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Deutsche Fußballfans gründen einen Rechtshilfefonds. Was erstmal merkwürdig klingt, könnte auch für die deutsche Weblog-Szene eine Überlegung wert sein. Die Zahl der rechtlich nicht berechtigten Ab- und Ermahnungen gegen deutsche Weblogs steigt. Inzwischen kommen zwei bis drei dieser Druckversuche von Anwälten am Rande der Erpressung und außerhalb des Demokrativerständnisses pro Woche in die Öffentlichkeit. Viele Blogger ziehen zurück – weil sie sich als die Schwächeren sehen. Andere wenden sich an bloggende Rechtsanwälte, die ihnen mit einem Schreiben aushelfen.

Auf Dauer kann und darf das aber kein Zustand sein. Dabei ist der Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit nur die eine Seite. Die andere ist die Kreativität, die das Instrument Weblogs freisetzt. Diese neuen Möglichkeiten können dem Wirtschaftsstandort Deutschland nur weiterhelfen.

Und deshalb ist vielleicht eine Idee, die schon einmal aufgetaucht ist (leider finde ich den Link nicht mehr) nochmals ein Nachdenken wert: ein Rechtshilfefonds für Blogger.

Ähnliches haben gerade Fußballfans ins Leben gerufen – eine spannende Initiative, finde ich:

„Fußballfans gründen bundesweiten Fanrechtefonds

Fußballfans aus ganz Deutschland haben sich zusammengeschlossen, um mit vereinten Kräften gegen die stetige Verletzung der Rechte von Fußballfans vorzugehen. Mit Hilfe des heute gegründeten Fonds soll die nötige finanzielle Basis geschaffen werden, um die nicht mehr hinnehmbare Behandlung unschuldiger und friedlicher Fußballfans juristisch überprüfen zu lassen.

Bereits seit Jahren haben Fußballanhänger eine zunehmende kollektive Kriminalisierung durch Polizei und DFB zu beklagen. Entgegen der Hoffnungen der Fans hält die im Vorwege der WM spürbar verschlechterte Situation auch nach der Rückkehr zum Liga-Alltag an. So führt eine einfache, routinemäßige Personalienaufnahme an einem Spieltag häufig zu einem Eintrag in die Polizeidatei ?Gewalttäter Sport“. Zur Erteilung eines Stadionverbots reicht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Dass die meisten Verfahren im Fußballumfeld später eingestellt werden, findet bei der Vergabepraxis keinerlei Berücksichtigung. Unschuldig bis die Schuld bewiesen ist, gilt hierbei leider nicht.

Exemplarisch für die oft willkürliche Praxis von offizieller Seite ist der Fall einer Gruppe argentinischer Fußballfans, denen bei der Fußball-WM im vergangenen Sommer ein Stadionverbot vom FIFA-WM-Organisationskomitee erteilt wurde. Der konkrete Vorwurf lautete damals, die Fans hätten innerhalb (!) des argentinischen Fanbereichs ihre Sitzplätze mit anderen Fans getauscht und bei emotionalen Situationen während des Spiels zeitweilig auf ihren Sitzen gestanden. Die ausgesperrten Fußballfans klagten gegen das erteilte Stadionverbot und erhielten vor dem Landgericht Frankfurt Recht: Eine einstweilige Verfügung des Gerichts ermöglichte ihnen, die weiteren Spiele ihrer Nationalmannschaft zu besuchen.

Ähnlich groteske Fälle sind leider auch im deutschen Ligaalltag ? unbemerkt von einer großen Öffentlichkeit ? an der Tagesordnung.
Allerdings fehlen den zumeist jugendlichen Betroffenen fast immer die finanziellen Mittel, um eine juristische Auseinandersetzung einzuleiten. Die Initiatoren wollen mit Hilfe des Fonds die Rechte aller Fans stärken. Mit erwarteten mehreren tausend Euro Spenden pro Jahr und ausgewählten, richtungweisenden Fällen, kann ein Umdenken auf Seiten der Verantwortlichen bewirkt werden ? insbesondere beim DFB.

Die Initiatoren des Fanrechtefonds waren immer und sind auch weiterhin gesprächsbereit. Ausdrücklich begrüßt wird auch, dass die Arbeit der Fanprojekte gestärkt werden soll und ein ?Fankongress“ durch DFB und DFL vorbereitet wird. Bei ähnlichen, durchaus konstruktiv verlaufenen, Gesprächen in den vergangenen Jahren konnte eine Verbesserung der Situation jedoch nicht erreicht werden. Selbst die Appelle des Bundespräsidenten Rau verpufften ergebnislos. Das im Sommer 2005 vom damaligen Bundesinnenminister Schily und dem DFBPräsident Zwanziger abgegebene Versprechen, eine Ombudsstelle für Fans einzurichten, wurde jüngst vom DFB widerrufen.

Die Initiatoren der Unterstützungskasse für Fanrechte verschließen nicht die Augen vor den tatsächlich existierenden Problemen bzgl.
Gewalt rund um den Fußballsport, wie sie in den vergangenen Wochen bedauerlicherweise wiederholt zu Tage getreten sind. Derartig unhaltbare Zustände, wie sie am Rande einiger Fußballspiele zu beobachten waren, rechtfertigen jedoch keine Stadionverbote gegen unschuldige Fans nach dem Gießkannenprinzip. Die Initiatoren distanzieren sich in aller Deutlichkeit von Gewalt und Rassismus in und außerhalb der Stadien. Eine Unterstützung von Hooligans und rassistischen Fans ist durch die Satzung des Fonds ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Kontoverbindung des Spendenkontos lautet:
Kontoinhaber: Rechtsanwalt Dirk Seitz
Kontonummer: 4956785
Bankleitzahl: 20070024 (Deutsche Bank Hamburg)

Ein aus fünf Fans verschiedener Vereine bestehender Kassenrat entscheidet in Einklang mit der Satzung des Treuhandkontos über die Verwendung der Spenden. Zwei Anwälte verwalten das Geld und überwachen die satzungsgemäße Nutzung. Weitere Informationen über das Projekt ?Fanrechtefonds“ sind unter www.fanrechte.de abrufbar. Unterstützt wird das Projekt von zahlreichen deutschen Fanclubs und Fangruppen, sowie den beiden großen überregionalen Fanorganisationen BAFF und PRO FANS.


Kommentare


niels | zeineku.de 7. Dezember 2006 um 18:32

Einen Fonds für Hilfe bei Abmahnungen fände ich etwas albern. Zum einen weil man sich gegen ungerechtfertigte Abmahnungen gar nicht wehren muß; es reicht, sie in den Papierkorb zu befordern. Außerdem weckt die Einrichtung so eines Fonds Erwartungen auf Hilfe, auch wenn das Unterlassungsbegehren berechtigt ist.

Ein Verband, der allgemein die Interessen von Bloggern wahrnimmt, könnte ich mir schon eher vorstellen. Der könnte im Einzelfall natürlich auch Blogger unterstützen, die juristischen Beistand benötigen.

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mk 7. Dezember 2006 um 19:56

🙂 Großartig! Das soll uns mal einer nachmachen.

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Farlion 8. Dezember 2006 um 2:12

Ich stehe der Sache etwas distanziert gegenüber. Prinzipiell fand ich die Idee damals nicht schlecht. Als aber Blogwartung.de ins Leben gerufen wurde und schon kurze Zeit später eine Meldung einer Abmahnung reinkam, bei der der Blogger diese schon fast vorsätzlich provoziert hatte, änderte ich meine Meinung darüber. Wenn Blogger Rechtsstreits grob fahrlässig provozieren, weil sie ihre persönliche Rechtsauffassung über die, des geltenden Rechts stellen, dann ist die Pleite einer solchen Organisation vorprogrammiert.

Für sinnvoll halte ich dagegen eine kostenpflichtige Interessengemeinschaft, die dann zum Beispiel eine Kanzlei beauftragen, Richtlinien für rechtlich sicheres Bloggen zu erarbeiten, Stichwort Bildrechte und Persönlichkeitsrechte beispielsweise.

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niels | zeineku.de 8. Dezember 2006 um 21:00

Farlion: Genau in die Richtung gehen meine Befürchtungen auch. Deshalb lieber einen Verband, der als eine seiner Aufgaben auch Unterstützung im Einzelfall sieht, als eine Art Rechtsschutzversicherung.

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