Warum eigentlich machen Großkonzerne so viel Wirbel um ihre Internet-Auftritte? Die meisten könnten die Homepages drastisch zusammenkürzen. Kürzlich hatte ich das Vergnügen, David Weinberger zu treffen. In der halben Stunde Interview mit ihm echauffierte er sich bei zwei Themen so richtig: Web 2.0 („Was ist daran neu?“) und Internet-Auftritte von Großkonzernen:
„Deren Online-Auftritte sind größtenteils ein Witz, niemand schert sich darum. Eigentlich haben sie gar keinen Wert.“
Daran musste ich gerade denken, als ich bei Micro Persuasion von zwei US-Firmen lese, die ihren Unternehmens-Homepages einen Weblog-Schwerpunkt verliehen haben.
Das sieht erstmal nicht schlecht aus, weder bei Kapitalgeber Union Square Ventures (ein wenig kühl vielleicht), noch bei der Werbeagentur Hill Holliday. Zumindest aber weit interessanter als der gewöhnliche deutsche Konzernauftritt. Wer nutzt eigentlich Seiten wie die von Eon, Thyssen Krupp, oder Daimler Chrysler? Seiten, die entweder eine optische Unverschämtheit sind (Eon und Daimler) oder mit Satzsedativa aus der PR-Schule, 1. Stunde in den Schlaf wiegen wie:
„Im Rahmen einer Pressekonferenz stellen ThyssenKrupp und das Land Niedersachsen den zweiten Ideenpark vom 20. bis 28. Mai 2006 auf dem Expo-Gelände in Hannover vor. Unter dem Motto „Technik entdecken. Zukunft gestalten“ präsentieren sich „Denker“ und „Macher“ komplexer Technologien und zeigen die faszinierenden Seiten der Technik.“
Anleger? Mmh… Inzwischen lassen sich Geschäftsberichte, Unternehmensnachrichten und Kurse ganz wunderbar von der Online-Bank des Vertrauens recherchieren. Und Nachrichten gibt es, so sie interessant sind, überall.
Journalisten? Ja, eine Datenbank mit Pressemitteilungen ist hilfreich. Das ist aber nur ein kleiner Teil des Unternehmensauftritts. Meist ist der noch dazu nicht sonderlich übersichtlich konstruiert, aber das ist eine andere Geschichte.
Mitarbeiter? Nein. Die haben das Intranet.
Bewerber? Ja, möglicherweise. Aber lohnt sich für diese kleine Zielgruppe solch ein Aufwand?
Kunden? Nur wenn sie handfesten Service bekommen. Die Selbstbeweihräucherung aber werde auch sie sich ersparen. Oder stockt jemand bei solchen Textschwallungen der Atem:
„E.ON ist im Strom- und Gasgeschäft aktiv und verfolgt dabei in doppelter Hinsicht ein integriertes Geschäftsmodell.
Unser Geschäft ist vertikal integriert: Wir sind im Strom und Gasgeschäft über die gesamte Wertschöpfungskette aktiv: vom Kraftwerk und von der Gasproduktion über die Verteilung bis hin zum Vertrieb an unsere Kunden. Das erlaubt es uns, unser Geschäft zu optimieren und Risiken zu minimieren.
Unser Geschäft ist horizontal integriert: Strom und Gas wachsen enger zusammen. Der Anteil von Gas in der Stromerzeugung wird weiter steigen. Daher ist es von Vorteil für E.ON, im Strom- und Gasgeschäft aktiv zu sein. Aber auch unsere Kunden profitieren davon, denn wir bieten Strom und Gas aus einer Hand an.“
Womit wir bei der Idee der Weblog-Basierung wären. Blogs könnten für die Leser interessanter sein. Theoretisch. Denn auch weiterhin ist meine Meinung: Unternehmen/Manager sollten nicht bloggen. Eine Werbeagentur, eine VC-Gesellschaft, ja sicher, das geht. Sobald aber ein Unternehmen an der Börse ist unterliegt es derart vielen internationalen Restriktionen in seiner Kommunikation, dass ein Weblog entweder langweilig oder prozessheraufbeschwörend sein dürfte.
Warum also so viel Aufwand für so wenig Interessierte? Klar, im Internet muss man sein. Aber die Auftritte der Großkonzerne sind ebenso verbranntes Geld wie Unternehmensbroschüren. Dies Hochglanzmagazine drücken einem Firmenvertreter gern in die Hand, vielleicht weil ihnen selbst der Weg zur Altpapiertonne zu weit ist. Gerade habe ich die fünf Kollegen auf meine Bürogang nach solch einer Broschüre gefragt: Alle hatten welche in den vergangenen Wochen bekommen – jeder hat sie weggeworfen.
Die meisten Konzerne könnten sich weite Teile ihrer Online-Auftritte sparen: Das ist monetär, quantitativ, qualitativ und personaltechnisch gemeint. Das Geld, das Personal und vermutlich auch die endlosen Meetings ließen sich sinnvoller investieren.
Kommentare
INJELEA 23. März 2006 um 14:36
Homepage? Von Unternehmen? Da gibt es jede Menge von. So mancher Homepage würde ein Frühjahrsputz gut tun. Aber Thomas Knüwer geht noch weiter, er sagt: "Einfach mal die Homepage streichen".Streichen? Eine andere Farbe? Rot, oder gelb oder …..
marcel 23. März 2006 um 15:18
Wie wahr, das Ganze.
PR Blogger 23. März 2006 um 15:45
Große Abstimmungsarien sind sicherlich nicht für ein Blog förderlich. Allerdings rückt das Thema Blogs den börsennotierten Unternehmen auch via Google Finance näher. Dort können sich die Anleger auch via unternehmensfremder Blogs informieren. Insofern ist es wohl kaum mehr möglich, sich dem Thema ganz zu entziehen.
John 23. März 2006 um 18:55
PR-Homepages durch Informationen ersetzen wäre auch mal eine Idee. Ui, sollte ich mir patentieren lassen.