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In Sachen Sportwettenskandal und Spielmanipulation scheinen alle Medien durchzudrehen: Täglich wird ein neuer Name als Manipulator durch die Blätter getrieben. Journalistische Sorgfaltspflicht dagegen wird in den Urlaub geschickt. Manchmal kann einen sogar der „Focus“ überraschen. Durch Recherche und ausgewogene Berichterstattung. Doch, ehrlich. Zum Beispiel heute in Sachen Fußball-Wettskandal.

Der „Focus“ nämlich ist das bisher einzige Blatt, das versucht, den mutmaßlichen Informanten jener windigen „Plusminus“-Geschichte ausfindig zu machen, möglicherweise mit Erfolg (leider ist dieser Teil der heutigen Story nicht online, dort gibt es nur einen Zusammenschnitt). Jener Informant also soll ein ehemaliger Angestellter eines Wettvermittlers sein, der Wetten an die Maltesische Firma Tipico vermittelt. Jener Ex-Mitarbeiter wurde wegen Diebstahls gefeuert.

Das würde so manches erklären, vor allem die merkwürdige Faktenlage. Denn die Art und Weise, wie der Wettbetrug laut „Plusminus“ und auch „Focus“ abgewickelt wurde, klingt wenig realistisch. Angeblich sollen an verschiedenen Wettannahmestellen Beträge von 200 („Plusminus“) oder 300 bis 500 („Focus“) Euro gesetzt worden sein. Insgesamt aber sollen 300.000 bis 400.000 Euro im Spiel sein, was bedeutet: An über 1000 Annahmestellen hätte gewettet werden müssen – das ist verdammt viel Arbeit.

Unbemerkt dürfte sich auch nicht bleiben. Wettannahmestellen nämlich stellen in der Regel die Quoten nicht selbst, sie vermitteln nur die Wetten an größere Unternehmen, die im steuergünstigen Ausland sitzen. So zum Beispiel Tipico in Malta.

Diese sind vieles, aber nicht blöd, weshalb sie ein ordentlich besetztes Risikomanagement beschäftigen. Das überprüft zum einen die einzelnen Wetter, zum anderen die Gesamtheit aller eingehenden Wetten auf Merkwürdigkeiten. Fast alle dieser Wettunternehmen sind außerdem Mitglied bei übergreifenden Beobachtungsplattformen wie Betradar, wo eine solche Konzentration von Wetten auf einen ungewöhnlichen Spielausgang registriert werden dürfte.

Dieses Risikomanagement ist keine Marketingbehauptung, sondern Selbstschutz. Schließlich müssen die Wettunternehmen im Falle eines Sensationssieges blechen. Deshalb haben sie auch kein Interesse an Manipulationen. Dies aber suggeriert der „Focus“-Artikel leider, weil er gleich zu Anfang betont, dass die in München verdächtigten Manipulatoren ihr Geld mit der Vermittlung von Sportwetten verdient hätten. Der Unterschied zwischen Vermittlern und Wettunternehmen fällt der „Focus“-Kürze leider zum Opfer.

Immerhin aber sind Wettvermittler der Teil der Nahrungskette, der von Manipulationen nicht betroffen wäre: Die Annahmestellen bekommen eine Provision, die Auszahlung der Wettgewinne liegt aber bei den Wettunternehmen.

Ja, keine leichte Materie – aber auch keine Quantentheorie. Bemerkenswert bleibt, dass die angeblich manipulierten Spiele keine großen Hinweise auf Manipulation zeigen. So hat „Focus“ den „Kicker“-Bericht des angeblich geschobenen Spiels zwischen Nürnberg und Wolfsburg rausgekramt. Ergebnis: Kein Anlass zur Sorge.

Und auch die drei anderen angeblich manipulierten Spiele des 1. FC Nürnberg klingen nur bedingt nach Betrug. Beim 1:1 in Wolfsburg wäre die Manipulation wohl gescheitert, auf Unentschieden zu spielen ist kaum möglich, wenn man nicht noch Spieler des Gegners an Bord hat. Und Nürnberg hat auch nicht wirklich versucht zu verlieren, meint zumindest der „Kicker“:
„Mit dem Mute der Verzweiflung warf der 1. FC Nürnberg in der Schlussphase noch einmal alles nach vorne und wurde belohnt.“ Der Ausgleich fiel in der 88. Minute.

Die 2:3-Heimniederlage gegen Bielefeld scheint noch am ehesten ins Schema zu passen, der entscheidende Treffer fiel erst in der 90. Minute. Der Kicker spricht von einem „unglücklichen“ Verlust aus Sicht der Nürnberger.

Nicht einmal die 2:6-Niederlage in Bremen klingt nach Schieberei:
„Mangelnden Einsatz konnte man der Wolf-Truppe zunächst auch nach diesem erneuten Rückschlag nicht vorwerfen. Die Franken mussten dem hohen Tempo in der Schlussphase jedoch Tribut zollen – und die Bremer nutzten dies eiskalt aus.“

Mit ähnlichen Fakten, die eine vorgelegte These beeinträchtigen könnten, beschäftigt sich der „Spiegel“ heute nicht – mal wieder. Vor einer Woche hatte er sich ja den ehemaligen Bielefelder Ansgar Brinkmann vorgenommen.

Einschub: In Weblogs sollte der Autor immer erwähnen, wenn er durch etwas beeinflusst wird. Also: Ich bin Anhänger des derzeitigen Arbeitgebers von Ansgar Brinkmann. Nach seinen derzeitigen Leistungen aber kann niemand glauben, ich sei positiv zu Gunsten Herrn Brinkmanns beeinflusst. Echt nicht.

Von Brinkmann ist diese Woche nicht mehr die Rede. War ja auch echt dumm, dass der angeblich bestochene Spieler im bewussten Spiel einen Elfmeter verwandelt hatte, bevor er die rote Karte bekam. Stattdessen gibt es jetzt drei Spieler, deren Namen dem „Spiegel“ angeblich bekannt sind. Prahlen mit Herrschaftswissen ist ja nie schön. Die Spieler wurden übrigens nicht kontaktiert, was ja vielleicht interessant gewesen wäre – aber die Story möglicherweise kaputtgeschossen hätte.

Diese drei also sollen für eine halbe Million Euro, abgezweigt aus der Kasse von Bayer Leverkusen durch den damaligen Manager Reiner Calmund, das Spiel Leverkusen gegen 1860 verschoben haben. Immerhin: Die 60er haben schlecht gespielt. Aber lassen sich für 500.000 Euro tatsächlich drei Spieler einkaufen? Angesichts der üblichen Bundesliga-Gehälter klingt das kaum glaubhaft – aber Fußballer waren ja noch nie für Intelligenz und Zurückhaltung in Sachen Finanzen bekannt.

Und doch wäre es vielleicht eine Wette wert, dass wir auch von diesen drei Spielern und ihrer angeblichen Schandtat nicht mehr viel lesen werden.

Übrigens will ich damit nicht sagen, dass Spielmanipulationen nicht stattfinden. Ich mag nur nicht glauben, dass sie so offensichtlich in der höchsten Liga stattfinden. Der Hoyzer-Skandal hat gezeigt wie man es macht: Je niedriger die Liga, desto leichter ansprechbar die Spieler, desto niedriger deren Gehälter und desto besser die Quoten.


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