 Zugriffe ? täglich, nicht monatlich – längst nicht für die Top 100 reichen. Selbst am Pfingstmontag, und an Feiertagen – wie Sie sicherlich als Kenner der Materie wissen – sinken die Zugriffe auf Weblogs beträchtlich, waren dafür so um die 1.500 Zugriffe nötig. Nochmal: täglich, nicht monatlich.

Somit stellt sich die Frage: Basiert Ihre wissenschaftliche Recherche auf Zeitungsartikeln? Muss ich glauben, Sie hätten in der Vorbereitung auf eine von öffentlichen Geldern finanzierte Radiosendung mit einem Internet-Thema nicht ins Internet geschaut? Vielleicht sind Sie sogar auf die Urquelle gestoßen, den Bamberger Wissenschaftler Jan Schmidt. Haben Sie diesen kontaktiert? Oder ist dies nicht mehr Usus unter Wissenschaftlern?

Und noch eine Sache interessiert mich. Sie bezeichnen Weblogs als ?Zeitvernichtungsmaschine?. Würden Sie dies auch über die Kommentarseite von Zeitungen sagen? Oder über Unterhaltungsprogramme des Fernsehens? Wie definieren Sie als Wissenschaftler die sinnvolle Verbringung von Zeit?

Ihre Äußerungen, lieber Professor Weischenberg, haben mich als Ex-Münsteraner tief enttäuscht. Vielleicht aber habe ich etwas missverstanden? Haben Sie sich versprochen? Ich würde mich über Aufklärung freuen. Dies ist eine offene E-Mail und eine Reaktion Ihrerseits würde mich sowohl als Kommentar in meinem Blog als auch per E-Mail freuen.

Mit westfälischen Grüßen

Thomas Knüwer“


Kommentare


Ralf 29. Mai 2007 um 14:36

Kriegen wir die Antwort (an die ich nicht glaube) zu lesen?

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Dortmunda 29. Mai 2007 um 14:39

die \“westfälischen grüße\“ finde ich vorbildlich.

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Thomas Knüwer 29. Mai 2007 um 14:39

Natürlich berichte ich von der Reaktion, so sie nicht hier erfolgt.

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medienblogger 29. Mai 2007 um 14:46

Die Reichweitenliste hatte ich bei den Diskussionen am Wochenende gar nicht vor Augen, ich hatte mich immer nur auf die andere Top-Liste bei blogscout, deren Berechnung mir sich mir nicht erschließt, vor Augen.

Da Blogscout ja nur einen kleinen Teil der Blogosphäre erfasst, kann man annehmen, dass die Zahlen insgesamt sogar noch höher liegen. Sie bietet wohl aber eine Orientierung.

Was Münster betrifft, so verbindet man damit heutzutage ja vor allem den Namen \“Neuberger\“, insofern ist die Besorgnis um das Ansehen der Uni oder der dortigen Journalistenausbildung unbegründet. 😉

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Robert 29. Mai 2007 um 14:55

\“Außerdem versuche ich, die Uni Münster als Top-Uni zu verkaufen, weshalb mich alles, was Lehrende, die mit Münster verbunden werden ? und das ist bei Ihnen noch immer der Fall ? von sich geben.\“

ich glaube da fehlt am ende ein \“, interessiert.\“ oder sowas ähnliches…

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Vroni 29. Mai 2007 um 15:15

Ja,ja die wissenchaftliche Recherche-Arbeit ist auch nicht mehr das, das was sie einmal war… Kann sein dass mancher Nichtrotz-Blogger besser, zumindest gewissenhafter recherchiert als ein Professor?

Obwohl der Prof das wohl nur nachgebabbelt hat, in einem hat er Recht: Bloggen ist tatsächlich eine \“Zeitvernichtungsmaschine\“. Und der Zeitaufwand kommt vom Recherchieren. Was ein mancher Professor sich wohl spart.

Für den, der bloggt, ist es vor allem ein hoher Zeitaufwand. Für den Leser? Der springt rein, der springt raus. Aber der Blogger, er muss lesen, was andere geschrieben haben, kommentiert haben, Kommentare filtern, prüfen, manche rausschmeißen (\“Heise-Gesetz\“), muss andere Blogs aufsuchen, um auf dem Laufenden zu sein, muss sich ein Thema überlegen, sein Thema recherchieren, sauber aufsetzen. Sauber verlinken, die Links prüfen, obacht geben, dass er nix Urheberrechtliches verstößt. Wenn er seine Message mit Bildern garnieren will, muss er selbe welche machen – nix Klau. Ab und zu auf einem anderen Blog kommentieren, das gehört auch dazu: nochmal Minimum pro Tag eine halbe Stunde zusätzlich.

Jetzt kann jeder Nicht-Twitterstyle-Blogger mal eine Uhr neben seinen Schreibtisch stellen, er kommt mindestens auf zwei Stunden täglich, manchmal werden es sogar insgesamt drei bis vier, wetten?

Aber eine gute Kolumne dauert auch solange. Mindestens.

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Detlef Borchers 29. Mai 2007 um 15:15

Uni Münster, soso. Mit M wie Meckel und Merten. Mir kommen die Tränen vor Lachen. Dann doch lieber Preußen Münster.

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bittner 29. Mai 2007 um 18:19

Tach auch, Herr Knüwer, lieber Vor-Redner D. Borchers, so kann nur über die Adlerträger sprechen, wer sie gestern – vor 960 Zuschauern – nicht hat stochern und stolpern sehen. Wie meinte Carsten Gockel, der inzwischen achte Preußen-Trainer in diesem Jahrtausend, und zugleich Teammanager am Ende der Pressekonferenz: ?Dann läuft so ein Spiel einfach runter.?

Vielleicht ist es dem Kollegen Weischenberg ähnlich ergangen. Bei seiner Blog-Recherche.

\“Bald ist Schluss ? endlich\“ titelte übrigens der Lokalsport (Westfälische Nachrichten) im Spielbericht. Nie mehr vierte Liga, Herr Weischenberg? Glaube ich nicht.

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Peter 29. Mai 2007 um 20:04

Hah, lang lebe UNfunk! Man, dem stand Prof. Weischenberg zurecht sehr kritisch gegenüber – ich weiß nicht, ob die Erwähnung deiner Tätigkeit da die Chance erhöht, dass er antwortet. Heute heißt das Radio übrigens Radio Q und Weischenberg war im ersten Vorstand. Nur mal so für die Chronologie.
Was ich mich frage ist, was er bitte antworten soll außer: \“Oh, scheinbar vertan.\“ Wie bitte stellst du dir einen Diskurs vor, wenn du ihn so \“blog gerecht\“ angehst?

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Hendrik 29. Mai 2007 um 20:48

Ich finde es gut, dass Du diesen offenen Brief schreibst, auch wenn ich, ähnlich wie der Qllege Peter, nicht unbedingt eine Debatte erwarte. Leider stellt man aber doch häufig ein Phänomen fest, egal ob es um Medien geht oder die Wissenschaft: Wenn man sich selbst mit dem Thema auskennt, um das es geht, dann fallen einem immer Fehler auf und man denkt sich, meine Güte, dann muss das bei den übrigen Themen ja genauso sein.
Für solche Rechercheure gilt ein Vers, der übrigens auch im Radiostudio hängt und ähnlich geht wie \“si tacuisses…\“

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Don Alphonso 29. Mai 2007 um 22:27

In unserem Buch gibt es weder eine Graphik, noch irgendwelche Aussagen über Userzahlen. So es sie gäbe, wären sie jetzt auch schon 3 Jahre alt.

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eMHa 29. Mai 2007 um 23:25

Lieber Herr Knüwer, da haben Sie sich aber hinreißen lassen. Eine sachliche Klarstellung der Fehlinformation wäre dem erwünschten Diskurs sicherlich zuträglicher gewesen, als dieser selbstgerechte Monolog.

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Detlef Borchers 29. Mai 2007 um 23:37

@bittner: Dann nehme ich das mit Preußen Münster zurück. Es ist etwas her, dass die in unserem schönen Tecklenburger Land gespielt haben. Dann geht die rote Münsteraner Schlussleuchte halt an Miriam Meckel und Klaus Merten.

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Dr. Dean 30. Mai 2007 um 17:00

Die Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt: Diese Blogs liest kein Mensch auf der ganzen Welt, Welt, Welt.

(Weische Wissenschaft)

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Aude 31. Mai 2007 um 0:19

Ob irgendwann alle verstehen, dass es nicht um die Reichweiten und Zahlen, sondern einfach um solides Handwerk geht?

Toller Brief, schöner Ton. Das geht so.

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Tg 31. Mai 2007 um 11:18

Ja was ist jetzt so tragisch? Weischenberg spricht fälschlich von monatlichen statt täglichen Zugriffen, aber da er es mit einer Auflage vergleicht, ist das doch schnurz: 450 Leser sind eben wenig, ob die nun täglich lesen oder wöchetlich oder monatlich und ob sie überhaupt lesen und …. Aber das ist dann schon genau die \“emotionale Diskussion\“.
Ein Vereinsblättchen regt sich doch auch nicht auf, wenn man ihm vorhält, außerhalb seiner Vereinsmitglieder absolut unbedeutend zu sein.

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Cornelius 31. Mai 2007 um 16:40

Ist denn bei diesem \“selbstgerechten Monolog\“, wie dieser Beitrag richtigerweise von eMHa weiter oben bezeichnet wurde, der Zeitdruck so groß gewesen, dass man ihn nicht wenigstens einmal hätte korrekturlesen können?
Selbst ohne pedantisch zu sein sind in jedem Absatz Rechtschreib-, Grammatik- und/oder Logikfehler vorzufinden, von der inhaltlichen Polemik ganz zu schweigen. Mag die Kritik an der Sache zweifellos richtig und wichtig sein, so ist sie in dieser Form dennoch völlig inakzeptabel.

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Christian 3. Dezember 2007 um 9:32

Münster = Merten und Meckel? Und Weischenberg?
Alle sind nicht mehr da, die letzten beiden sogar schon lange nicht mehr. Diese Namen mit Münster zu nennen, passt nicht mehr. Abgesehen davon laufen in den meisten Instituten noch ganz andere Professoren durch die Flure, über die man sich mehr aufregen könnte.
Und die Aufregung über die schlechte Recherche halte ich auch für übertrieben. Hier fühlt sich ein Blogger ungerecht behandelt und legt wert darauf, dass es möglichst viele erfahren. Ich werde mir noch überlegen, ob ich es weiter erzähle.

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Thomas Knüwer 3. Dezember 2007 um 10:32

@Christian: Haben Sie den Text genau gelesen? Mir scheint eher nicht. Aber erzählen Sie es ruhig weiter. Besser noch: Verschicken Sie den Link.

Hier geht es nicht um ungerechte Behandlung, sondern um mangelhafte Recherche eines mit öffentlichen Geldern bezahlten Wissenschaftlers. Wenn Sie dieses Blog häufiger lesen, wird Ihnen auffallen, dass ich unabhängig vom Thema, ähnliche Dinge gerne aufspieße.

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