Es gibt Berufskollegen, vor denen kann man nur den Hut ziehen. Und ihre Bücher empfehlen. So bei Andrew Jennings und seinem jüngsten Werk „Foul“.
Ach ja. Und mit Ryan Air kann man auch Dienstreisen machen. Dienstreise mit Ryan Air – nein, so schlecht geht es dem Handelsblatt auch nicht, wie das klingt. Aber was will man machen, wenn sich kurzfristig ein wichtiges Interview in London ergibt? Lufthansa und British Airways identifizieren Am-gleichen-Tag-Zurückflieger direkt als Geschäftsreisende und visionieren spesenritternde Consultants und andere Angestellte von Unternehmen, bei denen die Höhe der Reisekosten sekundäre Priorität genießt. Außerdem gibt der Ryan Air-Chef so unterhaltsame Interviews.
Ryan Air also. Ab Weeze. Oder Düsseldorf-Niederrhein, wie Ryan Air es nennt, obwohl Düsseldorf fast 90 Kilometer und – wenn man schnell durchkommt – 50 Minuten entfernt ist. Im Winter ist die Ankunft auf der ehemaligen Luftwaffenbasis ein besonderes Erlebnis. Man fährt auf breiten Panzerstraßen an verlassenen Baracken durch einen Wald, bis plötzlich ein Glühen über den Bäumen auftaucht und die Biegung den Blick freigibt auf ein klotziges Terminal, als ob Außerirdische es hier als ihre versteckte Basis abgeworfen hätten.
Zu meckern allerdings gibt es aber wenig. Der Flug ist billig, die Sitze eng, aber dafür wird geflogen, wenn die Maschine voll ist. Bei einem Flug nach London 25 Minuten vor der geplanten Zeit zu landen – das ist mir auch noch nicht passiert.
Und immerhin am richtigen Ort. Denn die Karte in der Abflughalle ließ mich fürchten, dass, wer Düsseldorf so anordnet:
vielleicht Probleme hat, das Ziel zu finden. Andererseits dürfte da, wo auf der Karte Düsseldorf markiert ist, der andere Ryan Air-Standort Hahn liegen. Und somit ist die Karte vermutlich als kostensparender Synergieeffekt einzustufen.
Und bevor ich hier endgültig ins Touristengeschwafel verfalle: Getroffen habe ich in London Andrew Jennings.
Gerade hat er sein neues Buch veröffentlicht, das erstaunlicherweise in Deutschland keinen Verlag gefunden hat. „Foul“ heißt es und schießt mit der Schrotflinte gegen die Fifa.
Jennings wirft ihr Bestechlichkeit vor, Sepp Blatter soll sich seine Wahl erkauft haben. Affären über Affären listet er auf und das mit einer Schnoddrigkeit, die sich deutsche Sachbuchautoren leider nicht mal ansatzweise erlauben.
Allein Kapitelüberschriften wie „Mr. President, how much does Fifa pay you? Er…“ oder „Sepp Blatter breaks Mandelas heart: twice!“ – herrlich. Jennings darf sich auch einer besonderen Ehre rühmen: Sowohl beim Internationalen Olympischen Komitee als auch bei der Fifa hat er Hausverbot. Mit dem IOC hat er sich schon mal intensiver beschäftigt in seinem Buch „Das Olympia-Kartell“.
Jennings ist ein sympathischer Anfangsechziger, bei dem man sich so richtig vorstellen kann, dass er sich zum „pain in the ass“ entwickeln kann (gibts ein deutsches Gegenstück) wenn er sich in eine Sache verbeißt.
Der Sport und die Machenschaften der Verbände sind sein Ding, seit zweieinhalb Jahren ist er an der Fifa dran, schreibt seine Zwischenstände für die „Daily Mail“ und filmt für die BBC. Er erzählt Reportergeschichten wie von Hemingway geklaut, von abgehörten Telefonen und Dokumenten in Stahlschränken, von überraschenden Informanten und geheimen Treffen.
Ob alles stimmt? Zumindest hat die Fifa es nicht geschafft, sein Buch außerhalb der Schweiz zu verbieten. Im Eidgenossenländle ist der erst Verbotsversuch gescheitert, der zweite läuft weil sein Verlag Harper Collins noch nicht Stellung nehmen konnte.
Für Fußball interessiert Jennings sich übrigens nur am Rande. Warum er trotzdem ausschließlich über Sport schreibt: „Weil jemand diese Sachen aufdecken muss!“ Und Sportjournalisten? „Sportjournalisten? Die schreiben über Spiele… Hackhackhackflankevonlinkskopfballtor. So schreiben sie. Und wie sie schreiben können, Gott, können die schreiben! Aber sie sind keine Journalisten! Sie recherchieren nicht!“
Ja, wir haben uns wirklich gut verstanden… Es war der Tag, nachdem die „Zeit“ ein Rudi-Assauer-Interview veröffentliche, ohne eine kritische Frage zu den Finanzverhältnissen von Schalke 04, es war der Tag bevor das ZDF Sportstudio Uli Hoeneß als großen Bauherren der Münchener Arena mit dem Versicherungsnamen feiert, ohne nachzuhaken, ob jener Kredit an 1860 München nicht ein Va-banque-Spiel ist.
Vielleicht sollte Jennings mal in der Bundesliga vorbei schauen.
Übrigens: Bei solchen Verlagsgebäuden werde ich ECHT neidisch!
Kommentare
Lesetipp zum WM-Start 11. Juni 2010 um 15:00
[…] des Weltfußball-Verbands, die mich manchmal an gewisse italienische Familien erinnern, hat sich der Engländer Andrew Jennings. Und dessen Buch “Foul” dringend empfohlen sei für alle, die sich mit der Fifa […]