Internet-Zensur in Deutschland? Ausblocken von Seiten, die der eigenen Vorstellung nicht genehm sind? Nein, das kann es doch hier nicht geben, oder? Doch. Sachsen hat genau das vor. Vielleicht schreibe ich das jetzt ein wenig vorschnell, aber den Anfängen gehört halt schnell gewehret.
Sachsen will Betandwin, die inzwischen Bwin heißen, die Wettlizenz entziehen. Diese Lizenz ist noch eine aus DDR-Zeiten und sie zu entziehen dürfte schwer genug sein. Dass damit wohl noch wissentlich gegen EU-Recht verstoßen wird, ist eine Sache, die Juristen viel Spaß bereiten dürfte.
Doch viel interessanter für die Freunde des Internets ist eine Äußerung des sächsischen Innenstaatssekretär Jürgen Staupe, die ich gerade bei Reuters lese:
„“Das wäre ein Verbot, das auch in Deutschland insgesamt gilt“, sagte der sächsische Innenstaatssekretär Jürgen Staupe am
Donnerstag in Dresden. Eine behördliche Genehmigung bestehe weder in Sachsen noch in einem anderen Bundesländern.“
Und jetzt bitte anschnallen und festhalten:
„Notfalls könnten die Landesmedienanstalten Internet-Angebote des Unternehmens auch mit technischen Mitteln blocken, sagte Staupe weiter.“
Willkommen in Sino-Sachsen!
Was die Juristen ebenfalls freuen dürfte, ist der Versuch, deutsches Staatsrecht zu übertragen:
„Sollte der österreichische Wettanbieter Bwin weiterhin Einsätze per Internet aus Deutschland
annehmen, wäre dies nach Einschätzung des CSU-Politikers illegal. „Das ist kriminelles Verhalten, denn es ist in Deutschland verboten
private Wetten zu veranstalten.“, sagt der bayrische Innenminister Günther Beckstein.
Sprich: Ein Mitgliedsland der EU will einem Unternehmen, dessen Geschäfte in einem anderen EU-Land legal ist, verbieten seinen Geschäften nachzugehen. Bemerkenswert.
Und dann möchte Beckstein gleich noch den Zahlungsverkehr kontrollieren:
„Allerdings könnten Geldtransfers „in bestimmten Grenzen erschwert“ werden, sagte der Innenminister weiter.“
Kommentare
hANNES wURST 10. August 2006 um 12:19
Die Blockierung eines Internetangebots hat sich Staupe wahrscheinlich einfach mal so ausgedacht, denn bisher ist diese Form der Zensur der Politik meines Wissens nach noch nicht gelungen. Es gab zeitweise eine Verfügung in NRW, die z.B. die Server von rotten.com unzugänglich machte. Das ging aber nur, indem die Provider zu einer Blockierung der entsprechenden Seite gedungen wurden (was wieder rückgängig gemacht wurde).
Was Staupe wahrscheinlich meinte, ist dass er den bwin Server hacken will.
Rigo 10. August 2006 um 12:53
Sehe ich die derzeitige Verbots-, Regulierungs- und Verordnungswut dieses Landes, frage ich mich immer häufiger in welchem System ich lebe – dem der ehemaligen DDR oder einem freien Land. Vielleicht sollte sich auch Herr Staupe diese Frage einmal stellen! Egal ob die Zweizüngigkeit bei Wettgeschäften und deren Einnahmen, der ausufernden Ausweitung des Rundfunkstaatsvertrags oder die Wunschgedanken, in Kneipen das Rauchen per Gesetz zu verbieten – hier beschneidet der Staat gesellschaftliche oder auch persönliche Freiheiten. Als gebe es keine gravierenden Probleme zu lösen, stürzt sich der Staat in Erbsenzählerei.
Ich hoffe, es helfen event. Urteile auf EU-Ebene und schmerzhafte Geldstrafen um derartige politische Auswüchse wieder zu stutzen!
Klaus Lerche 10. August 2006 um 13:37
Für diese Dummheiten werde unsere Politiker auch noch Alimentiert. Das dieses Verbot wieder Geld kostet – Zahlen wir alle, sollte endlich mal zu einer Amtshaftung aller Staatsdiener führen!!!
Martin H. 10. August 2006 um 14:11
So ist das in der Landesverwaltung, wenn etwas politisch nicht passt, wird die Verwaltung losgeschickt, wenn etwas nicht (mehr) ins Konzept passt, dann darf die Verwaltung unbehelligt (mit rechtlich teilweise richtigen, aber in der Praxis widersinnigen Maßnahmen und Forderungen) dagegen vorgehen. Da passt es 15 Jahre eine DDR-Lizenz zu akzeptieren und auf einem Mal zu sagen, dass gar keine Genehmigung existiert (Aussage im Deutschlandfunk).
Zum Thema DDR: Liegt wohl daran, dass der Staatssekretär nicht in der DDR gelebt hat.
niels | zeineku.de 10. August 2006 um 14:44
Was den strafrechtlichen Aspekt angeht, hat Beckstein natürlich recht: Eine in Deutschland verbotene Handlung wird nicht dadurch erlaubt, daß man sie vom Ausland aus verübt, also den Server umziehen lässt. Eine andere Frage ist allerdings, ob die Strafverfolgungsbehörden die Tat auch ahnden können.
lustig 10. August 2006 um 14:48
da kann man nur noch an ringelnatz denken:( ganz frei )links und rechts sind baeume und dazwischen
zwischenraeume. also, soll´n \“sie\“ machen was sie wollen, es gibt immer eine umgehungsmoeglichkleit;
ganz legal natruerlich.
köslchejeck 10. August 2006 um 15:55
was ist nur los in unserem land?? es ist nicht ein monat her, da hat das ganze land gefeiert.
und nun?
die politiker haben wieder die zeitungsseiten erobert.
raucverbot, wettverbot.
sind wir alle unmündige staatsbürger?
wieso sollte es ein staatliches wettmonopol geben? konkurrenz belebt das geschäft. bwin schafft arbeitsplätze. zum anderen sponsert bwin nicht nur profiverein (die vermeintlich eh genug geld haben). viele amateuer und freizeitvereine erhalten auch geld und andere sachleistungen von bwin.
also bitte, liebe politiker. erst mit den bürgern unterhalten und die augen auf machen, bevor man sich solche driss-ideen ausdenkt.
dazu kommt, dass ein verbot niemals mit eu recht vereinbar sein wird. und die bundesregierung dadaurch hohe entschädigungszahlungen zahlen wird.
alaaf
Realfirehead 10. August 2006 um 16:42
Und wer verklagt hinterher die Politiker, weil sie unsere Steuergelder zum Fenster rausschmeißen aus irgendweiner Art Profilierungssucht.
Zum einen hoffe ich auf höchstmögliche Geldstrafen für Sachsen um denen zu zeigen was EU heißt, zum anderen gehen die Verantwortlichen bestenfalls danach mit toller Pension in den Ruhestand. Bravo!
bwinner 11. August 2006 um 13:11
was man nicht vergessen sollte ist, das sachsens Innenstaatssekretär Jürgen Staupe, auch ein aufsichtsratsposterl in der lotto totto in sachsen hat. das macht den gärtner dann zum bock. erhalten einer monopolstellung – erhalten der aufsichtsratsposterl.
P.M. 12. August 2006 um 16:45
Gratulation Herr Knüwer! Ihre Argumentation ist messerscharf und pointiert. Es ist mir eine Freude, Ihre Artikel zu lesen. Bitte machen Sie weiter so. Möchte kurz noch meine Meinung zum Willkursakt deutscher Innenpolitik hinzufügen:
Die letzten Tage waren für mich sehr lehrreich im Bezug auf die Erkenntnis, dass das deutsche politische System vorsieht, Bürgervertreter auch gleichzeitig in Aufsichtsratsgremien staatlicher Unternehmen zu senden. Auf dem ersten Blick eigentlich undenkbar. Die Frage die sich mir stellt ist, wie kann es überhaupt dazu kommen. Interessant ist die Tatsache, dass einzelne Bundesländer die Entsendung von Politikern in Aufsichtsgremien unterschiedlich behandeln. Es bleiben viele Fragen offen. Welche Bundesländer zahlen Aufsichtsratsprämien, welche nur Aufwandsentschädigungen, wo gab es in der Vergangenheit Interessenskonflikte, wo könnte es zu dererlei Konflikten in der Zukunft kommen.
Weiterer Gedanke zum Werbeverbot: Warum wurde der Bildzeitung www.bild.de noch keine Unterlassungsverfügung zugestellt, Werbeschaltungen von Bwin einzustellen? Könnte es sein, dass die Politiker wie Staupe die Macht der Bildzeitung fürchten? Gemma die Kleinen hauen, war wohl angesagt, oder? Amateurclubs, Rentnertruppen aber auch Jugendmanschaften müssen ihre von Bwin gesponserten Trikots \“neutralisieren\“, um nicht in Gefahr zu kommen, statt abends \“Gottschalk\“ zu schauen zwischen schwedischen Gardinen zu sitzen. Profivereine wie TSV 1860 München, Werder Bremen etc. sind auch nicht wirklich in der Lage realpolitische Macht auszuüben. Die Bildzeitung könnte dies jedoch in vernichtender Art und Weise ausüben.
Kleiner Tipp gefällig, Herr Staupe: Wie wär\’s denn mit einer Drohung, wenn www.bild.de nicht Werbeeinschaltungen von BWin stoppt, die www.bild.de Seite mit technischen Mitteln zu blocken. In Österreich würde man sagen: Dann spielt\’s Granada. Schönes Wochenende.
F.Csukovits 13. August 2006 um 3:01
Hut ab vor den Beiträgen zu bwin.Die Berichterstattung und besonders Thomas Knüwer hat im bwin-Aktien Onlineforum Bewunderung und \“ Freunde \“ gefunden.Es wäre mehr als wünschensert wenn ein Großteil der Berichterstatter zu diesem Thema auch nur annähernd dieses Format erreichen und nicht jede Menge Unsinn und unrichtige Berichte verbreiten würde.
Wenn mir die Mailadresse des ehrenwerten Hr. STAUPE und seiner Kollegen bekannt wäre würde ich ihnen gerne
Liebe Grüße von Lenin,Stalin,Idi Amin,Adolf,Walter Ulbricht,Erich Honecker,Saddam Hussein,Mao Tse-tung,Deng Xiaopeng,Kim Jong usw.
-zum Großteil aus der HÖLLE-übermitteln !!
hartensteynreport 13. August 2006 um 13:05
Sehr gut und trifft voll ins Schwarze, Thomas Knüwer! Habe Euch im Hartensteynreport zitiert. Nur noch zwei Feinheiten, die das hiesige & dasige KNÜWER – WERK feinschliffgebend noch abrunden:
Der Innenminister ist noch dazu befangen, er sitzt im AUFSICHTSRAT DER SACHSENLOTTO und ist damit ORGAN EINES DIREKTEN WETTBEWERBERS.
Er, der Skandal, besteht darüberhinaus aber auch darin, dass wieder mal, ähnlich wie bei der Telekom, bei Intershop, EMTV, CE Consumer Electronic oder den anderen Börsenstars der DSW – Blacklist die Kleinanleger die Blöden sind. Von Pushern, Banken und den von ihnen geschmierten Redakteuren in die Aktie gehetzt, sitzen sie jetzt auf riesigen Verlusten, während die Betandwin – Bosse Bodner und Teufelberger längst mit fast 60 Millionen Euretten pro Nase ausgesorgt haben.
Während die Kleinanleger auf satten Verlusten sitzen, haben die Insider und die Bosse längst abgesahnt. Medienwirksam jammert Androsch über die hohen Kursverluste, verschweigt aber den vor ihm den Kotau machenden Journalisten, die die Chose sowieso nicht blicken, dass er mit zig Millionen im Plus ist! Androsch hat zu einer Zeit gekauft, als die Medien betandwin noch nicht einmal richtig schreiben konnten, und zwar zu einem Kurs von ? 8 (vor dem 1:2 Aktiensplitt – entspricht einem Kurs von aktuell ? 4), das bedeutet, er auf jeden FaLL ein paar hundert Prozent Rendite gemacht. Steht das im Standard oder im Wirtschaftsblatt? Nö!!!!
Lese blog.handelsblatt regelmäßig, alles Gute nach Marmeladistan aus Wien von Hanno Hartensteyn!