Mancher Marketing-Verantwortliche glaubt tatsächlich, er würde heute schon One-to-One-Marketing machen. Lächerlich. Dann kann er auch behaupten, eine Schrotflinte sei eine Waffe für Scharfschützen und Kamelleschmeißen vom Karnevalswagen die Überreichung eines liebevoll ausgewählten Geschenks. Es gibt Werbeschreiben, die geben sich persönlich. Mit Anrede und so. Also persönlicher Anrede, „Sehr geehrter Herr Knüwer“ und so weiter. Nun vermutet dabei nur noch ein völlig von der Realität Entrückter, dass tatsächlich eine sekretarische Hilfskraft tausende von persönlichen Anschreiben verfasst hat. Nein, das geht alles automatisch und abgesehen vom Namen enthält jedes Reklamebriefchen den gleichen Inhalt.
Was ja an sich bemerkenswert ist, in Zeiten angeblich so einfach zu erhaltender Kundendaten und dem Einsammeln von Adressen. Manches ginge doch ganz einfach. Warum, zum Beispiel, gratuliert mir nur meine Online-Bank zum Geburtstag – obwohl ich bei zahlreichen Internet-Händlern sowohl meine E-Mail-Adresse als auch meinen Geburtstag hinterlegt habe? Und obwohl diese Unternehmen keine Skrupel haben, mich im Wochenabstand mit Werbung zu belästigen. Übrigens: Meine Bank, Consors, schickt mir einen Brief, was ja auch irgendwie stilvoller wirkt. Sie hat mir auch schon mal, einfach so, eine Flasche Wein zugesandt, weil ich treuer Kunde bin.
Trotzdem strunzen Marketingverantwortliche rum, sie seien ja ganz heiß dabei, beim One-to-One-Marketing. Entweder sie lügen – oder sie haben keine Ahnung, was auf sie zurollt. Denn künftig werden sie tatsächlich Eins-zu-Eins mit Kunden reden müssen. Dann ist nichts mehr mit Massenabfertigung, denn die Kunden werden sich wehren, geschieht ihnen schlechter Service oder Unrecht. Frau Cassandra, zum Beispiel, lästert über die Deutsche Bank (gefunden bei Herrn Dahlmann).
Die Deutsche Bank hätte das verhindern können. Mit einem einzigen Anruf, um den dieses Haus, geht es um das Verticken von Riester-Renten oder Immobilien, sonst nicht verlegen ist. Einfach mal nachfragen: „Hat sich Ihre Adresse geändert?“ Stattdessen wird ein von der Post fehlgeleiteter Brief zum Anlass genommen, 14 Euro zu berechnen.
Dahinter steckt natürlich verstaubteste Banker-Denke: Der Kunde soll doch froh sein, dass er bei uns sein darf. Guter Service hätte auch darin bestehen können, selbst bei einem Umzug die Adresse ohne Kosten zu ermitteln. Mal abgesehen davon: Wie ermittelt die Deutsche Bank denn so eine neue Adresse? Gibt es Verbindungen zu Meldeämtern? Zum BND?
Dieses automatische Abkassieren und Ignorieren der persönlichen Kommunikation wird auf Dauer nicht funktionieren. Unternehmen werden sich mit Beschwerden ihrer Kunden auseinandersetzen müssen. Das wird für die meisten sehr, sehr viel Aufwand bedeuten. Vielleicht mehr Aufwand, als manches Unternehmen leisten kann. Doch wem das nicht gelingt, der wird seine Kunden an den Rivalen verlieren, der genau das bietet.
One-to-One-Marketing soll es schon geben? Lächerlich, es fängt gerade erst an.
Kommentare
stralau 30. November 2006 um 12:30
Adressen kann jeder beim Einwohnermeldeamt bekommen. Eine einfache Auskunft kostet z.B. beim Einwohnermeldeamt Berlin 3,58 ? pro angefragter Person.
Wie die Deutsche Bank dann aber auf 14 ? kommt, ist nicht so ganz klar. Das Bundesverwaltungsamt aber verlangt, wenn es um Rückzahlung von Bafög-Schulden geht und man vergessen hat bescheidzusagen, sogar 25 ?.