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So ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sollte die Lage eigentlich klären. In Sachen Sportwetten passierte heute das Gegenteil. So viel Verwirrung habe ich selten erlebt. „Was nu?“ war heute auf den Gesichtern der Journalisten abzulesen, oben auf der Empore im Sitzungsaal des Bundesverfassungsgerichtes. Schon während der Urteilsverkündung in Sachen Sportwetten waren gelegentliche Stirnrunzler nicht zu übersehen.

Kaum waren die Richter aus dem Saal, stellten wir fest, dass es den beiden Seiten Streit-Seiten auch nicht anders ging. Schulterzucken, ganz, ganz vage Aussagen. Niemand wusste etwas anzufangen mit der merkwürdigen Entscheidung.

Kurz darauf meldete Spiegel Online: Wettmonopol gekippt. N-TV online meldete: Verfassungsrichter bestätigen Wettmonopol. Das ist keine Kollegenschelte: Irgendwie hatten beide Recht.

Also mal kurz zusammengefasst:
– Ein staatliches Wettmonopol halten die Richter für sinnvoll um Spielsucht zu bekämpfen. Oddset aber, das staatliche Wettmonopol, ist in seiner derzeitigen Form nicht dazu geeignet diesen Monopolgrund zu erfüllen.
– Private Wettanbieter sind nach europäischem Recht erlaubt, wenn der Staat mit einem Monopol eben genauso agiert wie ein Privatunternehmen.
– Dann gibt es in Deutschland ja noch jene vier Unternehmen, die mit einer Lizenz aus DDR-Zeiten agieren. Ihre Existenz wurde kurz erwähnt – das wars.

Nun also stellen die Richter den Staat vor zwei Möglichkeiten:
1. Er richtet sein Monopol so aus, dass es die Wettleidenschaft kanalisiert. Sprich: Keine spielfördernde Werbung, aktiver Kampf gegen die Sucht, Warnung ähnlich der Nikotin-Hinweise.
2. Er erlaubt private Anbieter, dazu muss ein Lizenzierungsverfahren her.

Bis zum 31.12.07 muss es nun eine gesetzliche Regelung geben – ob von Bund oder Ländern ist egal. Bis dahin – und das ist der echte Klopper – darf Oddset mit sofortiger Wirkung nicht mehr tun, als Informationen zu verteilen. Umsatzfördernde Werbung aber ist nicht mehr erlaubt. Zur Erinnerung: Oddset ist Sponsor der Fußball-WM, wie ich auch am Karlsruher Bahnhof gleich wieder erinnert wurde…

Später dann Pressekonferenz des Verbandes Europäischer Wettunternehmer im Stehen und in leicht depressiver Stimmung.

Denn die ausländischen Anbieter können derzeit noch nicht auf den deutschen Markt. Und die Wettannahmestellen, die von Deutschland aus schon jetzt Wetten an sie vermitteln, stehen vor einer harten Zeit: In Karlsruhe war bereits zu hören, morgen würden weiträumig Annahmestellen in Hessen und Bayern geschlossen.

Vier sichere Gewinner aber scheint es zu geben: die Anbieter mit DDR-Lizenz (Betandwin, Wetten.de, Sportwetten Gera, Interwetten). Auch Wetten.de-Chef Hopfinger war sich nicht so richtig sicher, aber da das Gericht diese Zulassungen erwähnt hat (also zur Kenntnis genommen hat), aber nicht weiter darauf einging, besteht anscheinend kein Problem.

Somit aber entsteht bizarres Durcheinander: Oddset darf vorerst nicht werben, die DDR-Lizenzinhaber aber schon. Gleichzeitig geht es kleinen Wettannahmestellen an den Kragen. War dies die Absicht der Verfassungsrichter? Hoffen sie darauf, dass wegen der nun schlechteren Stellung von Oddset der Staat schneller handelt? Das Thema ist mit dem Urteil nicht beendet – es fängt gerade erst an.

Ach ja, noch einen Gewinner gibt es. Paddy Power, Kommunikationschef des gleichnamigen irischen Wettunternehmens. Seine deutschen Berufskommunikatoren von Achtung Kommunikation verteilten offensiv Hinweiszettel und boten den sympathischen, bullig-fröhlichen Dubliner zum Interview an.

Und weil er der einzige Auslandsanbieter vor Ort in Karlsruhe war, dürfe sein Unternehmen, das sonst niemand zur Kenntnis genommen hätte, in erstaunlich vielen Medien Erwähnung finden.


Kommentare


Christian Merz 29. März 2006 um 11:28

Hi Paddy, I told you it will work. This Handelsblatt will pick it up. And he did. Great. Congrats to you and your team.

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