Skip to main content

Manchmal macht eine fest gefahrene Branche dort Fortschritte, wo man es am wenigsten erwarten würde: bei den ganz, ganz alten Recken. So wie die Musikindustrie vielleicht im Fall von The Who. Am Dienstag Abend war ich, jajaja, jetzt schreien viele „OH MEIN GOTT, beim Open Air von The Who in Bonn. Und es war, das sei nur kurz erwähnt, ein verdammt guter Abend.

Doch darum soll es hier nicht gehen. Denn bemerkenswert waren Ansagen vor und nach dem Konzert. Eine Stimme mit Schweizer Akzent wies darauf hin, dass eine DVD mit jedem Auftritt der Gruppe während ihrer Tour bei Themusic.com bestellbar sei.

Moment mal? Hat da endlich jemand mal nachgedacht? Es scheint so. Bei jedem größeren Konzert stehen inzwischen ohnehin Kameraleute und filmen für die oben hängenden Videoleinwände. Und die Produktion einer DVD kostet heute nicht mehr viel – warum also nicht das Angebot machen?

Und noch etwas erstaunt: Die unsinnigen Ländercodes, durch die DVD nur in bestimmten Regionen abgespielt werden können, werden auch weggelassen:
„DVD’s of all European shows (with the excepton of the June 17th Leeds University Show) will be made available as NON-region encoded (plays on most players) PAL format discs… These discs will play WORLDWIDE on DVD-equipped computers which have DVD playback software installed and operative.“

Mutmaßlich hat dieser jemand, sei es die Band, sei es ihr Management schon mal was von „The long tail“ gehört, jenem Aufsatz, der einst in „Wired“ erschien, aber hier in Deutschland außer in der Netz-Szene kaum registriert wurde. Nun ist ein entsprechendes Buch erschienen und wird den äußerst interessanten Gedanken weitertragen: Wenn Konsumenten in ihren Kaufgewohnheiten derart aufgesplittert sind, wie kann ich daraus Geschäft machen?

Dass da etwas geht demonstrierte auch schon Element of Crime, auch das Gegenteil einer jungen hippen Band. Sie stellte Aufnahmen ihrer Konzerte ohne Bearbeitung bei Itunes ein. Zumindest die beiden ersten hielten sich einige Wochen unter den Itunes-Top-Ten.

Ich bin gespannt, ob auch die Dinos der Musikbranche sich irgendwann bewegen…


Kommentare


Thomas Knüwer 13. Juli 2006 um 18:27

Bemerkenswert! Ich hatte vergessen: Auch die DVD-Erlöse fließen an wohltätige Zwecke.

Antworten

Andreas 13. Juli 2006 um 20:37

Schöne Idee, leider gehe ich nie auf Konzerte dieser Größenordnung die ohnehin gefilmt werden. Da muss ich wohl erst mal weiterhin mit selbst gemachten Fotos begnügen.

Im kleineren Rahmen läuft das dann eben ohne bewegtes Bild mittels CDs, z.B. bei der Pixies-Reunion. Pearl Jam haben das glaube ich auch gemacht.

Musik-DVDs haben übrigens häufig Ländercode 0, sind also überall abspielbar. Naja, zumindest ergab das eine empirische Untersuchung meiner etwa 10 Musik-DVDs, neu ist das also zumindest nicht.

Antworten

Jens 14. Juli 2006 um 11:33

Die letzten beiden Tourneen der Einstürzenden Neubauten sind ebenfalls komplett auf CD erhältlich — nach dem Konzert konnte man sie sich gleich mitnehmen, da der Fertigungsprozeß sehr schnell vonstatten ging. Ab und zu gab es technische Probleme, aber im großen und ganzen funktionierte die Idee recht gut.

Das ganze auf Videoaufnahmen auszudehnen, ist dann die logische Fortsetzung.

Ich besitze auch nur Code-0-Musik-DVDs, manche sogar zweiseitig NTSC/PAL.

Antworten

jo 18. Juli 2006 um 14:02

Beim Regionalcode geht\’s ja (wie bei Sprachfassungen und Untertitelzwang bei OV) u.a. darum, unterschiedlichen Publishern (die können durchaus regionale Ableger eines Studios sein, abgerechnet wird i.d.R. einzeln) ihre Lizenzerlöse zu sichern.

Beispiel: A hat die Rechte für A-Land, B für B-Land. Wäre dumm, wenn A eine DVD produziert, die sich in B-Land verkauft, bevor B auch nur mit der Produktion einer lokalisierten Fassung begonnen hat. Gerade abseits des Mainstreams würde das das Erscheinen so manchen Titels auf dem deutschen Markt verhindern.

Liegen alle Rechte in einer Hand oder wird keine lokalisierte Fassung benötigt (Bei Konzert-DVDs nicht selten der Fall), kann man sich das natürlich sparen.

Zur Aufnahme: Bilder, die für Videowalls produziert werden, lassen sich nur bedingt für eine DVD-Produktion verwenden. Das ist – hmm, überspitzt formuliert – wie Video für\’s WWW (-> alles groß, wenig Bewegung, viele talking heads) vs. John Fords Westernpanoramen im Kino.

Will man die Bilder auch für eine DVD, vervielfacht sich der Aufwand. Insbesondere, da Konzert-DVDs zunehmend in HDTV-Auflösungen produziert werden, was für Videowalls einfach nicht notwendig ist. Letzteres kann man notfalls mit einer Bühnenkamera und aus dem FOH-Bereich ferngesteuerten Kameraköpfen machen.

Jens: Nichts gegen die \“Einstürzenden Neubauten\“, aber ich glaube, \“The Who\“ haben da doch noch ein paar anderen Ansprüche an ihre Produktionen ,)

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*