Der Bundesverband der Zeitungsverleger erregt sich über die Kommerzialisierung des Fußballs. Erstaunlich: Gerade seine Mitglieder sorgen kräftig mit dafür, dass dieser kein Einhalt geboten wird. Ich weiß nicht, ob Helmut Heinen die Sportseiten seiner „Kölnischen Rundschau“ liest. Oder ob er darüber nachdenkt, dass er als Präsident des Bundesverbandes der Zeitungsverleger nicht nur Verbandshansel ist, sondern auch selbst Verleger. Vielleicht spielt er das berühmte Spiel mit den zwei Hüten, und je nachdem welche Position er besetzt, ändert sich seine Meinung. Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur, dass ich gerade herzlich geschmunzelt habe, als ich Heinens jüngste Äußerung in der Netzeitung gelesen habe:
„Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sieht in der zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballs eine Gefahr für die freie Sportberichterstattung. «Es ist doch absurd, wenn ein Sport, der vom Interesse der breiten Bevölkerung lebt und gerade durch die Graswurzelarbeit der lokalen Redaktionen vor Ort geprägt wird, zunehmend noch aus dem letzten Kick Profit zu ziehen versucht», sagte BDZV-Präsident Helmut Heinen der dpa mit Blick auf den Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai.“
Denn keine örtliche Zeitung, die nicht williger Sponsor der örtlichen Fußball-Clubs wäre. Mit Bandenwerbung, Eintrittskarten-Verlosungen und im Extremfall sogar Trikot-Werbung.
Ein Dilemma: Wer würde schon kritisch über das Objekt der Verlagswerbung schreiben? Und wer in der Sportredaktion möchte das überhaupt. Denn Sportjournalisten werden – zu oft – Sportjournalisten, weil sie Fan sind. Und dann schreiben sie über ihre Lieblingsclubs. Die aber möchte man nicht in die tiefer gelegene Liga begleiten, weshalb manches schöner dargestellt wird, als es ist. In der Wirtschaftskrise von Borussia Dortmund war es die „Süddeutsche Zeitung“, die recherchierte, nicht die lokalen Blätter.
Und auch am heutigen Tage wird sich die Nachfrag-Freudigkeit in Grenzen halten, vor allem in München. Ob wohl eines der bayerischen Blätter kritisch anmerken wird, dass sich der FC Bayern mit der Übernahme der Stadionanteile von 1860 in die große Gefahr einer bilanziellen Überschuldung begibt. Dass er sogar bestandsgefährdet sein könnte, wenn 1860 keine Lizenz für die kommende Saison erhält und somit der zweite Mieter der Arena, die den Namen einer Versicherung trägt, wegfällt? Dass aber 1860 wohl die Lizenz bekommen wird, weil in den zuständigen Gremien der Deutschen Fußball-Liga gerade die Chefetage des FC Bayern als einflussreich gilt?
Nein, ich tippe mal, das wird nicht stattfinden. „Bayern rettet 1860“, wird es heißen. Tiefer kann man nicht gehen, will man nicht gehen. Der investigative Sportjournalismus wird in Deutschland eben nicht von der Fifa ausgebremst, sondern von Verlegern und Vereinsliebe.
Kommentare
Jens 28. April 2006 um 17:54
Kleiner Einspruch: Die SZ hat zwar sehr viel zur BVB-Krise recherchiert, entdeckt und meines Wissens auch erstmalig veröffentlicht aber auch und gerade der BVB-Medienpartner \“Ruhr-Nachrichten\“ hat einiges dazu gebracht (z.B. so weit ich mich erinnern kann immer wieder die \“bösen\“ Faxe aus Dortmunder Insiderkreisen zu Niebaums Geschäften) – am Ende gibt es sogar ein Buch namens \“Die Akte Schwarz-Gelb\“ dazu, was von RN-Redakteuren geschrieben wurde.