Nun hat auch Deutschland sein Vorzeigeprojekt in dem, was die Amerikaner Citizen Journalism oder auch Grasroots Journalism nennen. Die Netzeitung hat eine erste Version ihrer „Readers Edition“ vorgestellt. Eigentlich wurde erstaunlich wenig darüber debattiert in der Internet-Szene. Die Netzeitung suchte kürzlich „20 Millionen Reporter“, wobei ich mich schon gefragt habe, ob das deren Server-Kapazität oder das Maximal-Volumen nach einer Gartner-Studie ist.
Nun ist das Überleben der Netzeitung ja ein mittelgroßes Wunder. Denn seien wir ehrlich: Wer hätte daran im Jahr 2001 geglaubt? Das Produkt ist insgesamt sauber, manchmal vielleicht ein wenig zu schwunglos, ein paar mehr hübsch geschriebene Geschichten wären gut.
Dafür sollen jetzt vielleicht die Leser sorgen. Die dürfen sich auf einer eigenen Plattform, der Readers Edition, als Autoren versuchen. Keine dumme Idee, dafür ein blöder Name, Readers sind in Mittelbayern und auf Juist noch immer Leser.
Aber egal, der Testbetrieb ist online und sieht optisch ein wenig zu kalt aus (sollte übrigens jemand kritisieren, auch das Layout von Indiskretion Ehrensache sei zu kalt: Ja, finde ich auch, aber das liegt nicht in meinem Einflussbereich).
Überraschende Funktionen gibt es nicht: Jeder Artikel kann kommentiert werden und die derzeit wohl unvermeidliche Verlinkung mit Googles Karten ist auch dabei. Alles also sauber und solide.
Ab dem 6. soll das ganze richtig online gehen. Und dann wird es spannend: Wird auch die Readers Edition Spam-Probleme bekommen? Wie geht sie mit extremen Meinungen um? Wie mit Artikeln, gegen die Protest oder Klage eingereicht wird? Wird die Netzeitung ihre privaten Autoren schützen?
Es ist ein sehr, sehr spannendes Projekt, das extrem viele wache Augen benötigt. Funktioniert es, setzt es vielleicht sogar international einen Maßstab.
Wer selbst mal schauen möchte, kann dies tun unter:
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Kommentare
marcc 2. Juni 2006 um 11:00
Hm, ich weiß ja nicht. Die meisten Schreiber werden Nachrichten als Nachrichtenquellen haben. Und deren Inhalte zu paraphrasieren kann es ja nicht sein. Und auch Pressekonferenzen auf Phoenix sind nicht immer komplett.
So schließe ich, dass nur regionale Berichterstattung übrig bleibt und dafür wird es vermutlich zuwenig Leser geben.
Jutta Lorberg 2. Juni 2006 um 12:24
Wäre zu wünschen, dass die Readers Edition inhaltlich nicht ähnlich abflacht – aber haben Sie da ehrlich Hoffnung? Prominent heute auf der Einstiegsseite: Ein Praxibericht über den Berliner Bahnhof. Echter \“Journalismus von unten\“ … – und mit Sicherheit nichts, was internationale Maßstäbe setzt.
marcc 2. Juni 2006 um 13:07
Schwiegkeiten sehe ich bei unabhängigen Berichterstattungen, dass Menschen und Institutionen jetzt schon nicht auf jede Anfrage reagieren wollen. Wenn ich sage, \“ich habe ein Blog und möchte zur Pressekonferenz\“ eines Stadtrats, dann sind die Türen, dicht. Wenn ich – immer noch gleiche Mensch – als Vertreter einer der Lokalzeitungen erscheine, komme ich ohne lange Erklärungen rein und erhalte auf Fragen auch Antworten.
PR-Kloster 2. Juni 2006 um 14:16
Manueller TRACKBACK: Der große ?Knaller? ist nicht dabei. ?Überraschende Funktionen gibt es nicht: Jeder Artikel kann kommentiert werden und die derzeit wohl unvermeidliche Verlinkung mit Googles Karten ist auch dabei. Alles also sauber und solide?, schreibt Thomas Knüwer in Indiskretion Ehrensache heute. Ein Weblog, ein Wiki und die Möglichkeit zum RSS-Abo gibt es auch.
Loriotta 2. Juni 2006 um 14:25
Im Gegensatz zu Ihnen, sehr geehrter Herr Knüver, finde ich dieses kühle Layout der Reader-Edition und auch ihres Weblogs, sogar sehr gut. Schrecklich, wenn alles so bunt blinkt wie in einer Spielhölle. Es wirkt edel, einfach klasse, bauhausmäßig. Mal schauen wie es sich inhaltlich entwickelt. Herzliche Grüße Die Loriotta
Cator 2. Juni 2006 um 18:07
Ich finde auch, daß die Nüchternheit von I.E. ein absoluter Pluspunkt ist!
Was mich vielmehr stört ist das fixe Design für eine Auflösung von 800×600. Gut, sie sind dafür nicht zuständig, aber der nicht genutzte Platz stört mich so sehr, daß ich die Seite nur noch mit Zoom lese. Readers Edition sieht da besser aus, aber die rechte Bildschirmhälfte wird da auch praktisch nicht benutzt. \“Edel, einfach klasse\“ trifft es ziemlich gut, in sowas lese ich gerne.