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Internet-Angebote seriöser Medien mutieren oft genug zum Boulevard der platten Meldungen. Doch kann man den Redaktionen das verdenken? Gestern saß ich auf dem Podium (oder besser an einer Tischseite) eines Gesprächskreises zum Thema „Internet 2.0 – citius, altius, fortius?“, organisiert vom Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW.

Es war eine nette Rund mit rund 20 Zuhörer, insgesamt eine kleine Tour durch aktuelle E-Trends. Dabei betätigten sich die drei Verbandsvertreter als Optimisten, „FAZ“-Mann Holger Schmidt und ich gaben die Bremser (die offizielle Pressemitteilung gibt es hier)

Auch das Thema redaktionelle Qualität wurde besprochen. Allerdings ging es vor allem um die Kompetenz der Print-Medien in Sachen Internet und IT-Themen. Heute würde ich gern mit denjenigen, die sich über die kräftig wachsende Online-Werbung freuen, reden über deren Folgen für die Inhalte von Internet-Nachrichtenseiten.

Denn wenn Werbepreise sich allein nach Seitenabrufen bemessen (und so ist das bei den meisten Internet-Angeboten), wird der Klick zur beruhigenden Droge um ihren Job fürchtender Online-Redakteure. Ihren täglichen Schuss brauchen sie und bevorzugen deshalb Massenwirksamkeit über Qualität. Bildergalerien von neuen Autos, Sex, Skandalmeldungen – das zieht das Volk an und wird deshalb besonders prominent platziert.

Wer das nicht glaubt, der werfe einfach einen Blick auf den CNN-Newsticker, den das US-Weblog Gawker festgehalten hat:


Kommentare


Julius 17. Januar 2006 um 20:30

Die Klicks sind zwar weiterhin meistens die Basis für die Werbepreise. Aber viele Sites sind mittlerweile so erfolgreich, dass der oben beschriebene Mechanismus nur noch eingeschränkt oder gar nicht gilt.
D.h. nicht jeder zusätzliche Klick bringt bei diesen Angeboten mehr Geld, weil sie ihre Werbung pauschal verkaufen ohne jeden Klick zu zählen. Es wird also eine zeitliche Präsenz auf dem Angebot vermarktet und nicht eine Anzahl Page Impressions (manchmal natürlich auch Kontakte oder sog. Leads). Somit gewinnen sie redaktionelle Hoheit und Unabhängigkeit zurück.

Wie das bei CNN ist, weiß ich nicht. Aber: „bunte“ Meldungen gelangen auch häufig im Internet über sog. Most-Popular-Rubriken nach oben. Meldungen, die oft auch in Qualitätszeitung weiter hinten erscheinen, werden im Internet von den Lesern nach oben geklickt. Da sieht man dann, wie der Leser tickt. Ein Vorteil, den die Kollegen der traditionellen Medien nicht haben. Auch bei CNN ist das so, obwohl ich gestehe, die Meldung: „Mouthy parrot ‚reveals sex secret'“ die derzeit bei CNN most popular ist, wäre im Handelsblatt weder Print noch online erschienen. Dafür gibt es eben redaktionelle Qualitätsrichtlinien.

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50hz 17. Januar 2006 um 21:35

Die Zeiten, zu denen Werbekunden wissen werden wollen, wer klickt und nicht nur wieviele, werden schon noch kommen.

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T. Schneider 18. Januar 2006 um 2:02

so lange man auf anonyme user zurueckgreift, wird jede website vor diesem dilemma stehen.

die firmen, die fuer online-werbung zahlen, wuerden es allerdings begruessen, user qualifizieren zu koennen (sofern sie representative user so erreichen).

ich bin fuer einen qualitaets-standard in sachen onlinewerbung (sag mir was dich interessiert und ich gebe dir die entsprechend info).

jeder verantwortliche sollte sich dessen bewußt sein.

an techniken fehlt es dafuer nicht. das hilft dem autohersteller wie dem naturliebhaber, tauchfreund, briefmarensammler, feng shui-fetischisten, … gleichermaßen.

wenn die qualitative nachfrage bedient ist, dann bitte gern weiter nach autos, sex, skandalmeldungen, denn das volk ist das volk, ist das volk, das volk ist…

ps:

jeder halbwegs denkende mensch sagt doch, dass die oeffentlich-rechtlichen sender die besten sendungen in sachen qualitative berichterstattung, themenwahl, etc. sind – eben ‚wahres leben‘ liefern. und dennoch zahlen eine menge – eben genau dieser menschen – keine gez-gebuehren, und warum? weil das system falsch/ ueberholt ist – das ist der einzige grund. und wenn da nicht bald aufgewacht wird, dann wird es ein unbeschreibliches qualitaetsdunkel in oe.-r. sendeanstalten geben.

zum internet, und den „Folgen für die Inhalte von Internet-Nachrichtenseitender“ nach entsprechender online-werbewirksamkeit, verhaelt es sich aehnlich. wer immer etwas zu verkaufen hat, haelt sich besser an den slogan vom mediamarkt:

„lass dich nicht verarschen.“

wenn die ard diesen slogan gebracht haette, waere mir wohler. ja, auch die ard muß verkaufen (lernen).

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Christoph Salzig 18. Januar 2006 um 12:51

Bei der Diskussion um Reichweite darf aber auch nicht vergessen werden, dass die Gemeinde derjenigen wächst, die bereit sind für ECHTE Qualität auch zu bezahlen. Sind die Geschäftsmodelle allerdings so angelegt, dass pro Artikel (egal wie alt) 1,50 Euro gezahlt werden müssen (wofür ich im umgekehrten Fall die gesamte Printausgabe inklusive aller für mich uninteressanten Artikel bekomme), ist das Grundverständnis für das Interesse der zahlungsbereiten Internetrezipienten noch nicht durchgedrungen.

Ein Kommentar zum Thema Online-Werbung. Die Zeit großer Streuverluste und unbekannter Zielgruppen ist längst vorbei. Das Internet verfügt nicht nur über Reichweite, sondern auch über eine gezielte Adressierung der User. Entscheidend scheint mir zu sein, dass die Werbetreibenden endlich begreifen, dass Online nicht ausschließlich mit möglichst schmalen Budgets und unkreativer Werbung die „Geiz-ist-Geil“-Mentalität der heutigen Verbrauchergeneration adaptiert wird. Gute Werbung ist kreativ, adressiert zielgruppengerecht, wird wahrgenommen und gibt im Unterschied zu allen anderen Medien, die Gelegenheit mehr über die eigenen Kunden zu erfahren und sie zum unmittelbaren Online-Kauf zu animieren. Nur Suchmaschinen-Maketing nach dem Mini-Max-Prinzip funktioniert nicht, Marken müssen sich über Qualität definieren – das gilt auch für die Online-Werbung.

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Ringfahndung Blog 18. Januar 2006 um 16:14

Mir ist eben das erste Mal aufgefallen, dass neuerdings Suchmaschinenoptimierer auch Namen von Blogs verwenden. Hier (http:(slashslash)handelsblatt-blog.net-blogging.de/handelsblatt-blog/handelsblatt-blog.htm), um schmuddelige SMSen zu verkaufen. Und dabe…

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tknuewer 18. Januar 2006 um 16:28

Danke für den Hinweis: Unsere Rechtsabteilung ist informiert!

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wingthom 19. Januar 2006 um 10:09

Mit Google Analytics, Tradedoubler, etracker & anderen Post View / post Click Trackern ist die Branche längst über das reine Click-Zählen hinausgegangen. Und gerade das ist die Riesenchance für redaktionell unabhängige hochwertige Inhalte: sie ziehen kaufkräftige Konsumenten und Entscheider an, deren Conversion „stimmt“ – der TKP, CPC oder die „Raum-Miete“ spielt dann in der absoluten Höhe keine Rolle mehr.

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