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Das Internet macht dumm, schreibt der bekannte Publizist Henryk M. Broder im „Tagesspiegel“. Stimmt anscheinend. Dumm macht es vor allem ihn. Früher habe ich Henryk M. Broder gerne gelesen. Er war böse und doch durchdacht. Mit dem Alter aber scheint die zweite Eigenschaft langsam zu schwinden.

Früher zum Beispiel, könnte ich mir vorstellen, früher hätte Henryk M. Broder geschrieben, dass all die Klagen über die Kakophonie im Internet ja durchaus begründet sind. Wenn jeder seine Meinung äußert entsteht Schreierei, versucht man, allen gleichzeitig zuzuhören. Man stelle sich vor, jemand würde versuchen, alle Tageszeitungen der Republik parallel zu lesen, alle Fernsehsender zu schauen, alle Radioprogramm zu hören, alle Bücher zu konsumieren. Doch das müssen wir nicht, betreten wir heute einen Kiosk, blättern wir durch eine Programmzeitschrift, wissen wir schon mit wenigen uns dort gegebenen Informationen, was uns interessieren könnte. Und wir erkennen: Es ist Bruchteil dessen, was uns angeboten wird, zum Beispiel im Düsseldorfer Bahnhofszeitschriftenhandel.

Nehmen wir nur einmal die Schmuddelecke mit den Pornoblättern. Der Kampf zwischen den Blättern „Pralle Titten“ und „Geile Titten“ ist den meisten Medienjournalisten beispielsweise entgangen. Warum? Weil der Kauf eines solchen Blattes immer etwas verschämtes hat. Und weil es einen ja nicht so interessiert, dass man nun unbedingt Geld investieren möchte.

Im Internet aber sind die prallen und die geilen Titten ganz nah, ein Klick reicht. Das Filtersystem, dass wir von früh an gelernt haben, funktioniert hier nicht. Es muss trainiert werden. Jugendliche, mit Computern aufgewachsen, haben es leichter.

Ihre Eltern dagegen sind des Filterns im Web noch nicht kundig. Und deshalb meinen manche, hätte Henryk M. Broder früher sicher gefolgert, das Internet sei voll von Dreck und Schmutz und Ihbah. Eben weil im Netz erreichbar ist, was im Bahnhofskiosk Überwindung kostet.

Und dann hätte Henry M. Broder früher sicher auch darauf hingewiesen, dass jenes Internet jedem, der daran teilhaben kann, ein Wissen eröffnet, für das früher blutige Kriege geführt worden wären. Und dass diese Möglichkeit nicht alle Menschen zu glühenden Kulturverehren gemacht hat, aber doch dafür gesorgt hat sie – und ihre Medienumwelt – zu verändern. Man vergleiche nur einmal die Komplexität einer Folge „Der Alte“ zu Odes Zeiten mit „24“.

All das hätte Henryk M. Broder früher vielleicht geschrieben. Früher. Heute schreibt er einfach „Das Internet macht doof“.

(Gefunden bei Herrn Dahlmann)


Kommentare


Mart 9. Januar 2007 um 18:50

\“Wenn jeder seine Meinung äußert entsteht Schreierei, versucht man, allen gleichzeitig zuzuhören. \“ – hätte Herr Broder so eher nicht geschrieben.

Schreierei entsteht nicht durch viele die zuhören – sondern durch viele die Schreien. 🙂

Abgesehen davon geht es mir mit Herrn Broder aber ähnlich.

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Thomas Knüwer 9. Januar 2007 um 19:07

Notiz an mich: Keine verdrehten Sätze mehr, wenn man gleichzeitig eine Seite in der Endredaktion vor sich hat.

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Martin 9. Januar 2007 um 19:22

Anknüpfend an Marts letzten Satz: mir auch. Früher ist bei Henryk M. Broder sehr, sehr lange her, finde ich. Außerdem nicht ungefährlich seine \“Tagesspiegel\“-Argumentation, riecht nach reichlich ranzigem Menschenbild.

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Uwe 9. Januar 2007 um 19:46

Herrn Broder geht es lt. eigener Aussage darum, \“wieder Grenzen zu ziehen, auf Abständen zu bestehen und qualitative Unterschiede zu betonen.\“ Er sollte sich das nicht allzusehr wünschen. Sonst könnte es – angesichts seiner Denkfaulheit und Abgleiten in starre Vorurteilsmuster – passieren, daß er sich ausgegrenzt bei den psychotischen Nervensägen wiederfindet.

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schaefchen 9. Januar 2007 um 21:07

Nur Müll im Internet! Das dachte ich auch gerade, als ich Herrn Broders beschissene Webseite sehen und lesen musste.

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weltherrscher 9. Januar 2007 um 22:54

die welt ist scheisse.
und ändern wollen würde man nur dann mögen, wenn man wohl jugendliche ideale und naivität hätte, ABER, dann müsste man ja wieder schreien.
ergo: stumm bleiben und all die schreiköpfe anschreien, natürlich erst viel viel später, wenn der zug mindestens in der 2.0 version längst abgefahren ist.

kennt der vielleicht web2.0 noch nicht?
na ja, broder ist so oder so 0.2

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flatter 10. Januar 2007 um 0:11

Immerhin gelingt es Herrn Broder, daß jede seiner kleinkindhaften Provokationen irgendwo zitiert wird. Seine \“Techniken\“ sind immer dieselben, er sucht niemals den Dialog, sondern er pappt seine Irrungen in stilistisch und argumentativ bettelarme Sterotypensammlungen, die er als \“Artikel\“ verkauft. Dafür sich aufregen? Ich halte es da mit ihm wie mit ähnlichen Kindern: Keine falsche Aufmerksamkeit!

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Kurt 10. Januar 2007 um 8:56

\“Das Einzige, was zählt, ist die Homogenisierung der Gesellschaft auf einem Niveau, das möglichst vielen die Teilnahme ermöglicht. Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen.\“

An dem Satz ist etwas Wahres dran und man sieht es z.B. an den Inhalten in Blog-Kommentaren und an den Diskussionen bei Wikipedia-Einträgen. Es pendelt irgendwann immer auf einem Niveau ein, dass die breite Masse der Gesellschaft verstehen kann. Das ist die gute Seite, denn so verbreitet sich Wissen, wenn auch meist nur auf niedrigem Niveau. Die gefährliche Seite ist, dass abweichende Meinungen (unabhängig davon, ob sie richtig sind), nicht mehr angehört werden, weil sie als störend oder zu kompliziert empfunden werden. Hat auch was von Schweigespirale.

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Markus Pirchner 10. Januar 2007 um 11:31

>Das Filtersystem … muss trainiert werden. Jugendliche, mit Computern aufgewachsen, haben es leichter.
Da ist möglicherweise an anders gemeinter Gedankengang sinnentstellend verkürzt formuliert worden. \“Filtersysteme\“ sind ja in erster Linie nicht technisch, sondern inhaltlich definiert. Was Jugendliche \“lernen\“ müssten, ist ein Wertesystem zu entwickeln, das ihnen einen menschenwürdigen Umgang mit der Realität erlaubt. Computer bzw. Internet bieten nur den äquidistanten Zugang zu den prallgeilen Titten wie zu religiös fundamentalistischen Angeboten. In meiner (internet-freien) Jugend war es sehr viel leichter, an den Katechismus zu kommen als an den Playboy. Das prägt das Weltbild. Irgendwie :-)) D.h. ethisch-moralische Entscheidungen waren schon strukturell geprägt.
Der Grad der \“computer literacy\“ macht niemanden zu einem besseren oder schlechteren Menschen. Das Internet ist nur die (riesige) Tapete, vor der sich die Sozialisierung der Jugendlichen vollzieht.

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sascha 10. Januar 2007 um 11:57

Kurz Korinthen gekackt: Erik Ode war der Kommissar. Der Alte war mal Siegfried Lowitz.

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HG 10. Januar 2007 um 13:25

Hallo,

zu Broder:

Tagesspiegel ist dumm, sollte der bekannte Publizist HMB beschreiben: Er bezahlt mich für ein Geschwurbel, das ich mir in anderthalb Stunden mal eben fakten- und sinnfrei aus den Fingern sauge. Mit den Edelfedern ist es eben wie mit den drei Tenören: Ihr Marktwert ergibt sich aus großen Taten der Vergangenheit. Heute wird ihnen jedes Krächzen vergoldet.

zum Internet:

Das Internet macht natürlich nicht doof. Das Doofe wird nur besser gesehen. Früher musste sich das Doofe, um erkannt zu werden, einen Fuchs an die Autoantenne binden. Heute reicht ein Kommentar in einem Forum oder einem Weblog.

Freundliche Grüße,

HG

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diaet 11. Januar 2007 um 1:15

\“Heute reicht ein Kommentar in einem Forum oder einem Weblog.\“

Oder ein Artikel im Tagesspiegel.

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habt mitleid! 11. Januar 2007 um 12:23

Vergangenen Samstagnachmittag gab\’s im DLF eine Sendung mit zum Thema Medien. Dort wurde Broders Stil als \“Zirkusjournalismus\“ bezeichnet. Das klingt erstmal verharmlosend, aber wenn man dabei an die bluttriefenden Spiele im Circus Maximus denkt, ist es doch sehr treffend.

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Weltregierung 15. Januar 2007 um 11:05

Der Abgang der Altvorderen.
Immer nötig und auch stets
schmerzhaft.

– Klowandregierung.

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Kai Sender 29. Januar 2007 um 14:24

Ach Leute, Broeder ist immer noch einer der Besten, weil er so herrlich gegen den Mainstream schreibt. Und wenn er dann mal ab und an daneben greift…na und?

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Klaus 25. März 2007 um 17:27

Manche haben den Broder nicht verstanden. Wahrscheinlich die, die die Kakophonie ausmachen. Also hat er recht.

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