Langsam wird sie fast amüsant, die mühsam kaschierte Angst mancher Journalisten vor Weblogs und diesem ganzen Gedöns. Jüngstes Beispiel: Der „Stern“ und sein Versuch, Angela Merkels Video-Podcast niederzuschreiben.
Lieber Leser,
vielleicht sind Sie auf diese Veranstaltung hier gestoßen, weil Sie den heutigen „Stern“, ein Blatt, das ich eigentlich sehr schätze, gelesen haben. Das ist gut möglich, schließlich hat der „Stern“ heute mal wieder über Weblogs geschrieben. Und vielleicht haben Sie sich da gedacht: „Ach, Mönsch, kuckste mal, was es damit so auf sich hat.“
Wenn dem also so sein sollte, dann seien Sie nicht enttäuscht. Es gibt hier keine Musik. Und auch keine Foren. Auch keine „blogosphere“-Teilnehmer.
Nun kann ich Ihre Empörung verstehen, schließlich hat Ihnen die „Stern“-Kollegin Franziska Reich all das versprochen in ihrem Bericht über Angela Merkels Videopodcast. So heißt das nämlich eigentlich, was Ihnen Frau Reich da als Blog verkauft hat.
Nun ist es nicht so, das muss ich Ihnen einfach mal erklären, dass Frau Reich keine Ahnung hat, oder nicht recherchieren könnte. Sie ist nur einfach ein wenig voreingenommen. Negativ voreingenommen. Vielleicht hat sie Angst. Da wäre sie nicht die einzige ihres Berufsstandes.
Wie, werden Sie sagen, Angst? Wovor denn? Nun, davor an Macht zu verlieren, weil Privatleute nun Texte veröffentlichen können, die Leser finden. Und weil ihr eigenes Blatt sie drängt, doch bitteschön auch etwas für den Online-Auftritt beizusteuern. Das kostet Zeit und diese Zeit glaubt so mancher Journalist nicht zu haben, was ihn auf Gegenkurs zu seinen Chefs bringt. Und deshalb versucht er all das, was da so im Internet passiert, zu verniedlichen und runterzumachen. Es darf halt nicht der Verdacht aufkommen, dass Weblogs & Co. etwas ernsthaftes sind – sonst bedeutet das nur noch mehr Arbeit. Und natürlich ist Journalismus ein Beruf, der ohnehin jede tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit sprengt.
Also mokiert sich Frau Reich darüber, dass der in der Tat langweilige Podcast von Angela Merkel im Internet entstellt wird. Und dass sich die Kanzlerin Rat sucht bei einer Bloggerin, die immer beim Spitznamen genannt wird, deren tatsächlicher Name aber prompt verschwiegen wird. Sonst würde sie zur ernstzunehmenden Person werden und das täte der Geschichte nicht gut.
Deshalb auch muss ständig behauptet werden, die Kanzlerin würde bloggen. Tut sie nicht. Weiß Frau Reich mutmaßlich auch, weil ihre Kollegen viele Blogs füllen – wenn auch meist mit wenig Unterhaltungs- oder Informationswert.
So ist da also mit der Geschichte im aktuellen „Stern“. Seien Sie aber nicht enttäuscht. Schauen Sie sich einfach mal hier um. Oder klicken auf eines der anderen Weblogs auf der rechten Seite des Bildschirms. Und dann werden Sie feststellen: Das mit den Weblogs ist ganz anders, als im „Stern“ beschrieben. Schön, nämlich. Und interessant. Und unterhaltsam.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Hinweis gefunden bei Heiko Hebig, „Stern“-Artikel leider nicht online)
Nachtrag: Es gibt natürlich auch Journalisten mit Wissensdefiziten über Weblogs, lieber Leser. Die sitzen zum Beispiel bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg und berichten darüber, dass CBS die Abendnachrichten mit seiner neuen Ankerfrau Katie Couric auch live im Internet ausstrahlt.
„The plan builds on CBS’s July announcement that the evening news will also air on the radio and that Couric, 49, will host a Web log, or blog, tied to the show.“
Lassen Sie sich nicht verwirren, lieber Leser, Weblog schreibt man zusammen und Frau Couric ist ein Mensch – kein Internet-Seiten hostender Server.
Kommentare
Xe54 18. August 2006 um 10:15
Schöner Text. Manche Journalisten um nicht zu sagen viel haben genau wie die Musikindustrei (Online-Musikshops) den Trend zum Web verpasst. und wer merkt, dass er es ohne viel Arbeit nicht nachmachen kann, der schreibt Weblogs ganz einfach nieder. mfg Xe54