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Wie war das noch mit dem Schmetterlingsflügelschlag, der einen Tornado auslöst? Etwas Ähnliches könnte im Bereich von Beilagen und Corporate Publishing im Gange sein, stimmt eine Meldung aus der britischen „Times“. Erstmal klingt die Meldung nach ein wenig Durchgreifen im Internet. Gefälschte Weblogs zu Gunsten von Produkten und Unternehmen sollen nach Informationen der „Times“ in England künftig als Stratftatbestand gehandelt werden. Ebenso löbliche Kommentare, die beispielsweise Buchautoren unter falschem Namen bei Amazon unter ihre eigenen Werke tippen.

Schöne Idee. Dürfte allerdings oft schwer nachzuweisen sein. Unmöglich ist der Beweis natürlich nicht, wie das Beispiel Wal-Mart bewiesen hat. Ich tippe mal schwer drauf, dass deutsche Gesetzesmacher nicht einmal wissen, was Fake-Blogs sind.

Spannender noch als diese Kleinigkeit aber ist der Hinweis, dass es hier um die Umsetzung der EU-Verbraucherschutzrichtlinie geht. Und in der geht es eben um weit mehr. Deshalb muss es erlaubt sein, den größeren Rahmen zu betrachten.

Gefälschte Blogs und Kommentare sind der Versuch, PR- und Werbetexte als vermeintlich neutrale Inhalte darzustellen. Diese Methode gibt es noch andernorts in den Medien. So zum Beispiel bei Reisesendungen im TV, die finanziell unterstützt werden von Fluglinien und Hotels im Gegenzug für hübsche Bilder und wohlige Worte. Desgleichen für ganze Strecken im Bereich der Yellow Press die am Stück verkauft werden. Bilder und Textansätze stellt die Wirtschaft, die Umsetzung macht die Redaktion. Oder Zeitungsbeilagen, vor allem in der Lokal- und Regionalpresse.

Da steht eine gewaltige Änderung an. Sollte sich auch Deutschland in eine ähnliche Richtung begeben wie sie die „Times“ für England vorzeichnet, wird bald über vielen gedruckten Beilagen das Wort „Anzeige“ prangen. Einige Fernsehsender am unteren Ende der Nahrungskette werden gewaltige Probleme haben, ihre Sendezeiten zu füllen: Denn wenn gewisse Sendungen als Werbung deklariert werden, fallen sie unter „Dauerwerbesendung“ – und das könnte Probleme mit den Lizenzen geben. Und schließlich werden eine Reihe von Berufskommunikatoren ihre Praxis aufgeben müssen, freie Journalisten zu engagieren, die unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit den Medien beeinflusste Artikel unterjubeln.

Vielleicht ist das, was da in England passiert, tatsächlich ein Schmetterlingsflügelschlag, der ein fieses Gestrüpp der Medienwelt vernichtet.


Kommentare


Thomas 13. Februar 2007 um 11:13

Das ist wirklich sehr positiv gedacht, aber, mit Verlaub, ich glaube eher nicht, dass o.g. passiert. Denn einer der Knackpunkt im Artikel ist: \“under false identities\“. Wer also mit seinem eigenen Namen PR (z.B. als Weblog) betreibt oder unter seinem eigenen Namen PR-\“Anregungen\“ veröffentlicht, darf dann natürlich weitermachen.
Wie soll man das auch sonst trennen, die Grenze ist vielleicht doch nicht immer so eindeutig.. ?

Die Medienmacher leben (und mehr als je, gerade im Netz) eben genau davon: Der Aufmerksamkeit der Konsumenten und derjenigen, die dafür zahlen. Sie sind nichts weiter als Zwischenhändler.

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Don Alphonso 13. Februar 2007 um 12:51

Wenn das so kommt, wäre StudiVZ aber ganz schnell am Ende.

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Kai Sender 13. Februar 2007 um 14:07

Damit auch die dümmsten mal wieder geschützt werden: jetzt also noch ein Verbot. Wann werden eigentlich langweilige Kommentare verboten?

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Armin 13. Februar 2007 um 14:39

Kai, Du bist also so clever dass Du gut gemachte gefaelschte Bewertungen und aehnliches immer erkennen kannst?

Schoen fuer Dich, ich will mir nicht anmassen zu glauben dass ich dies immer kann. Mal davon abgesehen dass durch solche Regelungen zumindest versucht wird die Ehrlichen zu schuetzen die eben nicht zu solchen Tricks greifen. Wie erfolgreich wird sich zeigen, einen Versuch ist es wert.

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Chat Atkins 13. Februar 2007 um 15:05

Neues Berufsbild: Internet-Fahnder …

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Olaf 13. Februar 2007 um 16:20

@Maex
Wer sagt eigentlich, dass der Staat für die Medienkompetenz der Kinder zuständig sein soll? Ist das im Rahmenplan irgendeiner Altersstufe enthalten?

Und selbst wenn: Die Masse der Lehrer ist selbst kaum in der Lage, das Web zu benutzen.

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Kai Sender 13. Februar 2007 um 17:08

Ihr lieben Leute, natürlich ist es anständiger und fairer, einen wirklich objektiven Blog oder Test zu lesen. Doch wird jeder halbwegs intelligente User (unterschätzt mal unsere Kiddies nicht!) die gefakten erkennen.

Und um nun auch die allerletzten Begriffsstutzigen zu beschützen: eine neue Regelung? Was machen wir dann mit den nicht-gefälschten Bewertungen, die trotzdem wegen mangelnder Kompetenz zu einem falschen Urteil kommen? Ich habe mal ein Stiftung-Warentest-Heft über meine Branche (Bestattungen) gelesen: da graust es einem! Geballtes Nichtwissen führt halt manchmal zu Bewertungen, die einfach nicht der Realität entsprechen. Wollen wir dann dafür auch noch ein Gesetz?

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Maex 13. Februar 2007 um 17:16

@Olaf
Ich denke der Staat ist schon fuer die Medienkompentenz aller Buerger zustaendig.

Die Schulen koennen sich momentan vielleicht rausreden, dass es nicht in den Rahmenplaenen steht.

Aber Medienkompetenz hat IMHO nicht alleine mit dem Internet/Web zu tun. Da geht es genauso darum den Leuten klarzumachen, dass das was z.B. im Fernsehen laeuft (Talk-Shows, Reality-Shows, Superstar-Shows etc.) bis auf ganz wenige Ausnahmen von vorne bis hinten Fake ist.

Vor allem die visuellen Medien praesentieren immer mehr Scheinwelten als Realitaet und tun auch noch alles, um es moeglichst schwer zu machen, eine Trennung zu schaffen. Oftmals schafft man es als \“Konsument\“ auch gar nicht an die noetigen Hintergrundinfos zu kommen um diese Trennung herstellen zu koennen. Spontan faellt mir dazu die gehypte \“Fifi (oder Fofo oder wie auch immer) heiratet die Busen-Wunder-Witwe\“ RTL II Serie ein. Die lief doch auch wochenlang, dabei war die Hochzeit gar nicht moeglich, weil Fifi nicht geschieden war …

Bei Werbesendungen muss \“Werbung\“ eingeblendet werden. Warum muss bei vorgeblichen \“Realitaeten\“ nicht oben rechts immer ein dickes rotes \“Fake\“ stehen? 🙂

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Maex 13. Februar 2007 um 17:30

@Kai
Ich denke der primaere Ansatz ist es vorsaetzlichen Falschinformationen (mit Betonung auf Vorsatz) einen Riegel vorzuschieben und daran finde ich grundsaetzlich nichts falsches. Je nach Sachlage (vorsaetzliche Fehlinformationen z.B. bei Hotelbewertungen um Kunden zu gewinnen) ist das ja heute schon nicht rechtens.

Dass man damit Dummheit oder Fehlern nicht grundsaetzlich auf den Zahn fuehlt und dass das nicht heisst, dass ab da nur noch alles korrekt ist, duerfte jedem klar sein.

btw: die TESTs, die das Internet zum Thema haben sind auch meist haarstraeubend und grottenschlecht.

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Sebastian 13. Februar 2007 um 19:38

Der Beitrag ist wie immer sehr lesenswert und auch mit der Ihnen üblichen Zuspitzung versehen. Dennoch ziehen Sie hier in falschem Zusammenhang eine Branche in den Schmutz, von der Sie offenbar nichts verstehen. Angesichts Ihrer sonstigen Faktenkenntnis ist das erstaunlich! \“Presseplatzierung\“, wie Sie Sie hier beschreiben, hat mit Corporate Publishing nichts zu tun. Corporate Publishing macht allein in Deutschland jährlich mehr als 5 Milliarden Euro Umsatz. Hier sind in großer Zahl Journalisten, Gestalter, Designer und Fotografen beschäftigt, die mit ehrlicher und guter Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen. Und dabei meist mehr Geld mit nachhause nehmen, als Mitarbeiter etablierter Medien. Aber wer will es Ihnen verdenken?

Die billig aufgemachten und Lokalzeitungsbeilagen sind nur ein Randphänomen und in Ihrer Machart ohnehin meist auf Anhieb auch von Laien sofort als Werbebroschüre zu erkennen. In publizistischer Hinsicht stehen zahlreiche Unternehmenspublikationen vielen Kioskmagazinen kaum nach: Stichworte ADAC Magazin, McKinsey Wissen usw. Nicht nur diese bekannten Namen sind qualitativ hochwertig und werden von den Lesern nachweislich geschätzt.

Übrigens: Von der Umsetzung der Richtlinie – die, am Rande bemerkt, die Überbürokratisierung Europas wieder beweist, ich wundere mich, dass Sie sich dazu nicht äußern – werden sie auch nicht betroffen sein. Denn der \“Absender\“ ist hier in über den allermeisten Fällen eindeutig zu identifizieren – oder wer sonst könnte etwa hinter dem Lufthansa-Bordmagazin stecken?

Was mich ärgert, und da sitzen Sie auf einem hohen Ross, Sie prangern hier wieder mit einem Seitenhieb die freien Journalisten an, die sich angesichts der Hungerlöhne in der Medienbranche als PR-Schreiber mehr als nur ein Zusatzbrot verdingen. Diese agieren vollkommen rational und professionell. Unprofessionell sind die, die eindeutige Lobeshymnen aus Bequemlichkeit unredigiert ins eigene Blatt hieven. Aber hier handelt es sich eben um klassische Pressearbeit und nicht um Corporate Publishing.

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Wahnsinn 14. Februar 2007 um 1:10

Und wenn ich mich als Dauerwerbesendung deklariere, am besten direkt im Pass?

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Thomas Knüwer 14. Februar 2007 um 9:38

@Sebastian: Moment – wo habe ich denn geschrieben, dass Corporate Publishing mit Presseplatzierung gleichzusetzen sind? Natürlich sind es zwei verschiedene Arten von PR-beeinflusstem Schreiben. Aber sie könnten sich jetzt dem gleichen Problem stellen müssen: Wo muss \“Werbung\“ drüber stehen und wo nicht?

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Sebastian 14. Februar 2007 um 11:21

@Thomas: Explizit hast Du das natürlich geschrieben und ganz bestimmt kennst Du den Unterschied, aber der Text wirft am Anfang das Stichwort Corporate Publishing hin und vermengt dann verschiedene Formen von PR und Verkaufsförderung (Redaktionsstrecke in Yellow Press, Dauerwerbesendungen auf Reisesendern etc).

Ein gutes Unternehmensmagazin liefert Inhalte und eben keine Werbung, anders als der übliche Beilagenschmodder hilfloser Lokalzeitungen. ´

Vielleicht zahlt ein Beitrag über Maßnahmen zur Thrombosevorbeugung beim Langstreckenflug in geweissem Sinne auf die Marke der Fluggesellschaft ein. Ist das aber Werbung, also Absatzförderung, oder einfach Information? Tja, da gäbe es viel zu prüfen oder abzumahnen für Staatsdiener und Rechtsanwälte…

In der Praxis ist das Gesetz also undurchführbar, was Du auch schon anmerkst. Was wieder zum eigentlichen Thema führt: Wieso denken sich Politiker einen solchen Schwachsinn aus?

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Sebastian 14. Februar 2007 um 11:25

Korrektur

Es soll heißen \“explizit hast Du das natürlich NICHT geschrieben\“…

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Kai Sender 14. Februar 2007 um 13:06

Ich schlage vor, wir kürzen die Diskussion über dieses Thema mit dem wirklich benutzerfreundlichen Vorschlag, zukünftig auf ausnahmslos jedes Preisetikett direkt neben den Preis gut sichtbar, also fett- und rotgedruckt mit Schattenunterlegung den Hinweis zu bringen: \“Achtung: Wenn Sie Geld ausgeben, könnte Sie das verarmen lassen!\“

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Tobias 15. Februar 2007 um 11:14

Herr Knüwer,

wie sieht es denn mit den Beilagen im Handelsblatt aus?

Schöne Grüße
Tobias

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Thomas Knüwer 15. Februar 2007 um 11:43

Die Vorgabe der Chefredaktion ist klar: Keine Artikel für Anzeigen. Schreiben PR-Leute, zum Beispiel Unternehmenssprecher, muss das drunter stehen.

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