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Warum nur haben Journalisten so große Angst vor Weblogs? Vielleicht, weil sie sich nicht trauen, ihre Meinung öffentlich zu vertreten. Bei den Strategiesitzungen der „New York Times“ in Sachen Internet wäre ich gern mal dabei. Denn gerade zu Weblogs führt jenes Blatt, dem in jenem großartigen Kurzfilm „2015“ das Ende seiner Online-Präsenz prophezeit wird, selbst Weblogs. Andererseits hat sein Chefredakteur (leider finde ich den entsprechenden Link nicht mehr) kürzlich erklärt, keine Weblogs mehr lesen zu wollen.

Die Print-Redaktion folgt dem Chef ehrerbietig nach und hackt gern mal auf Blogs rum. Zum Beispiel gestern:
„In the last few years, newspapers around the country have been testing the waters of the seldom-restrained, often scrappy world of Web-based journalism by setting their reporters loose to write their own blogs.
Skip to next paragraph Last week, the experiment backfired for The Los Angeles Times.“

Die Geschichte: Ein „LA Times“-Redakteur mit Blog kommentierte bei anderen Blogs unter einem Pseudonym. Dies aber verstößt nach Meinung der Chefredaktion gegen das Redaktionsstatut, „which requires editors and reporters to identify themselves when dealing with the public.“ Nimmt man es also genau, dürfte kein Redakteur der „LA Times“ sich privat äußern ohne zunächst anzuführen, welchen Beruf er hat. Das dürfte für Singles eine echte Hürde in Sachen Partnerschaftssuche darstellen, kommt doch als Anmachspruch: „Du, ich bin Redakteur bei der ,LA Times'“, schnell sehr, ja, genau, aufreißerisch daher.

Kein Wunder, dass da mancher durchdreht. So wie jener Herr, um den es in diesem Fall geht. Dass es hier keineswegs um einen normalen Fall von bloggendem Journalist geht, wird schnell aus der Vorgeschichte klar:

„Mr. Hiltzik’s reputation at The Times is mixed. In 1993, while serving as a correspondent in Moscow, he was recalled to Los Angeles after it was discovered he had been reading his colleagues‘ e-mail messages.“

Und auch die Tatsache, dass jener Herr Hiltzik unter Pseudonym bei sich selbst unter Pseudonym kommentiert hat, wirkt auch eher bizarr.

Der Fall also taugt nicht, wie die Kollegen der „New York Times“ es gerne hätte, als Warnung für Verlage, ihren Leuten keine Weblogs zu erlauben.

Jeff Jarvis fragt in seiner Buzz Machine aber zu Recht: Warum haben so viele Journalisten Probleme damit, mit ihren Lesern offen zu diskutieren?

Vielleicht ist dies ein Grund, warum so viele Weblogs fest angestellter Journalisten so grauenhaft langweilig sind: Sie wollen nicht für ihre Meinung unter Feuer genommen werden. In der Zeitung, sicher, ist das einfach. Man schreibt einen Artikel, bekommt vielleicht nen bösen Anruf und zwei, drei Mails, dann ist es gut. Im Fernsehen fängt die Hotline alle Kritik aber, im Radio ebenso.

Im Internet aber ist Reaktion auf die Leistung eines Schreibers einfacher. Und unverschämterweise wird auch noch erwartet, dass derjenige mitdiskutiert. Das ist hart, das macht Arbeit, das ist ungewohnt.

Aber ehrlich gesagt: Es macht auch saumäßigen Spaß. Und es hilft, die eigene Argumentation zu prüfen.


Kommentare


johnny 25. April 2006 um 17:42

Und wenn dann ein Journalist speziell diesen abschließenden Satz erst einmal erkannt und verstanden hat… dann kommt ein tolles Blog dabei heraus. Dieses hier, zum Beispiel, das immer besser wird.

Kann man davon eigentlich leben? 😉

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maximal smart 25. April 2006 um 18:15

Ich kann aber auch einen Journalisten verstehen, das er sich etwas vorsichtiger im Web bewegt, wenn es gegen die Interessen seines Arbeit-/Auftraggebers verstößt, was ggf. in seinem Blog so landet.

Würde sich den ein beliebiger Angestellter im Internet outen, wenn er auf seiner Site negatives über seinen Arbeitgeber zulässt.

Ich denke, Blogs sind sehr wichtig! Doch maine ich auch, das zumindest ein gewisse Anonymität angebracht sein kann, denn leider sind nicht alle Verleger immer so nett, und (berufliche und zwischenmenschliche) Verhältnisse können sich rasch ändern.

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Peter Turi 25. April 2006 um 22:07

Am naheliegendsten ist das Bloggen eigentlich für freie Journalisten oder Autoren. Er/sie kann z.B. seine Artikel zum Ausweis der Fachkompetenz sammeln. Schließlich sind die Autoren die Urheber und die Verlage nur die Nutzer.

Bei Festangestellten ist die Trennung von privat und öffentlich natürlich heikler.

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Blogdiplomatie 25. April 2006 um 23:20

Ich sehe Journalismus und Weblogs ja sowieso als nicht direkt vergleichbar. Die Journalisten sind es doch meistens, die auf Teufel komm raus dauernd einen drohenden, aber dann doch zu vernachlässigen Konkurrenzkampf herbeiheulen. Natürlich kann ein Abs…

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egon.w 26. April 2006 um 2:44

Entschuldigen sie die Frage in Englisch:
What is the legal position of a blogger? Do the laws of libel apply? What if a journalist makes defamatory comments on a weblog? Will he lose his or her creditability in print when one compares comments on the web against his or her position in a paper? Maybe the latter accounts for the reluctance of journalist to identify themselves on weblogs.

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Erik Hauth 26. April 2006 um 17:20

Das ist hart, das macht Arbeit, das ist ungewohnt.
… und passt so gar nicht zu dem Selbstverständnis vieler Journalisten.
Immer noch.

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