Der „PR Report“ ist ein Fachblatt der Berufskommunikatoren. In seiner jüngsten Ausgabe gibt er wunderschöne Tipps für PR-Anfänger. Ob sie jemand liest? In meiner Küche hängen zwei Fotos, die ich vor langen Jahren in Kalifornien geschossen habe. Das linke zeigt zwei Champagner-Gläser vor den Weinfeldern der Mumm Vinery. Das andere eine karge Tafel mit dem letzten Frühstück der Gefangenen von Alcatraz. Früher, als ich alleinwohnend war, sagt ich zu Gästen, die ratlos auf die Fotos blickten: „Links ist der Anspruch in dieser Küche, rechts die Wirklichkeit.“
So ähnlich ist es mit den Leitsätzen für gute PR-Sprache, die ich gerade im Themenblog entdecke. Sie entstammen der jüngsten Ausgabe des „PR Report“:
„Das Wichtigste nach vorne
Wenige Adjektive, kräftige Substantive
Kein Nominalstil sondern Verben
Viel Aktiv, wenig Passiv
Hauptsachen in Hauptsätze, Nebensachen in Nebensätze
Überflüssiges und Belangloses weglassen
Konkret formulieren statt abstrakt erzählen
Positive Begriffe statt Verneinungen
Keine Fremdwörter, keine Abkürzungen“
Ja, schon mal sehr hübsch. Wie die beiden Champagner-Gläser auf dem linken Foto. Nun werfen wir den Blick nach rechts – und lesen:
„Datenbankinhalte rechtssicher archivieren
bdo@PAM entlastet Produktivsysteme in Industriebetrieben und ermöglicht Recherche in Echtzeit
Schwabach, 1. März 2006 – Die H&S Heilig & Schubert InformationsManagement GmbH hat mit ihrer Lösung bdo@PAM eine neue, wirtschaftliche Archivlösung vorgestellt, mit der sich Business Database Objects (BDO) archivieren lassen. Das Archiv eignet sich für Unternehmen bei denen innerhalb ihrer Geschäftsprozesse Daten entstehen, die in Datenbanken vorgehalten werden, zum Beispiel in der Automobilfertigung oder bei der Kassenabrechnung. bdo@PAM archiviert zuverlässig diese Datenbankinhalte und entlastet gleichzeitig das Produktivsystem. Die zu archivierenden Daten werden als txt-File exportiert und über die bdo@PAM-HSM-Engine revisionssicher abgelegt. Diese Engine für Hierarchisches Speichermanagement verwaltet autonom die Archiv-Medienverwaltung und erlaubt das synchrone Schreiben auf unterschiedliche Storage-Medien. Aus zuvor definierten Feldern werden in diesem Zuge die Indexinformationen ausgelesen. Auf Basis dieser Verschlagwortung ist später eine Recherche im Archiv möglich. Nach der Archivierung liefert die Lösung einen entsprechenden Bericht an den Administrator. Im weiteren Schritt können die Datensätze aus der Produktivdatenbank gelöscht werden. Die Inhalte lassen sich jederzeit über den Webbrowser in Echtzeit recherchieren und Suchergebnisse in eine Excel-Tabelle exportieren. Für die Anzeige im Webbrowser werden die Textdateien ?on the fly? in ein XML-Format konvertiert.“
Kommentare
Christian 3. Mai 2006 um 19:46
Hallo Herr Knüwer,
könnten Sie mal eine Schätzung abgeben: Wieviel Prozent der Pressemitteilungen sind so wie diese und wie viele sind akzeptabel formuliert?
Und: Wieviel Prozent der Pressemitteilungen, die bei Ihnen ankommen, fallen ansatzweise in Ihr Ressort? Und bei wie vielen haben Sie das Gefühl, dass sie möglichst viele Journalisten erreichen sollten – egal wen?
Würde mich mal interessieren, ob Sie hier die extremen Exemplare \“ausstellen\“ oder ob das der Durchschnitt ist.
Gruß, Christian
Thomas Knüwer 4. Mai 2006 um 8:47
Tja, da müsste ich jetzt schätzen. Und da ich nie ein guter Schätzer war (nicht mal ein guter Tipper, wenn ich aktuellen Stand unseres Bundesliga-Tippspiels betrachte), bitte ich noch um ein wenig Geduld. Ich werde jetzt einfach mal mitzählen und in ein oder zwei Wochen eine Statistik der mich erreichenden Pressemitteilungen machen. Wie wäre das?
Name 4. Mai 2006 um 9:22
Ok. Die Meldung ist schlecht geschrieben und Sie sind nicht der richtige Empfänger. Andererseits haben Sie vermutlich von dem Thema keine Ahnung und deshalb kommt sie Ihnen wie Chinesisch vor.
Thomas Knüwer 4. Mai 2006 um 9:43
Exakt das ist das Problem: Denn der Kunde hat für den Versand trotzdem bezahlt.
Andreas Kunze 4. Mai 2006 um 10:53
Thomas, sieh das doch mal postiv: So lange die Firmen so ein wirres Kauderwelsch veröffentlichen, haben Journalisten sozusagen als Übersetzer ihren Job sicher. Wehe aber, wenn eines Tages die PR-Leute druckfähiges Material liefern sollten. Dann wird noch mehr PR 1:1 an die Leser weitergereicht, in einigen Redaktionen jedenfalls.
Björn Eichstädt – Storyblogger 4. Mai 2006 um 12:37
Ein Problem ist mit Sicherheit, dass der Aufwand gescheut wird, für verschiedene Medien unterschiedliche Meldungen zu schreiben. Das Fachblatt, das für das Thema zuständig ist, versteht mit Sicherheit, worum es da geht. Nur müsste man im Zweifel eine zweite Meldung machen, die auch für Dich und die Kollegen der Wirtschaftspresse irgendwie verständlich ist – wenn es denn überhaupt von Interesse ist… aber das ist vielen leider zu aufwändig.
usw. 4. Mai 2006 um 15:07
Nö, auch für Fachleute ist das System zu konfus bschrieben. Klar, ein Fachmann KÖNNTE da mit viel gutem Willen, Nachdenken und vielleicht Nachfragen bzw. auf der Website des Unternehmens nachschlagen herausfinden, was das der Krempel tut. Aber warum soll er sich die Mühe machen?
Martina 4. Mai 2006 um 20:00
Ich kann Thomas sehr sehr gut verstehen! Die PM ist – gelinde ausgedrückt – äußerst mager. Allerdings nicht der zweite Satz\“ Der besteht nämlich aus 36 Wörtern!! Yepp… Fachkauderwelsch und unprofessionell. Wahrscheinlich hat da jemand wahllos auf irgendeinen Presseverteiler-Knopf gedrückt…
Chat Atkins 4. Mai 2006 um 22:13
Erst Regeln für alle anderen aufstellen – um sich selbst einen Kehricht drum zu kümmern. Lustisch …
So sind sie halt, unsere Schönschreiber von der Public-Relations-Front.
MfG
Christian 5. Mai 2006 um 8:41
Hallo Herr Knüwer,
super, die Statistik würde mich sehr interessieren.
Viele Grüße,
Christian