?So Kinder, das wird hier ein heißes Business?, sagt Senior Consultant Lars lässig und rückt seine Persol-Sonnenbrille zurecht während ihm der warme Wind der Bahamas das vom Flug noch schweißnasse Hemd lüftet.
?Als ob irgendwas heiß wäre, was mit Dir zu tun hat?, giftet hinter ihm Alexandra, während sie die Gangway hinunter gehen Richtung Flughafengebäude.
Auch die andauernde Kälte zwischen ihm und seiner Ex-Affäre kann Lars gute Laune nicht beeinträchtigen. So geht es auch Praktikantin Julia, die mit ein wenig Sicherheitsabstand folgt. Denn wann führt ein Betriebsausflug, Pardon, ein Auftrag, die kleine PR-Agentur am Rande der Stadt schon auf die Bahamas. In die Sonne? In die KARIBIK?
Gut, gearbeitet werden soll auch. Und zwar hart. Für Sony Pictures. ?Haben Probleme mit James Bond?, hatte der Chef daheim erläutert. ?Neuer Schauspieler. Daniel Craig. Kommt als Weichei rüber. Nix mit Frauenheld. Und deshalb sollen wir Journalisten rüberfliegen. Und beschmusen. Damit Bond wieder Bond ist.?
Also war die kleine Delegation der kleinen PR-Agentur aufgebrochen. Einen Tag später folgen Managing Partner Marcel und Junior Consultant Tanja-Anja, die den Journalistentross begleiten.
Im Fünf-Sterne-Hotel – wo sonst? – bereiten Lars, Alexandra und Julia schon einmal die Zimmer der Schreiber vor. Drei große Kartons mit den Willkommensgeschenken sind per Kurier vorab geliefert worden. Tanja-Anja und Sekretärin Polia waren in der vergangenen Woche losgezogen um ein passendes Set zusammenzustellen, das jeden der Gäste auf seinem Bett erwarten würde.
Ratlos blickt Lars in das erste geöffnete Paket: ?So viel? Haben die einen Knall??
Alexandra tritt neben ihn: ?Du lernst in diesem Leben auch nicht mehr den Luxus zu schätzen.? Dann greift sie sich die Lancome-Sonnenlotion und fängt an zu verteilen. Lars schnappt sich derweil die James-Bond-Baseballkappen, Julia folgt mit den Reiseführern.
Das nächste Paket: die teuren Sonnenbrillen des Bond-Sponsors. ?Die noch nicht?, sagt Alexandra. ?Die will Marcel zusammen mit den Pressemappen reichen.?
Julia öffnet den dritten Karton und stutzt. Dann zieht sie eine knielange Hose heraus: ?Bermuda-Shorts? Was soll das denn??
Alexandra holt tief Luft: ?Hat jemand gegenüber Tanja-Anja gesagt, wo Nassau liegt? Nein? Dann liegt Nassau für sie auf Bermuda.?
Inzwischen ist die Mitte jedes Bettes bereits bedeckt mit Gaben. ?Fehlt nur noch das Geld?, sagt Alexandra.
?Geld??, fragt Lars, ?was für Geld??
?Jeder von denen bekommt 100 Dollar Taschengeld pro Tag.?
?Sieht das nicht aus wie Bestechung??
Alexandra legt ihren Kopf ein wenig schief, als spräche sie mit einem Kleinkind: ?Wie lange bist Du schon im Job? Zwei Tage? Alles hier ist Bestechung.? Elegant fächert sie das Bündel Hundert-Dollar-Noten auf. ?Ich verteil dann mal?, zischt sie schnippisch und geht mit bewusstem Hüftschwung aus dem Zimmer um Lars das Hinterteil zu präsentieren, das er nie wieder in die Finger bekommen würde.
Gierig folgt ihr Lars Blick, giftig folgt ihr Julias. Die beiden tragen den Karton mit den Sonnenbrillen in Julias Hotelzimmer. Das liegt natürlich nicht im 5-Sterne-Haus, sondern in der 2-Sterne-Absteige nebenan. ?Wow, sind die nicht cool??, fragt die Praktikantin neckisch und platziert eine der Brillen auf ihrer Nasenspitze. Etwas zu lang bleibt ihr Blick in Lars Augen hängen, etwas zu lang der seine in ihren. Da ist es wieder, jenes Prickeln, wie damals, in Berlin. Verlegen beißt sich Julia ein wenig in ihre Unterlippe dann wirft sie sich dem Ex in die Arme, lässt sich von ihm hinabziehen auf das muffige Bett. Die Sonnenbrillen landen auf dem Boden und das Zimmer füllt sich mit der Lust zweier Geknechteten der Berufskommunikation.
Dann aber, im Moment da sich alles entlädt und Julia wieder seine geliebte Reiterin geworden ist, bäumt Lars sich auf vor Erregung. Die vollbusige blonde Praktikantin verliert den Halt, rudert einen Moment noch mit den Armen und landet dann mit dem Kopf an der Wand und mit dem Tae-Bo-trainierten Körper auf den am Boden liegenden Brillen. Erst mach Julias Kopf ?Tump?, dann der Karton ?Kratsch? und im gleichen Moment ein großer Teil der Brillen ?Brach?.
Benommen wälzt sich Julia aus den Trümmern, was einige weitere der Sonnenabhalter unwiderruflich beschädigt. Lust verwandelt sich in Entsetzen, neu entflammte Liebe in alt bekannte Jobängste. Hastig, als sei noch etwas zu retten, sortieren sie die heilen Brillen aus. Nur für die Hälfte der Journalisten wird eine da sein.
?Was, was, was jetzt??, sagt Julia und ihre Stimme wirkt tränenbenetzt.
Lars überlegt: ?Die Brillen hat doch Tanja-Anja besorgt, oder??
?Ja?, räuspert Julia einen aufkommenden Heulkrampf weg.
?Dann ist es egal, der trauen wir doch derzeit alles zu seit sie durchgetickt ist. Komm, wir müssen los.?
Hastig ziehen sich die beiden an. Ein tiefer Blick, ein Kuss folgt als Versicherung, dass wieder zusammenliebt, was zusammengehört. Auf einem Straßenmarkt versuchen sie die Brillenzahl auf die vorherige Menge zu heben. Leider ist der bahamesische Straßenverkäufer in Sachen Markenimitate nicht so entwickelt wie seine asiatischen Gegenstücke. Zwei Stunden paaren sich später türkise Puck-die-Stubenfliege-Modelle mit den Designer-Stücken ? und Lars sich mit Julia.
Am späten Abend erreichen die Journalisten Nassau. Bei der ersten Lagebesprechung an einem Tisch in der Eingangshalle des Hotels lacht Marcel sein ersticktes Hyänen-Keuchen: ?Der Streck vom ,Stern? ist vielleicht ne Flachpfeife. Will ernsthaft den Flug und das Hotel selbst zahlen. Der wird in diesem Leben auch keinen Fun mehr kriegen.?
In diesem Moment taucht der so gescholtene hinter ihm auf: ?Entschuldigung ? aber was ist das denn??, fragt er und fächert die vier Hunderter-Scheine auf, wie am Mittag noch Alexandra.
?Pocket Money, mein Lieber?, sagt Marcel. ?Von irgendwas müssen sie hier doch leben.?
?Und das?? An Strecks Arm baumelt der Beutel mit den Geschenken.
?Ein paar Giveaways. Jetzt relaxen sie doch mal.?
Streck legt die liebevoll ausgesuchten Produkte auf dem Tisch ab und verlässt verständnislos-kopfschüttelnd die Lobby.
Den ersten Tag gönnt die kleine PR-Agentur ihren Gästen zur Erholung nach dem anstrengenden Flug. Eine Stadtrundfahrt, ein wenig am Beach abhängen und die Überreichung einer Pressemappe ? das muss reichen. Und natürlich die Sonnenbrillen. Die gibt es auf einem Tisch nach dem Dinner zusammen mit den Infomappen. Wortlos drapieren Julia und Lars die Gestelle auf einem Tisch, immer schön abwechselnd eine schwarze, teure, dann eine türkise billige.
Nach dem Kaffee kündigt Marcel an: ?Meine lieben Freunde, damit Sie morgen am Drehort vor der Sonne gesaved sind, haben wir hier noch ein kleines Goody für sie.? Schwungvoll dreht er sich zum Tisch und verhaart mit peinlich offenem Mund. Erst als die Journalisten sich auf Tisch und Brillen stürzen, zerrt er Lars zur Seite: ?What the fuck ist his? Wer hat die Kirmesdinger da gekauft??
Lars räuspert sich: ?Ja, weiß ich auch nicht. Waren in dem Karton.?
?Tanja-Anja! Dieses chick on speed! Wird Zeit, dass ihre Pillen auf tödliche Dosis getuned werden.?
Marcel hätte sicher noch weiter gewütet, wenn nicht der Tisch, auf dem die Objekte des Ärgers lagen, gerade unter der Wucht der heranpreschenden Journalistgruppe zusammengebrochen wäre. Denn natürlich hatten auch sie schnell den Qualitätsunterschied der beiden Brillensorten ausgemacht. Es entringt sich ein Handgemenge, das zum dazu führt, dass
a) Alexandra mit drei Reisegästen den Abend in der für westliche Geschmäcker problematischen Notaufnahme des Nassauer Hospitals verbringen wird
b) Marcel den Hotelmanager nur durch Zahlung einer größeren Summe davon abhalten kann, die Polizei zu rufen und
c) Sogar türkise Sonnenbrillen am folgenden Tag Verwendung finden werden, um blaue Augen dahinter zu verdecken.
Am nächsten Tag: Drehort-Besichtigung. Alexandra hat das Filmteam schon mal vorgewarnt. Vor dem Star-Wohnwagen von Daniel Craig wartet der Tross der kleinen PR-Agentur und ihrer Gäste auf den ersten Auftritt des neuen Bond. Endlich öffnet sich die Tür, Craig grüßt freundlich und schreitet Richtung Kameras. ?Der hat ja richtig blutige Kratzer am Arm?, flüstert einer der Journalisten, ?macht also auch seine Stunts selbst ? Respekt.? Beifälliges Nicken der anderen, als sie sich dorthin begeben, wo die nächste Szene stattfinden wird. Erst nach einigen Minuten öffnet sich die Tür des Wohnwagens ein zweites Mal. Alexandra richtet mühsam das zerzauste Haar und ihre Bluse und rückt den BH zurecht. ?Hu, das war geschüttelt, nicht gerührt?, wispert sie zu sich selbst.
Erst am dritten Abend finden endlich die Interviews statt. Die Journalisten werden zu Kleingruppen sortiert, abwechselnd sollen dann Mitglieder der Filmcrew, und natürlich Daniel Craig, ihnen im Fünf-Minuten-Takt zur Verfügung stehen. Doch Lars macht sich Sorgen, seit der Typ vom ?Stern? seine Reise selbst zahlen wollte. Schließlich ist Sony nicht gerade ein unwichtiger Kunde. Beim Mittagessen spricht er mit Marcel über seine Ängste. Der grinst ihn an wie ein Bankräuber nach dem größten Coup des Lebens: ?Mach Dir da mal keine Sorgen. Die werden das alles toll finden??
Lars schaut verblüfft: ?Warum? Wegen der Casino-Runde am Ende, wo jeder noch mal abräumen wird, weil wir den Croupier geschmiert haben??
Marcel macht eine abwertende Handbewegung: ?Vielleicht auch deshalb. Hätten wir uns aber auch sparen können. Nein, es gibt tasty cookies.?
Lars hebt an zu sprechen, schließt den Mund dann wieder und setzt nochmals an: ?Kekse? Es gibt Kekse? Und?.??????
?Und die sorgen für good vibrations. Ich hab sie gestern beim Barkeeper gekauft, sein Darling hat die selbst gebacken. Mit Zutaten aus Jamaika.?
Ungläubig weiten sich Lars Augen: ?Du meinst??
Marcel sagt nichts und macht umschließt die eine Hand mit seiner anderen, so als befände sich eine Zigarette im Hohlraum, dann zieht er Luft aus der Handhöhle ? und grinst.
Eine Woche später erhalten Lars, Alexandra und Julia einen Bonus. ?Großartige Berichterstattung. Und den ,Stern? liest doch keiner mehr?, lobt der Chef. ?Riesenjob, wirklich, Riesenjob.?
Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:
Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
Ein fröhlich‘ Lied
Backenfutter
Kaiserslautern
Have yourself a merry little christmas
DFB
Ein Prosit der Gemütlichkeit
Kollerkommunikation
Die Zahl des Monats
Job-TV 24
Valentinstag
Sepp Blatter
Neue Sanftmut
Street Credibility
Nike
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