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Wenn eine Korrespondentin der guten alten Tante „FAZ“ schon die klare Trennung aus Berichterstattung und Meinung überspringt – dann zeugt das von großer Not. Oder großer Angst. Gestern schrieb ich über die Turbulenzen beim „Daily Telegraph“ in London. Heute tut dies die „Frankfurter Allgemeine“: England-Korrespondentin Gina Thomas war in den neuen Räumen des „Telegraph“ und hat anscheinend schon vor einigen Tagen darüber geschrieben. Denn der Nachrichtenstand ist nicht ganz der letzte, mutmaßlich hat das Stück ein paar Tage in der Warteschleife gehangen, die bei uns Zeitungsmenschen „Stehsatz“ heißt.

Ansonsten ist das Stück sauber und schön – bis auf das Ende. Da meint Frau Thomas nämlich den erhobenen Zeigefinger Richtung Herausgeberrat (der bei der „FAZ“ die Chefredaktion ersetzen soll) zu strecken. Und würde man eine Lesung dieses Artikels verfilmen, so säße dort eine gefasste Frau, die zunächst ein wenig wackelig vorträgt, dann fester in der Stimme wird. Doch ganz zum Ende pressen Angst um die eigene Zukunft, der steigende Arbeitsdruck, der Stress, das Unverständnis über eine sich rasant wandelnde Welt ihr die Tränen in Augen. Mit hörbar zitternder Stimme bringt sie ihr Manifest zu Gehör:

„Die Auswirkungen der digitalen Revolution auf das Zeitungswesen lassen sich nicht ermessen. Bislang gab die Internetfassung mehr oder weniger den Inhalt der gedruckten Zeitung wieder. Doch nun droht der Markenartikel, auf dessen Namen die digitalen Erzeugnisse beruhen, zum Nebenprodukt zu werden und der Chefredakteur von seinem Podcast-Gegenüber in den Schatten gestellt zu werden. Zuweilen scheint es, als schaufelten die Verleger vor lauter Zukunftsangst das Grab der Printmedien.“

Dann verlässt sie eilend die Bühne. Hinten wartet ein Freund, nimmt sie wärmend in die Arme und blickt ihr tief in die Augen. Dann sagt er: „Du musst verstehen. Es sind nicht die Verleger. Es sind die Leser.“

Nachtrag: Weil sich die Zahl der Internetängstlichen unter meinen Berufskollegen häuft, gibt es hier ab jetzt die neue Kategorie „Zitternde“.


Kommentare


Don Alpohonso 5. Oktober 2006 um 11:41

Ich denke, Podcasts werden notorisch überbewertet – aus zwei Gründen:

1. Wer Blogs kennt, weiss um die Herkunft unserer Besucher: 60% Cyberslacker während der Arbeitszeit. Die fallen beim Podcasten zwengs Audio/Video so ziemlich raus.

2. Das Überangebot, mit dem momentan alle ins Netz drängen. Man schaue sich nur mal die Medientage in München an, da läuft gerade der Podcast-Irrsinn bei allen Medienhäusern ein. Und dann? Hohe Kosten, niedrige Qualität, weil Printleute miese Sprecher sind, viele Angebote, keine Erlösmodelle ausser für ein paar Überflieger.

Wenn sich die Zeitungen mehr auf Qualität und Nachaltigkeit konzentrieren würden, hätten sie mehr davon, als vom Geldverbrennen für miese Videos, die allenfalls Mytube-Durchschnitt sind und damit absaufen.

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