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Bisher geisterte sie nur in den USA herum, die Behauptung, Pharma-Firmen errichteten Weblogs und Internet-Seiten, in denen erfundene Geheilte über ihre positiven Erlebnisse mit bestimmten Medikamenten berichten. Ganz so schlimm ist der nun folgende Fall nicht – aber er geht in eine ähnliche manipulative Richtung. So geht es manchmal bei Weblogs. Eine Kette von Zufälligkeiten, eine Bloggerin, der etwas merkwürdig vorkommt – und siehe da: Sie stößt auf eine Pharmafirma, die einer Selbsthilfegruppe eine Internet-Seite ins Netz stellt auf der die Produkte des Unternehmens gelobt werden.

Involviert sind leider wieder einmal die PR-Agentur Edelman, der Pharmakonzern ZLB Behring und um die real existierende Selbsthilfegruppe HAE-Vereinigung – bitte lesen Sie hier weiter.

Ich habe die drei beteiligten Parteien um eine Stellungnahme gebeten.

(Gefunden bei wirres.net)

Nachtrag vom 20.11.: Am Freitag nun (17.11) meldete sich ZLB Behring:

„Sehr geehrter Herr Knüwer,

auf Ihre Anfrage nach dem Zusammenhang zwischen der Internet-Domain ?Schwellungen.de?, deren Inhaber ZLB Behring ist, und der HAE-Vereinigung nehmen wir Stellung:

Die HAE-Patientenvereinigung hat das Ziel, eine verbesserte Information und Behandlung der betroffenen Patienten, die an hereditären Angioödemen leiden, zu erreichen.

Das Hereditäre Angioödem ist eine erbliche, äußerst seltene, wenngleich folgenschwere Krankheit, die in der Vergangenheit oft unzureichend diagnostiziert und, infolgedessen, auch fehlerhaft behandelt wurde. Durch einen genetisch bedingten Mangel an C1-Esterase-Inhibitor kommt es zu einer Fehlsteuerung des Komplementsystems, was zur Ausbildung dieser Angioödeme führt. Charakteristisch sind wiederkehrende Haut- und Schleimhautschwellungen. Davon können z.B. die Gliedmaßen, das Gesicht, der Kehlkopf oder der Magen-Darm-Trakt betroffen sein. Die Schwellungen können sehr schmerzhaft und bei Beteiligung der Atemwege lebensbedrohlich sein.

Da diese Erkrankung oft mit allergischen Krankheitsbildern verwechselt und erst sehr spät erkannt wird, ist eine Verbreitung der Informationen über diese Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten wünschenswert. Da jedoch die finanziellen Mittel der Patientenvereinigung begrenzt sind, hat sich die Firma Centeon, die heutige ZLB Behring GmbH, bereit erklärt, diese Vereinigung bei ihrer Aufklärungsarbeit unter anderem durch Einrichtung einer Domain zu unterstützen, so dass bessere Möglichkeiten entstehen, Informationen an die betroffenen Patienten zu vermitteln. Auf den Inhalt der von der HAE-Vereinigung gestalteten Website nimmt die Firma ZLB Behring keinerlei Einfluss. Generell ist eine Unterstützung von Patientenorganisationen zur Information und Aufklärung durch Unternehmen üblich und auch notwendig, um diese Aufklärungsarbeit durch die Patientenorganisationen zu ermöglichen.

Auch die von Ihnen angesprochene Pressemitteilung dient dem Zweck der Patienteninformation und -aufklärung.
Ihre Bedenken, dass die Unterstützung der Informations- und Aufklärungsarbeit der Patientenvereinigung nicht hinreichend öffentlich gemacht worden ist, haben wir aufgenommen. Künftig wird ZLB Behring als Sponsor auf der Website der HAE-Vereinigung e.V. namentlich genannt werden.

Wir hoffen, dass Ihre Frage damit ausreichend beantwortet ist. Sollten noch Fragen offen sein, lassen Sie uns dies bitte wissen.

Mit freundlichen Grüssen
ppa. Dr. Michael Rode i.V. Dr. Doris Rosenthal
Informationsbeauftragter ZLB Behring GmbH“


Kommentare


Björn Hasse 10. November 2006 um 11:24

Hallo Thomas,
für das Krankheitsbild HAE – um das es hier geht – gab es bis Herbst dieses Jahres eine Therapieoption. Richtig: Von eben jenem Pharma-Unternehmen. Dass dieses Unternehmen eine/die Selbsthilfegruppe unterstützt mag zu Diskussionen führen, den Punkt aber, den Du anführst, dass „Produkte des Unternehmens gelobt werden“, sollte es klarstellen: Es gibt bzw. gab nur diese. Und: Obgleich die Seite durch ein Unternehmen gefördert wurde, findet sich unter „Aktuelles / Neue Medikamente“ der Hinweis auf die Studie des Wettbewerbs. Denn nun gibt es (bald) eine neue Therapie-Option. Dass auch auf diese hingewiesen wird, belegt m.E. dass die Seite die der Selbsthilfegruppe ist. Und in diesem Zusammenhang: Thomas, es gibt hier keine „Heilung“, „erfunden“ ist hier ebenso niemand. Frag doch bitte bei der Selbsthilfegruppe an, Du bekommst bestimmt die Möglichkeit, mit Betroffenen zu sprechen.

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Don Alpohonso 10. November 2006 um 11:36

Schon lustig, dass ein Edelman-Mitarbeiter hier über alles redet – aber keinen Ton über die Rolle von Edelman von sich gibt. Na?

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Thomas Knüwer 10. November 2006 um 11:45

Björn, Du hast Recht, hier ist niemand erfunden. Der springende Punkt aber ist: Ein Unternehmen finanziert hier den Online-Auftritt einer Selbsthilfegruppe mit – doch das erfährt der Leser nicht. Warum also steht nicht irgendwo, dass ZLB Behring Unterstützer der Gruppe ist?

Die Antwort kennen wir beide: Weil ein expliziter Hinweis der Gruppe selbst ihre Authentizität ein Stück weit rauben würde. Ich vermute hinter der Gruppe nichts Böses – nur wo kann ich den Unterschied sehen zwischen Institutionen, die sich von Geld beeinflussen lassen und solchen, die es nicht tun? Beide Varianten erwähnen nicht ihre Unterstützer. Wer ein reines Gewissen hat, sollte solche Zuwendungen öffentlich machen – das ist Transparenz.

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Sven 10. November 2006 um 11:49

Die kapieren einfach nicht, dass es nicht darum geht, dass eine Firma als Sponsor auftreten kann (und darf!) sondern dann ein „Gschmäckle“ bekommt, wenn dieses Sponsoring versucht wird, hinter irgendwelchen Kulissen versteckt zu halten, so dass das am besten keiner mitbekommen soll. Aber so sind sie, die „Kommunikationsprofis“ – reden könn’se. Zuhören? Fehlanzeige.

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Pütter 10. November 2006 um 11:51

Mit obigem Artikel wird der Absurdität vieler Bereiche des „Gesundheitswesens“ ein weiterer hinzugefügt. Ein Milliardenschwerer Selbstbedienungsladen, Anbieter produzieren sich ihre Umsätze. Vor ca. 2 bis 3 Jahren war das mal Titelgeschichte im Spiegel. In welchem Tempo Krankheiten erfunden werden, teure wirkungslose Medikamente in den Markt gedrückt werde usw.

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Björn Hasse 10. November 2006 um 12:05

Edelman ist eine PR-Agentur. PR-Agenturen werden als Dienstleister für ihre Arbeit von ihren Kunden /Auftraggebern für die geleistete Öffentlichkeitsarbeit bezahlt.
Auch im Bereich der Gesundheits-/Pharma-PR arbeitet Edelman nach ebendiesem Muster und auch im Bereich der Gesundheits-/Pharma-PR verfasst und versendet Edelman bspw. Pressemitteilungen für seine Kunden.
Wir sind PR-Berater. Wir sind nicht der Kunde. Wir sind nicht die Selbsthilfegruppe. Nicht der CEO. Und auch nicht der Spin-Doctor.
Das glamouröse Bild der PR – „Spin-Doctors in Warrooms, die über die Neutralisation der Gegner beraten“ -, das anscheinend in manchen Köpfen präsent ist, entspricht nicht der Realität. Und das weißt Du.

@ Sven: Du sitzt leider exakt dem Missverständnis auf, dass ich hier benenne: Ja, tituliere uns (gerne) als Kommunikationsprofis, aber verwechsele uns nicht mit dem Unternehmen – das evtl. nicht auf der Nennung besteht – oder der Selbsthilfegruppe – die die Nennung nicht anführt.

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Sven 10. November 2006 um 14:02

Hi,

ich verwechsle da garnichts… Verwechslungen treten erst da auf, wo die verschiedenen Beteiligten nicht klar erkennbar auftreten… 😉

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sebastians 10. November 2006 um 15:17

Schon lustig, dass Don unterschwellig anklagt, jetzt aber nicht mehr in die Diskussion einsteigt. Na?

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Til 10. November 2006 um 16:40

Zuletzt wird doch der Verbraucher enscheiden, ob er sich für dieses oder ein anderes Medikament entscheidet – so es eine Alternative gibt. Allerdings sind eben nicht alle Verbraucher so pfiffig, sich über Medikamente oder gar „erfundenen“ Selbsthilfegruppen gedanken machen zu können – hier liegt die Verantwortung eines Unternehemens, seine (in-)direkte Einflussnahme und die damit verbundene Subjektivität klar zu nennen. Das gilt meines Erachtens auch für PR-Unternehmen, wenn sie Profis sein wollen. Alles andere ist in meinen Augen unlauterer Wettbewerb und in schlimmeren Fällen mitunter gefährliche Täuschung.

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strappato 10. November 2006 um 18:33

Ja, immer feste drauf. Die Pharmaindustrie ist sowiso immer schlecht und zusammen mit der PR-Branche ist das sowas wie ein duo infernale.

In diesem Fall muss aber die Kritik die Selbsthilfebverbände treffen. Ohne die Zuwendungen der Pharmaindustrie können die wenigsten arbeiten. Nur wird das von den meisten Verbänden nicht offen kommuniziert. Die Pharmaunternehmen haben selten ein Problem damit. Die Verbände und Vereine aber meinen, durch die offene Darlegung ihrer Finanzquellen ihre moralische Unabhängigkeit gegenüber ihren Mitgliedern und der Öffentlichkeit zu verlieren, merken aber nicht, dass dies gerade durch diese Verschleierung der Geldgeber passiert.

In dem vorliegen Fall hätte nichts dagegen gesprochen auf der Internetseite die Unterstützung durch ZLB Behring zu nennen. Das dies nicht passiert ist, ist nach meinen Erfahrungen mit anderen Fällen eine Entscheidung des Selbsthilfeverbands.

Was wäre, wenn die Pharmaindustrie bei solchem Sponsering die Nennung des Unternehmens zur Vorraussetzung macht? Dann würden Stimmen kommen, die kritisieren, dass die Pharmaunternehmen nicht uneigenützig helfen sondern nur werben und verkaufen wollen und die Medien der Selbsthilfegruppen ausnutzen. Wie man es macht, ist es verkehrt.

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Don Alphonso 11. November 2006 um 1:44

Björn, das mit dem War Room, das ist etwas, was Edelman-leute selbst gegenüber der New York Times gesagt haben, also tu mir den Gefallen und versuch wenigstens hier mal nicht Spin, ok? Da bin ich absolut die falsche Adresse für.

So. ihr verfasst also Pressemitteilungen. Sonst nix? Keine Tipps für den Pharmakonzern, wie man so eine Gruppe managed? Wenn ih da anrufe, sagen mir die Betroffenen das, was sie denken oder das, was Edelman ihnen empfiehlt? Wer bezahlt Euch eigentlich – die Gruppe als Pharmakonzern indirekt oder der Pharmakonzern?

Oder macht Ihr echt nur eine kleine Pressemitteilung dann und wann auf Stundenbasis? Wie jede andere mickrige Klitsche?

Komm, erzähl es uns.

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Markus Roder 11. November 2006 um 19:09

@ Don,

Ich verstehe Deinen idealisitischen heiligen Zorn nicht ganz. Natürlich ist es so, dass die Leutchen von Edelman genau die Dinge tun, derer Du sie anklagst. Genau das ist ihr Job, genau das wird nachgefragt. Der Job der Presse ist es, sowas zu enttarnen – und der Job von PR-Profis dann wieder, es beim nächsten Mal eben noch besser zu machen.

Klar kann man auch von vornherien ehrlich sein – aber sind da die Opportunitätskosten wirklich besser? Schlau aus Kommunikationssicht ist es doch, den Weg zu wählen, bei dem mit moderatem Risiko die resultierende Wirkung die höchste ist. Das kann man „ehrlich sein“, ein anderes Mal „lügen“ sein. Weiss fast jeder, der in der Schule mal in Veruchung war, bei einer Klausur zu spicken… also jeder.

Zornig bist Du doch eigentlich nur deswegen, weil die Machiavellis unter den PR- und Viral-Agenturen ihren Job (mal von den letzten „Edelmann-Blundern“ abgesehen) eigentlich recht clever und gut machen und sogar Leute wie Du und ich drauf reinfallen könnten.

Aber warum eigentlich regst Du Dich nicht über die Hersteller homöopathischer, also WIRKLICH WIRKUNGSLOSER Präparate auf? Oder über Wunderheiler, Reiki-Meister und andere Quacksalber? Klar: Um auf die reinzufallen, muss man schon jemand sein, der sich eigentlich gar nicht selbst die Schuhe zubinden kann. Die sind einfach nicht so gut die Edelmann & Co. Aber wenn man es aber rational betrachtet: Die kleineren Quacksalber ziehen wirklich wehrlosen Menschen das Geld aus der Tasche, mit „Heilungsoptionen“ die gar nicht funktionieren – im Gegesatz zu dem „ge-astroturften“ Präparat, das wahrscheinlich tatsächlich einen klinischen Effekt hat.

Beste Grüsse und nix für ungut!

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