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Nun zieht auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ den Schwanz ein – und passt sich der neuen Rechtschreibung an. Darüber darf man denken, was man möchte, die Art und Weise der Begründung aber enttäuscht mich. In Deutschland hat man ein Problem, Niederlagen einzugestehen. Man schaue sich nur Politiker nach einer Wahl an: Jeder gewinnt, keiner verliert, darauf einen Schaumwein der Sonderangebotskategorie.

So ähnlich ist es auch mit der „FAZ“. Die schreibt jetzt auch neu, also nach neuer Rechtschreibung. Doch statt sich selbstbewusst hinzustellen und zu sagen: Wir beugen uns dem Druck, versucht der Verlag krampfhaft sich am Eingeständnis der Niederlage vorbeizuschwadronieren:

„Dieser Schritt dient der Einheitlichkeit der Rechtschreibung. Er wurde möglich, weil Einwände der Reformgegner im reformierten Regelwerk berücksichtigt wurden. Diese Entscheidung ist mit dem ?Spiegel? und mit der ?Süddeutschen Zeitung? abgestimmt.“

Ja, schon klar, die Niederlage ist ein Sieg. Und der Hinweis auf Absprachen mit „Spiegel“ und „Süddeutscher“ erinnert den Leser daran, dass journalistische Unabhängigkeit und eigenständiges Denken hier zu Lande schon mal häufiger zu finden waren.

Ach, ich wünsche mir einen Olli Kahn für das Verlagsmanagement. Einen, der immer alles gibt. Der sagt, wenn sein Team gut spielt und der zugibt, wenn es mies gespielt hat. Und der das für alle seine Mitspieler einfordert. Mit deutlichen Worten:

Nachtrag: Sehr unterhaltsam sind die dazu eingehenden Leserbriefe (gefunden im Wortfeld).


Kommentare


stralau 4. Dezember 2006 um 14:41

Ja, die Begründung ist total albern. Zumal die Einheitlichkeit bestimmt nicht durch eine weitere Hausorthographie hergestellt wird.

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la deutsche vita 4. Dezember 2006 um 19:09

Immerhin verzichtet die FAZ auf eine Dolchstoß-Geschichte. Die sind bei deutschen Niederlagen ja sonst immer besonders beliebt. Und dass sie im allgemeinen Grauschleier der neuen Rechtschreibung ein paar \’greuliche\‘ Akzente setzen will, sei ihr doch gegönnt.

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HendrikBuhrs 4. Dezember 2006 um 19:25

Widerspruch. Wenn die FAZ (und, allerdings in völlig anderer Qualität, BILD) nicht ein Forum für Reformkritik geboten hätte, wäre die Reform wahrscheinlich auf dem Stand von 1996 geblieben. Inklusive einiger Nuancenverluste in der Schriftsprache. Aus meiner Sicht hat die FAZ das Mögliche erreicht, nämlich einen Kompromiss, mit dem man jetzt leben kann.
Vom Handelsblatt (und vielen anderen Medien) habe ich derlei Einsatz nicht vernommen.

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Mickus 5. Dezember 2006 um 13:21

Die Herausgeber und Redakteure, die Journalisten, die ganze schreibende Zunft, alle haben sich verspekuliert. Schon die erste Reformeinführung wurde offenbar überhaupt nicht ernstgenommen, abgetan oder die Sturheit von Politikern total unterschätzt (was kein gutes Licht auf ihre fachliche Kompetenz wirft, denn mit diesen Politikern führen sie doch ständig Diskussionen und Diskurse ). Ich habe noch die Interviews mit einigen wenigen Sprachinteressierten im Ohr, die vor dem Chaos gewarnt haben, es waren Eltern und Erzieher, also eigentlich Laien. Und was haben die Profis gemacht ? Denn genauso wie befürchtet ist es nun auch gekommen. Aber genau diejenigen, die es hätten wissen und verteidigen müssen, die täglich mit der Sprache umgehen, die ihren Nuancenreichtum und ihre Sensibilität kennen sollten, die in ihrer Schriftform widergespiegelt und verstärkt werden, und die den schriftlichen Ausdruck täglich brauchen wie Brot und Wasser, deren Beruf und Berufung es eigentlich sein müßte, die Sprache zu pflegen und nicht platt zu machen, die das Spannungsfeld ausdrucksstarker Orthographie lieben müßten, die haben geschwiegen oder es einfach verpennt.
Kein Wunder also, wenn immer weniger gelesen wird und Belletristik und Poesie knapp gefaßter und meist hohler Polemik oder kurz und klein gehackter Informationsschnipsel aus dem Internet weichen müssen !
Es ist tief gehend tiefgehend erschütternd !

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