Welche Nachrichten lesen Teenager? Lesen sie überhaupt welche, abgesehen von denen über Tokyo-Hotel-Geschrei-Berichten und Britney-Spears-Abstürzen? Möglicherweise wissen wird das bald – dank Myspace. Es gibt da einen Traum. Der Traum, dass viele Menschen in der Lage seien, die relevantesten Nachrichten zu finden und nach oben zu spülen. Das US-Startup Digg war der erste Versuch daraus eine Internet-Plattform zu machen. Inzwischen gibt es viele Kopisten, darunter in Deutschland Seiten wie Yigg und Webnews (eine Beteiligung unserer Muttergesellschaft Holtzbrinck). Wer sich dort anmeldet, kann Internet-Seiten loben, die mit dem meisten Lob landen oben.
Die Modelle aber scheitern an der Menschlichkeit. Denn was ist der größte gemeinsame Nenner völlig verschiedener Menschen? Es ist Unterhaltung, es sind Skurilitäten, es sind Witze. Eben das, was wir uns in der Kaffeeküche zurufen oder beim Small Talk.
Und deshalb funktionieren diese Modelle nicht. Noch nicht einmal die Nutzerzahlen sind sonderlich toll. Erst in diesem Jahr vermeldete Digg den einmillionsten Nutzer – eine bemerkenswert niedrige Zahl.
Kein Wunder: Digg ist kein Nachrichtenportal, es ist ein Kuriositätenkabinett. Derzeit sind die meistgelobten Internet-Seiten der vergangenen 24 Stunden:
– Fotos mit einem Kissen, das aussieht wie eine Blutlache
– eine Bildgallerie mit kreativer Werbung
– und eine Pennäler-Anekdote.
Nun wird, meldet Techcrunch, Myspace heute eine ähnliche Seite starten. Und vielleicht wird die ja, von der anderen Seite betrachtet, interessanter. Myspace-Nutzer sind in der Regel jünger. Teenies gibt es reichlich. Und so wird sich die Marketinindustrie über diese Seite sehr freuen: Denn sie kann wunderbar mitlesen, was die internetaffine Jugend von heute interessiert.
Kommentare
massenpublikum 19. April 2007 um 11:24
Wow, Sie kritisieren indirekt oder sogar direkt Ihren eigenen Arbeitgeber. Ich hoffe, man lässt Sie trotzdem weiter bloggen. Wäre wirklich schade, wenn hier künftig diskret berichtet werden würde.
Peter Stawowy 19. April 2007 um 21:52
Die Idee ist wirklich schön, aber man merkt ja schon bei den Social-Bookmarkern, dass sie irgendwie kaum mehr Orientierung bieten als die normale Suchmaschine. Könnte trotzdem sein, dass das funktioniert, weil wir doch alle gern mal irgendwo mit bewerten, oder nicht?
Deine Einschätzung korrespondiert übrigens auch zu der Frage, ob das deutsche Publikum etwa in Fernsehen und Radio bekommt, was es sich wünscht… Und die Glaubensfrage, ob es lohnt, sich dagegen zu stemmen! Oder bedienen wir nur eine Minderheit?
Michael Reuter 20. April 2007 um 10:25
Als Mitglied des YiGG-Teams möchte ich ein paar Fragen stellen und würde mich über Feedback sehr freuen:
Wer ist der Nutzer? Ein registrierter Nutzer? Ein Abonnent? Ein Leser? Wieviele Nutzer hat die erfolgreichste deutsche Publikation, die Bild Zeitung? 0 oder ein paar Millionen? Wieviele Nutzer haben sich registriert, um diesen Beitrag und diese Kommentare zu lesen? Wie hoch ist daher die Wirkung dieses Beitrags?
Wer macht Meinung? Die Medien? Die Redakteure? Welche Aufgaben haben die Medien bzw. welche können sie haben? Wo gibt es Foren bzw. Plätze, auf denen sich jedermann/frau (im Rahmen der Gesetze) frei äussern kann, Meinung abgeben, kommentieren, Meinung bewerten kann? Kann ein solches Forum \“nicht funktionieren\“? Was soll daran \“nicht funktionieren\“?
Freue mich auf neue Einsichten 😉
Andreas Dittes 20. April 2007 um 11:40
ich werfe ein, dass 1 mio anmeldungen bei digg nicht mit 1 mio nutzern gleichzusetzen ist. das partizipationslevel liegt idr bei 1-5%. der dienst kann auch ohne account genutzt werden.
und unter den 100 meistbesuchten webseiten weltweit zu sein ist schon einigermassen gut würde ich mal behaupten. (laut alexa platz 86)
Kino Freak 20. April 2007 um 14:31
für mich sind die patformen zum testen was bei den leuten ankommt.
und ich muß sagen ich bin erschrocken darüber was teils hochgerankt wird.
aber gut, \“der größte gemeinsame Nenner völlig verschiedener Menschen\“ da wird einem was klar!
Sammy Zimmermanns 20. April 2007 um 15:35
Diese Artikel verwundert mich überhaupt nicht. In meinem Blog veröffentliche ich reglemäßig über die Entwicklungen von Social Medias und Suchmaschinen.
Das Alexa Traffic Rank Widget, das ich in meiner Sidebar eingebaut habe zeigt ganz klar, die Traffic Entwicklungen der Social Medias. Webnews als Holtzbrinck Tochter nimmt dort nur den letzten Platz ein.
Der Anfängliche Hype um Webnews.de war zwar groß,
dennoch kann sich diese Seite gegenüber den anderen Social Medias nicht wirklich durchsetzen.
Woran das liegt kann ich noch nicht wirklich sagen.
Ich vermute es liegt an dem grässlichen neuen Design, das die User eher abschreckt und an Springers Boulevard Blättchen Bild erinnert. Vielleicht sind auch deswegen dort die Beiträge sehr Flach.
Als Positives Beispiel kann ich nur YiGG.de erwähnen.
Hier diskutiert man ernsthaft über politisch brisante Themen, wie über die Aufgabe der Unschuldsvermutung von Schäuble und auch andere Themen.
Richard Metzler 21. April 2007 um 1:34
Was bei der Diskussion vergessen wird, ist die Tatsache, dass es nicht VÖLLIG verschiedene Menschen sind. Es ist eben NICHT so, dass sich in die Nutzer von digg & co eine representative Teilmenge der Bevölkerung darstellen.
Das erkennen Sie ja auch im letzten Abschnitt.
MySpace hat eben jüngere Nutzer, eine homogenere Community, MySpace Nutzer interessieren sich wahrscheinlich mehr für Musik als andere, etc. Die Community macht ja letztendlich die Qualität eines Services aus. Die Community entscheidet, welche Themen ganz oben im Ranking stehen und je interessanter diese erste Seite fuer einen neuen Besucher ist, desto eher wird er ein Teil der Community werden und mitentscheiden was oben steht.
Klar, dass bei einem System in dem jeder gleich ist leicht Themen nach oben kommen die auf den kleinsten gemeinsamen Nenner abzielen. (Ich nenne diese mal die \“horizontalen\“ Themen.) Dazwischen lassen sich allerdings immer wieder andere (\“vertikale\“) Nachrichten finden, die für einen kleinen Teil der Community wesentlich interessanter als die horizontalen Themen sind, aber dafür andere Gruppen innerhalb der Community gar nicht interessieren.
Die Lösung dieses Problems – jedem User seine persönliche Mischung aus Information und Entertainment zu liefern – ist ungefähr so kompliziert wie der Google PageRank. Da zählt eben auch nicht jeder Link gleich viel.