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Wenn Journalisten über Journalisten reden, interessiert das nur Journalisten. Oder? Eigentlich sollte dies eine E-Mail an Stefan Winterbauer werden. Der hat nämlich für die aktuelle Ausgabe des „Wirtschaftsjournalist“ über die Versuche von Wirtschaftsverlagen in Sachen Weblogs geschrieben.

Dieses hier kommt auch drin vor:
„Die ,Notizen aus dem Journalistenalltag‘, die der ,Handelsblatt‘-Redakteur Thomas Knüwer unter dem Stichwort ,Indiskretion Ehrensache‘ schreibt, gelten unter den Weblogs der etablierten Medien als das, das in der Szene das meiste Ansehen genießt. Könnte natürlich daran liegen, dass Knüwer vor allem über Journalisten schreibt, Journalisten derzeit aber wohl zu den fleißigsten Weblog-Lesern gehören und gerne etwas über sich und ihresgleichen lesen.“

Tja, erstmal „Danke“ für das Lob. Nachgeschoben aber sei: So einfach ist das nicht, mit den Journalisten, die über Journalisten lesen wollen.

An den statistischen Daten kann ich sehen, dass es eben nur zu einem geringen Teil Medienmenschen sind, die sich diese kleine Veranstaltung hier antun.

Meine Theorie ist eine andere: Wir Journalisten haben es in den vergangenen 50 Jahren wunderbar verstanden, unseren Beruf zu mystifizieren. Der „rasende Reporter“ ist zum Sinnbild des Journalisten geworden: Einer, der ständig unterwegs ist, immer auf der Suche nach der Exklusivgeschichte; einer, der ein Arschloch ist, weil er es eben manchmal sein muss, um den Großen ans Bein zu pinkeln; einer, der überall Karten bekommt, sogar für die WM; ein Kettenraucher und Vieltrinker. Journalist – das hat für die einen etwas verruchtes, für die anderen etwas bewundernswertes.

Diese Verklärung unseres Berufs war lange Zeit keine üble Sache. Wir lebten gut damit und davon. Doch die Zeiten haben sich geändert. Dramatisch geändert. Heute lassen sich viele der Informationen, die wir veröffentlichen überprüfen ? für jedermann. Und deshalb wird schnell offensichtlich, wo wir Fehler machen, abschreiben, falsch einschätzen, über- oder untertreiben. Das interessiert nicht jeden, aber doch viele, die zu den eher Gebildeten im Land gehören.

Vielleicht lesen hier wochentäglich über 2000 Leute auch deshalb mit, weil eine gewisse Banalisierung des Berufsstandes stattfindet. Ebenso wie mit den Schilderungen unserer Sportkollegen von der WM. Und das kann uns nur gut tun.

Da könnte mir auch Frank A. Meyer, Publizistischer Berater beim Ringier-Verlag, zustimmen. Am Dienstag erschien im Handelsblatt ein Essay von ihm, in dem sich sehr schöne Sätze finden wie:

?Die Medien haben ihr Netz über den Erdball geworfen. Niemand entgeht ihnen. Sie sind immer schon da. Rund um den Globus und rund um die Uhr. Sie sind omnipräsent. Oh, ich weiß! Wir sind nicht schuld daran, wir nutzen nur die Technik, und wir wären pflichtvergessen, täten wir es nicht. Auch sind wir zurückhaltend, geradezu kleinlaut, wenn man uns fragt, wie wir es denn mit dieser Omnipräsenz ethisch und moralisch halten. Wir tun unsern Job. Nach bestem Wissen und Gewissen. Was sollen wir sonst tun? Für die Konsumenten, wie ja heute Leser, Zuhörer und Zuschauer genannt werden, wirkt unsere Omnipräsenz ? glauben Sie mir! ? wie Omnipotenz. Und es ist auch so, dass Quantität in eine neue Qualität umschlagen kann. In der Wahrnehmung der Menschen, die sich den Medien, die sich uns Journalistinnen und Journalisten ausgeliefert fühlen, ist dies bereits geschehen.?
?Die Menschen zappeln in unserem Netz, das beängstigt sie.?
?Und unsere Medienmacht ist dem einfachen Bürger ganz und gar nicht transparent.?

Jenes Essay basiert auf einer Rede bei der Jahrestagung des Netzwerks Recherche. Ausgerechnet dort, murmele ich jetzt ein wenig erstaunt. Denn kürzlich führte ich ein langes Telefonat mit jemand, der meine Artikel über das Netzwerk gelesen hat. Nun glaubt er, und angeblich noch weitere, ich würde eine Kampagne gegen das Netzwerk führen. Das ist ? hiermit sei es ausdrücklich geschrieben ? nicht so. Über das Netzwerk schreibe ich genauso wie über andere. Ich äußere meine Meinung über sie, das, zugegeben, manchmal in deftigem Ton, aber da sind sie nicht die einzigen.

Meyer hat Recht mit dem, was er schreibt – wir Journalisten müssen über uns reden und uns in Frage stellen:

?Wir sind auf dem besten Weg, eine Kaste zu werden. Und die eherne Regel jeder Kaste heißt: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.?

Und:
?Wer wagt es noch auszubrechen, andersherum zu denken, neu zu denken? Wer wagt noch den Konflikt, den Schlagabtausch ? mit Florett oder mit Schwert ? von Blatt zu Blatt, von Journalist zu Journalist? Und wer wagt noch Kritik an Kollegen??

Doch liegt der Grund für dieses kuschelige Miteinander nur in einer für Journalisten sehr bequemen Kastenbildung? Ebenso problematisch ist doch der Medienmarkt: Jobwechsel unter Journalisten waren früher selten. In den Zeiten des Stellenabbaus aber fragt sich jeder, ob es lohnt, sich mit einem möglichen Arbeitgeber-in-spe anzulegen, wenn die Zahl der möglichen Arbeitgeber-in-spe überschaubar ist.

Nur eines ist schade beim lesenswerten Text Herrn Meyers: Er sucht sich die falschen Negativbeispiele. Vor allem Johannes B. Kerner taugt nicht zum Aufruf der Kritik. Die meisten Journalisten werden ihn, ebenso wie sein Pendant Beckmann, nicht wegen mangelnder journalistischer Unabhängigkeit an den Pranger stellen wollen. Denn sie sehen ihn ihm längst keinen Journalisten mehr ? sondern einen Show-Moderator, der pünktlich zur Sendung Informationsmaterial und Interviewfragen präsentiert bekommt und dann nur noch lampenfieberfrei unterhalten muss. Er taugt als Exempel nicht wirklich.


Kommentare


marcc 29. Juni 2006 um 14:18

Als freier Mitarbeiter bei zwei Lokalzeitungen merke ich merke schon, wie diese Situation mich bei meiner Arbeit stört. Denn da ich nicht davon leben kann, brauche ich diese Jobs als Referenzen. Und da lässt man Sachen, die in einer Kommune heikel werden könnten (in der Regel Baugeschichten) fast schon präventiv aus.

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Farlion 29. Juni 2006 um 14:33

Ich bin alles, nur kein Journalist und lese trotzdem Dein Blog, sobald etwas Neues drin steht. Anhand meiner schulischen und beruflichen Laufbahn (Realschule, 2 Lehrberufe, aktueller Beruf autodidakt erlernt) würde ich mich nicht unbedingt als \“eher Gebildeter\“ bezeichnen, denn vom Intellektuellen bin ich meilenweit entfernt.

Warum lese ich Dein Blog trotzdem? Weil die Themen interessant sind. Weil Du mir die Möglichkeit gibst, mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, wenn auch nur in Textform. Weil ich hier Hintergründe über einen Beruf lesen kann, den zwar jeder kennt, über dessen Arbeitsweisen – abgesehen von Boulevard-Journalisten – in der Öffentlichkeit eher unbekannt sind.
Und ohne Dir in irgendeiner Form schmeicheln zu wollen: man versteht Deine Texte, auch ohne über das große Insiderwissen zu verfügen. Der Schreibstil macht eine Menge aus, da hast Du einen guten Mittelweg gefunden.

Was das \“Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus\“ angeht kann ich nur sagen, dass mich irgendwelche Streitigkeiten unter Journalisten eigentlich gar nicht interessieren. Ich denke da beispielsweise an ein Produkt eines bestimmten Verlagshauses, das jegliche Kritik an den eigenen Mitarbeitern in wahre Schlammschlachten verwandelt, Rufmord inklusive. Nö, sowas brauche ich nicht.

Schreib weiter, wie Du jetzt schreibst, \“…des passt scho!\“, wie der Bayer sagt. 😉

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Eggbert 29. Juni 2006 um 15:21

Nein, Herr Knüwer, meiner Meinung nach stellen Sie da den Scheffel der Verschwörungsangst über Ihr eigenes Licht. Ich lese hier, weil Sie sehr gut, pointiert und mit einem sehr präzisen Gefühl für den Wert ihrer eigenen Meinung über Dinge schreiben, über die Sie Bescheid wissen.

(Vielleicht schreiben Sie ja mal einen kurzen Eintrag über die Parallelen der Wortherkunft von \“Journalist\“ und \“Blogger\“?)

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Mia 30. Juni 2006 um 11:26

Oh, armes Hans-Würstchen…

Ich finde es ja süß, dass offenbar jemand hinter Ihnen steht und Ihnen eine Pistole an den Kopf hält und sagt: \“Lesen Sie Indiskretion Ehrensache oder Ihr Gehirn klebt gleich am Bildschirm.\“

Oder die Jungs von der GEZ drohen, Ihren Fernseher mitzunehmen und Sie an den Schreibtisch zu ketten, um Ihnen jegliche Möglichkeit auf Public Viewing zu nehmen, wenn Sie nicht bis heute Nachmittag, halb 5, mindestens 10 Blogeinträge auswendig gelernt haben.

Stellen Sie sich das mal vor: alle 15 Minuten schreit es irgendwo in der Stadt \“Toooor\“ und Sie wissen nicht, wer hat es geschossen? Deutschland? Oder doch Argentinien? Oder war es vielleicht Abseits und wurde gar nicht gegeben? Oder schreien Sie vielleicht \“Tor\“ in bester Heinz-Erhard-Manier, weil Lehmann das runde Leder doch noch aus den Handschuhen gerutscht ist…

Fragen über Fragen. Und dann diese Qual, wenn vor Ihrem Fenster der Autokorso vorbeifährt und Sie immer noch nicht wissen, ob Ihnen noch zwei weitere Spiele der MANNSCHAFT vergönnt sind…

Aber vielleicht mögen Sie ja auch kein Fußball. Dann sollten Sie Fernseher und am besten auch Ihren PC den Jungs von der GEZ mitgeben und in Zukunft nur noch Print lesen. Die Artikel von Herrn Knüwer können Sie ja dan rausschneiden.

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Thomas Knüwer 30. Juni 2006 um 12:09

Sehr geehrter Hanns Wurst,
wenn Sie mir Ihre Abo-Nummer mit Namen mitteilen, werde ich gerne sehen, was ich für Sie tun kann. Das gehört zum Service. Meine E-Mail finden Sie oben rechts.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Knüwer

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hANNES wURST 30. Juni 2006 um 15:39

Sehr geehrter Herr Knüw,

vielen Dank für Ihr Hilfsangebot, hier wird der Leser noch ernst genommen. Meine Abonummer ist HB123456, hANNES wURST der Name (bitte beachten Sie die Kapitalausstattung). Was ist eine E-Mail?

Ich habe mich inzwischen informiert, so einfach kann das Internet gar nicht gelöscht werden, verschiedene sogenannte \“Server\“ schützen sich vor einem Löschkommando mit einem sogenannten Archivattribut. Ich habe daher beschlossen, stattdessen die Blogosphäre so stark zu verdünnen, dass sich niemand mehr darin wohlfühlt (einer muss ja was tun).

Freundliche Grüße
hANNES wURST

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hANNES wURST 30. Juni 2006 um 15:51

@Mia: ihr Aufsatz erscheint mir etwas kompliziert, ich habe jedenfalls nicht alles verstanden. Es sieht jedoch danach aus, als wären Sie mir böse – was habe ich Ihnen denn getan? Wahrscheinlich sind Sie nur etwas aufgeregt wegen der Fussball-WM? Ich wünsche mir herzlich, dass die Klinsmänner eine Südamerikanische Packung kriegen, damit die blöden Neo-Patriotischen Fähnchen wieder verschwinden (besonders diese Eis-am-Stiel Fahne fürs Auto). Ich hatte gehofft wir haben das hinter uns in Deutschland, was kann ich denn dafür dass ich mit Deutscher Staatsbürgerschaft geboren wurde? Das macht mich noch lange nicht zu einem \“12. Mann\“, das wäre höchstens so, wenn ich mir jede Staatsbürgerschaft selber aussuchen könnte, dann würde ich vielleicht zum Podolski-Club gehören. Oh, da hat jemand \“Tooor\“ geschrien, was ist los?

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Alphager 1. Juli 2006 um 6:36

Herr Knüwer, sie sind inzwishcne so wichtig, dass sie sogar einen privat-Troll bekommen haben. Gratulation !

Gegen einen Troll helfen nur 2 Dinge:
a) löschen
b) ignorieren

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Rudi Reichert 2. Juli 2006 um 7:48

Mein 1. Besuch in enem \“blog\“ – ich hatte es bereits geahnt: Auch hier wird lediglich wie in chatrooms rumgequatscht – meist ohne tieferen Sinn.

Bye, bye Blog!

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Thomas Knüwer 2. Juli 2006 um 15:17

Tja, lieber Herr Reichert, ich nehme mal an, Sie sind deckungsgleich mit dem Herrn Wurst und der ist deckungsgleicht mit einem in der Szene bekannten Quartalsirren aus Montabaur.

Irgendwann aber wird aus dem besten Witz Langeweile. Und deshalb werde ich mich ab jetzt den Rat von Herrn Alphager befolgen.

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björn 2. Juli 2006 um 21:22

ip tracing wäre an dieser stelle wirklich interessant 😉

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