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Ich mache mir Sorgen um den Berufsstand, dem ich angehöre. Weil selbst in einem journalistischen Fachblatt Ekel erregender Schmierenjournalismus Platz findet. Mich beruhigt nur, dass der Autor ein PR-Mann ist. Das „Medium Magazin“ zählte lange zu meinen Lieblingsblättern. Liebevoll gemacht war es, enthielt viel Nutzwert (wie zum Beispiel beigeheftete Extra-Magazinchen zu journalistischen Stilformen) und war appetitlich anzuschauen. Und gerade im Journalismus gibt es ja kaum ordentlich zu lesende Fachblätter.

Ich weiß nicht, ob es Abnutzung oder Gewöhnung ist, oder sich das „Medium Magazin“ wirklich tot gelaufen hat. Auf jeden Fall aber, ist es für mich seit rund einem Jahr irgendwie entbehrlich geworden.

Die jüngste Ausgabe bestätigt mich nur darin. Denn beim „Medium Magazin“ scheint es eine Moralverschiebung gegeben zu haben – weg von Anspruch, hin Richtung „Coupé“ für Medienmenschen.

Erstmalig nämlich darf sich ein Berufskommunikator als Kolumnist unter dem Namen „Dr. Who“ gebärden. Wer das ist wird verschwiegen. Es handelt sich um:

„DR. WHO“
-ohne Großbuchstaben geht die Chose nicht –
„ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche, die künftig regelmäßig als Kolumnist für das „medium magazin““
– der Journalist gibt sich bescheiden kleinbuchstabig –
„schreibt“.

Nun ist jemand, der mit beruflichem Anspruch schreibt und ein Pseudonym verwendet, zumindest fragwürdig. „Dr. Who“ jedenfalls ist eine wunderbar skurrile Science-Fiction-Serie aus England. Deren Name möchte ich nicht von einem feigen Pseudo-Journalisten benutzt sehen, der es nicht mal wagt, zu dem zu stehen, was er so von sich pustet.

Die Kolumne „Sprechernotizen“ beginnt, wie man es von einem Berufskommunikator erwartet. Da wird der neue BMW-Kommunikationschef beschleimt:
„Dass Maximilian Schöberl sein Handwerk versteht, hat er aber durchaus schon bewiesen. Aus dieser Beziehung mit welch künftigem Vorstandschef auch immer kann etwas werden!“

Danach darf sich auch der neue Siemens-Sprecher im Schampus wühlen. Janos Gönczöl heißt er und ist der Schwager des Headhunters, der die Stelle besetzen sollte. Erfahrungen in der PR-Branche hat er nicht, was „Dr. Hasenfuß“ nicht stört:
„Auch er sollte reüssieren können – trotz oder gerade wegen der Beziehung?“
Was die Adressaten seiner Arbeit von einem halten werden, der keine Erfahrungen auf diesem Gebiet mitbringt, fragt sich Doc Rumpelstilzchen nicht. Und auch die Schwagerschaftsverquickung ist eher einen kumpeligen Hieb in die Seite wert, so ist es halt das Management, wir sind doch alle kleine Sünderlein – so lange es nicht um Sex geht.

Denn nun greift Dr. Quacksalber ganz tief in die Dreckkiste (Namen und Organisationen habe ich entfernt, um den Mist nicht weiter zu verbreiten):

„Eine andere Spielform von Beziehungen in der PR finden wir“
– man beachte die herrschaftliche Wahl der Worte –
„weniger gut. Zum Beispiel wie der Bundesverband der XXX… die Kommunikationsaufgaben auf die Stabschefin XXX übertragen und dafür den anerkannten Kommunikationschef XXX gefeuert hat.“
– der vermutlich der Schwager von Dr. How-low-can-you-go ist und jetzt durch eine Frau, EINE FRAU, ersetzt wird –
„Und wie die Dame mit dem betont nachdrücklichen Auftreten“
– WAS WILL DIE TUSSE DENN? –
„und ihr Chef, XXX, kaum einen Hehl aus ihrer das Tagesgeschäft überdauernden Beziehung machten“
– ohne Hochpoppen wäre die da doch nie gelandet!

Ups, jetzt musste Doc Ich-vögele-nur-Praktikantinnen-und-keine-Kolleginnen-so-was-gehört-sich-doch-nicht noch ein wenig Moral nachlegen:
„Verlust an Distanz war aber noch nie ein guter Ratgeber für Kommunikationschefs.“

Und einer geht noch, einer geht noch rein:
„So was schafft Misstrauen, wovon auch die XXX AG vor dem erfolgreichen Gespann aus Kommunikationschef XXX und CEO XXX ein Lied singen konnte. Heute darbt der ehemalige CEO XXX in der Tatenlosigkeit, und seine Dame für die Beziehungspflege“
– Die hat mich nie rangelassen, das hat sie jetzt davon –
„müht sich als Einzelkämpferin um Rohstofffonds…“

Wenn dies diese Schmierereien Vorstellungen des „medium magazins“ (nie waren Kleinbuchstaben angebrachter) von gutem Journalismus sind, dann gibt es sicher bald wieder die nutzwertigen Beihefter. Themen: „Witwenschütteln für Anfänger“ und „Wie kaufe ich einen Journalisten?“


Kommentare


Don Alphonso 4. Januar 2006 um 11:27

„Wie kaufe ich einen Journalisten?“

Mit einem guten Mittagessen, hiess es in Schloss Elmau von der Spitze einer Wirtschaftsredaktion einer grossen Frankfurter Tageszeitung.

„Weiber“ gibt es erst ab Betriebsrat aufwärts.

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Guest 4. Januar 2006 um 12:44

Tja, und auf S. 29 schafft es das Blatt der kleinen buchstaben dann nicht einmal, den Namen eines der Preisträger „Journalisten des Jahres“ richtig zu schreiben. Viersilbige Nachnamen gehören aber auch verboten. Handwerklich …

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Gast 5. Januar 2006 um 13:25

Aber haben viele das MM nicht schon längst abbestellt???

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jo 6. Januar 2006 um 14:12

ja, ich.

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Peter Turi 20. Januar 2006 um 17:59

Ja, diese Kolumne ist mir auch negativ aufgefallen – allerdings in einem Heft, das sonst ganz okay ist. Der alte Dienstmann Günther K. sagte zu sowas immer: „Ich habe niemals über zwei Dinge berichtet: Arbeitsgerichtsprozesse und Hosentürlgeschichten.“

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TO 24. Januar 2007 um 14:10

Habe nur eine Frage zum Kommentar: Wer war denn der Headhunter, der den Posten besetzt hat?

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Dr.Jost Seytter 1. Oktober 2007 um 13:07

Ehe er zu Siemens gekommen ist, hatJ anos Gönczöl vor vielen Jahren eine eigene, durchaus erfolgreiche PR-Firma gegründet, die später meines Wissens von einem us-amerikanischen Unternehmen übernehmen.
Soviel zum Thema \’ERfahrungen in der PR-Branche\‘

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Thomas Knüwer 1. Oktober 2007 um 13:40

Sagen Sie das mal Dr. Who…

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